Kapitel 6: „Unerwarteter Besuch"

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Hey, ich hab' jetzt einen Spitznamen für dich!", meinte Hans, während sie schon eine Weile lang einfach nur dagesessen und sich nur stumm gemustert hatten. Hans saß dabei auf einer Matratze, die auf dem nackten und kalten Boden lag. Isabelle hatte sich stattdessen auf den Stuhl niedergelassen, der an dem kleinen Holztisch stand. Das waren dann auch die einzigen Möbel des Zimmers, abgesehen von einer winzigen Truhe, worin sich wahrscheinlich die Kleidung des Mädchens befand. „Ah, ja! Welchen?", fragte die Rothaarige nun neugierig. Der Schein der Kerzen, die sie im Raum aufgestellt hatte, flackerte dabei über ihr Gesicht, sodass diese ihren aufgeregten Gesichtsausdruck noch betonten. „Ha, ha, ich wusste, du fragst! Er ist mir eingefallen, als deine Haare so im Wind herumgeweht sind."
Und? Los, sag' schon!" Isabelle platzte schon fast vor Neugierde, denn Niemand hatte ihr bisher einen Spitznamen gegeben, da wollte sie ihren ersten schließlich wissen. „Ganz ruhig, ich sag's dir ja!", beruhigte Hans das Mädchen und grinste sie an, „Ich dachte mir, du bist ab jetztmein' roter Wirbelwind." Die Rothaarige kicherte belustigt auf. „Wirklich?! Na, dann wirble' ich mal zu dir rüber!" Damit hüpfte sie zu ihm auf die Matratze, griff nach ihrem Kissen und warf es direkt in Hans' Gesicht, „Kissenschlacht!" Der Prinz schnappte sich dieses wiederum und warf es Isabelle entgegen: „Hör' auf damit, das ist nicht lustig! An einer Schlacht ist rein gar nichts komisches dran..."
Ach, ja? Aber es ist doch nur eine Kissenschlacht, da kann sich doch Niemand wehtun.", meinte die Rothaarige leicht irritiert. „Trotzdem! Eine Schlacht ist nicht weniger als ein Krieg. Und in einem Krieg sterben Menschen...", erwiderte er fast schon schreiend, „Ich mag einfach nicht, belassen wir es dabei!" Er lehnte sich seufzend gegen die kalte Steinwand des Kellers und betrachtete Isabelle mit Skepsis. Ihm schoss nun wieder das Gespräch mit Damon in den Kopf. Hatte er nicht etwas von einem Krieg erzählt? Es solle einer zwischen den Königreichen Arendelle und Corona toben? Wie viele Opfer dieser wohl schon gefordert hatte? Nein, es wäre gar nicht auszudenken, wenn es eines Tages in seinem Königreich Krieg geben würde. Das Schlachtfeld wollte er unter gar keinen Umständen kennenlernen, denn Kampf und Gewalt waren ganz fürchterliche Tatsachen, die er wirklich keinem wünschte, der es nicht auch verdient hätte.
Gut!", befreite Isabelles Stimme ihn aus seinen Gedanken, „Ich möchte keinen Streit, daher lass uns nicht unnötig Zeit verplempern. Ich wusste nun mal nicht, dass du in solchen Dingen soverkrampft' bist, deshalb entschuldige ich mich dafür, dass ich dich mit einer Kissen~" Sie schluckte. Das WortKissenschlacht' sollte sie wohl in seiner Gegenwart nicht mehr verwenden. „Naja, sagen wir einfach, ich hab' ein wenig vorschnell gehandelt und damit hat's sich!", schloss die Rothaarige somit ab, schüttelte das Kissen vor den Augen des Prinzen auf und pfefferte es dann ans andere Ende der Matratze, von wo sie es auch hergeholt hatte. Sie rutschte von Hans ab und nahm in der Mitte der weichen Matte platz. „Nun, es ist spät geworden...", begann Isabelle und schob sich nervös ein paar Locken aus dem Gesicht, „Und, äh, ich muss morgen wieder früh raus, also sollten wir uns langsam schlafen legen. Ist das für dich in Ordnung?" Sie verlangsamte ihre Atmung und befahl sich innerlich ruhig zu bleiben, aber es gelang ihr wohl nicht ganz, denn sie bemerkte, dass Hans sichtlich unsicherer wurde. „K-klar ist das in Ordnung!", gab dieser zögernd von sich. „Du sollst deinen Tagesablauf meinetwegen nicht umschmeißen, aber... dürfte ich... Ich meine, darf ich...?" Er sprach es nicht aus, verstummte ohne auch nur einen deutlichen Hinweis auf seine Frage gegeben zu habe; Das wiederum sorgte bei Isabelle für Verwirrung. „Was möchtest du denn? Es ist ganz gleich, was es istIch könnte es dir ohnehin nicht geben –, aber ich will es wenigstens wissen!" Hans lächelte unmissverständlich, kaute jedoch nervös auf seiner Unterlippe herum. Er war sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren würde, doch wenn er das Risiko nicht einginge, würde er es nie erfahren. Also atmete er nochmals tief durch und versuchte es ihr so deutlich wie möglich zu bringen: „Ähm, naja... Es ist nichts, was du mir geben müsstest, eher etwas, was ich dirgeben' würde wollen. Nun, ja, ich wollte dich fragen, ob ich... Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich... in den Schlaf singen würde?" Die Rothaarige schaute wahrlich verwundert, aber dann schmunzelte sie nur. „Wirklich?", fragte Isabelle, während sich ein breites Grinsen auf ihre blass rosa Lippen legte, „Also, wenn es dir nichts ausmacht, gerne! Singst du denn auch gut oder muss ich mir am Schluss noch die Ohren zuhalten?"
Ich weiß nicht! Ehrlich gesagt, habe ich bisher nur zur Freude ein wenig in meinem Zimmer vor mich her geträllert. Lass dich einfach überraschen, ja? Und wenn ich doch so schlecht sein sollte, sag's mir! Ich will mich schließlich nicht blamieren."
"Ah, das wollen wir natürlich nicht!", kicherte die Rothaarige und fiel dabei nach vorne über, womit Hans sie auffangen musste, damit sie nicht auf seine Beine gefallen wäre und sich vermutlich verletzt hätte. Nun wiegte er sie langsam in seinem Schoß und strich ihr sachte über den lockigen, roten Schopf. „Alles okay, soweit?", lachte er ihr strahlend entgegen. Isabelle erwischte sich dabei, wie sie rot anlief und nickte nur stumm, ehe sie den Blick senkte. „Ja, es geht mir gut!", gab sie leise zu. Ein Moment der Stille entstand zwischen ihnen, doch dann durchbrach Isabelle ihn rasch. Schnell löste sie sich von dem Prinzen und rutschte von der Matratze herunter. Dann stand sie auf und wollte sich gerade ausziehen, da bemerkte sie Hans' neugierigen Blick und ihr Gesicht unterscheidete sich erneut kaum von ihren roten Locken. „Äh, könntest du dich bitte umdrehen? Oder schließ' zumindest deine Augen?", meinte sie und presste sich die Arme an die doch noch relativ kleine Brust, die unter ihrem zu großen Kleid so kaum zur Geltung kam. Sie würde wohl auch in den folgenden Jahren nicht größer werden? Ihr sollte es nur recht sein. Immerhin würde sie dann nicht ständig angebaggert werden, wie es bei ihrer Stiefschwester der Fall war. Auch wenn sie meinetwegen gerne noch etwas wachsen könnte; Ich will am Ende nicht eine von diesen Flachbrüstigen sein, dachte die Rothaarige, hoffte aber gleichzeitig, dass Hans nichts von ihren Gedanken mitbekommen würde. Bekam er allem Anschein nach auch nicht, denn er bewegte nur rasch den Kopf hoch und runter, um ihr zu zustimmten. „Natürlich! Ich drehe mich um und schließe die Augen, das ist doch selbstverständlich!", nickte Hans so schnell, dass ihm beinahe schwindelig wurde. Dann jedoch drehte er sich wie versprochen auf der Matratze herum, stützte seine Arme an der kalten Steinwand ab und lehnte seinen Kopf dagegen, um seine Augen wenige Sekunden später auch schon zu schließen. „Du kannst!", gab er ihr damit das Zeichen, das sie sich nun ausziehen könnte. Die Rothaarige zog das grüne und schon etwas zerschlissene Kleid aber nur widerwillig von ihrem Körper herunter, denn ganz vertraute sie diesem Prinzen immer noch nicht. Irgendetwas musste daran doch faul sein, grübelte sie über die tausend Fragen nach, die sich ihr noch immer stellten, während sie nackt wie sie war zu ihrer Kleidertruhe hinüberlief. Warum ließ er einfach nicht locker? Wieso wollte er sich noch mit ihr abgeben? Was fand er nur an ihr? Sie war doch weit unter seinem Stand. Er hätte alle Mädchen zur Freundin haben können; Jede beliebige – jede Prinzessin –, die höher gestellt war als ich, hätte er wählen können, dachte Isabelle gedankenversunken, aber er hatte trotzdem gemeint, dass wir Freunde wären und das er mich als seine Freundin nicht im Stich lassen würde. Darum sollte er jetzt also sie wählen? Gäbe es keinen Hintergedanken; Keinen einzigen?
Sie öffnete die Truhe und durchsuchte sie nach einem leichten Leinennachthemd. Einen Arm noch immer über ihrer nackten Brust gehalten, linste sie misstrauisch zu Hans herüber. Er hatte Wort gehalten; Immer noch lehnte er mit dem Kopf an der Steinwand, seine Augen waren geschlossen. „Isa? Bist du fertig?", fragte er nach einer Weile in die Stille hinein. Sie starrte perplex in seine Richtung, aber er hatte sich nicht gerührt. Sie seufzte. „Nein, noch nicht! Gedulde dich noch etwas, es dauert nicht mehr lange.", murmelte Isabelle und durchforstete weiter die Truhe. Hans meldete sich nicht mehr wieder und nach ein paar Minuten hatte sie gefunden, wonach sie gesucht hatte. Die Rothaarige schlüpfte in ein einfaches, cremefarbenes Nachthemd hinein und hüpfte dann zurück auf die Matratze, wo sie gleich darauf auch schon unter ihrer Bettdecke verschwand, da sie begonnen hatte zu frösteln. „Wieso hast du mich eigentlich ‚Isa' genannt?", fragte Isabelle und tippte ihn leicht mit einem ihrer schlanken Finger an, um ihm zu sagen, er könne sich wieder umdrehen und die Augen öffnen. „Oh, naja, du hast mir doch angeboten, dich so zu nennen! Ich kann dich aber auch gerne wieder ‚Isabelle' nennen, wenn dir das lieber ist?", meinte Hans, während er sich umdrehte und näher zu ihr heranrutschte.
„Ach, das... Das ist schon in Ordnung! Ich hab' mich nur gewundert...", murmelte die Rothaarige leise und versteckte sich so weit unter der Decke, dass nur noch ihre obere Kopfhälfte mit den Augen darunter hervorlugte.
„Du bist mir aber eine!", lächelte der Prinz sie strahlend an. Dann jedoch verlor er dieses Strahlen und Unsicherheit legte sich erneut auf sein Gesicht. „Äh, darf ich...", fing er an und musterte die vielen, roten Locken, die sich von Isabelles Kopf her, über das gesamte Kissen erstreckten, „Dürfte ich... mich neben dich legen?" Die Augen des Mädchens weiteten sich. „Nur zum Übernachten!", warf Hans noch rasch ein, „Ich meine, du hast ja schließlich keine weitere Matratze hier, oder?" Isabelle beruhigte sich wieder und schob die Bettdecke von ihrem Mund. „Nein, habe ich nicht!", lächelte sie, „Also komm', leg' dich neben mich! Obwohl, warte mal, willst du dich nicht auch noch umziehen? In dieser Kleidung kannst du doch sicher nicht schlafen, oder?"
„Ach, mach' dir darüber mal keine Gedanken! Außerdem könnte ich mich nicht umziehen – selbst wenn ich wollte –, hätte ich ja nichts an Nachtwäsche bei. Also musst du wohl so mit mir vorliebnehmen!", schmunzelte Hans und rutschte seitwärts an der Wand herunter, um nach ein paar Augenblicken neben ihren blau-grauen Augen zu liegen, „Na, lange nicht gesehen? Wie geht's denn so?"
Grmpf, lass den Quatsch!", grinste sie ihm entgegen und verdrehte dabei belustigt die Augen. Nun mussten beide laut losprusten und konnten sich eine ganze Weile lang nicht mehr beruhigen.
„Also gut...", fing der Prinz nun jedoch erneut an, „Dann schließ' jetzt die Augen und lausche meiner Stimme!"
„Deiner Stimme lauschen?", fragte die Rothaarige kichernd. „Ich wollte dir doch etwas vorsingen?", murmelte er leicht verwirrt.
„Ja, das wolltest du, aber..." Isabelle schluckte, „Oh, Hans, ich... Ach, egal! Ich würde mich freuen, wenn du mir etwas vorsingst." Sie lehnte ihren roten Lockenkopf im Kissen zurück und schloss die Augen, wobei sich ein breites Lächeln auf ihren blassen Lippen abzeichnete.
„Na schön...", stimmte Hans ihr nickend zu und fuhr sanft durch ihre roten Locken, „Dann hör' gut zu!" Er setzte an und sang. Es war eine fröhliche Melodie, die es zuließ, dass sie beide sich keine Gedanken darüber machten, was geschehen würde, wenn jemand davon erfuhr, dass sie heute hier beide ihre gegenwärtige Anwesenheit spürten. Schlicht weg, versprach sie ihnen nichts Dauerhaftes, auch nichts Endgültiges; Sie schenkte ihnen einfach diesen einen Moment. Und Hans wünschte sich so sehr, dieser Moment würde ewig andauern, aber er wusste nur zu gut, dass nichts für die Ewigkeit war – Egal, wie sehr man sich dies auch erhoffen mag.

Frozen & Tangled: Eine Erinnerung an vergangene ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt