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Ein stumpfes Beben weckt mich aus meinem sorglosen Schlaf. Ganz entfernt, doch mit jedem Schlag wird es lauter, gefährlicher, bedrohlicher.

Erschrocken setze ich mich auf und fühle die Vibrationen der Erde. Kein Zweifel.

"Was ist denn los?", fragt Levi und setzt sich ebenfalls auf. Ich habe mich wohl aus seinem Griff entrissen.

"Spürst du das nicht?", flüstere ich leise.

"Was denn?"

Da fällt es mir ein. Ich habe ganze 3 Jahre lang hier draußen überlebt. Jedes kleinste Geräusch, jede kleinste Bewegung ist mir bekannt. Mein Körper hat sich gewöhnt in ständiger Bereitschaft zu sein und ist auf Alarmmodus. Außerdem kenne nur ich die Merkmale einer Gefahr hier Draußen bis zur Perfektion.

"Levi. Ich glaube Titanen nähern sich."

Levi reißt die Augen auf, steht dann schnell auf und geht raus. Ich bleibe noch kurz sitzen.
Dieses Beben... die Abstände der Beben, die Häufigkeit, die Vibrationen...
Ich bin mir sicher. Es handelt sich hierbei nicht nur um einen Titan. Sondern um viele mehr.

Schnell rappele auch ich mich auf, folge Levi in die Dunkelheit. Er ist wohl kurz mit dem 3DManöver abgehauen um zu sehen ob ich recht habe.

Da fällt mir ein dass Eren immer noch nichts von der möglichen Gefahr weiß. Ich laufe zu ihm, reiße sein Zelt auf und schüttele ihn wach.

"Eren! Eren! Verdammt noch mal wach auf!", zische ich.

"Was ist denn los?", brummt er müde.

"Ich denke dass Titanen im Anmarsch sind. Los! Wach auf! Wir müssen weg hier."

Augenblicklich setzt sich Eren auf, reißt die Decke von seinem Schoß und klettert aus dem Zelt. Draußen bleibt er eine Sekunde stehen.

"Du hast recht... Ich spüre es auch...", flüstert er.

Levi kommt plötzlich von oben aus der Dunkelheit geschossen und landet neben mir.

"Es sind etwa 5 Stück. 1 5-Meterklasse, 3 10-Meterklasse und 1 15-Meterklasse. Wir müssen sofort abhauen. Zieht euch eure 3DManövergeräte an! Los! Sie sind schon ganz in der Nähe."

Ich erstarre einen Augenblick, laufe dann Eren hinterher der zu seinem Pferd eilt um die Ausrüstung zu nehmen.

Jetzt bloß keine Panik, denke ich mir immer wieder. Ich kralle mich an den Gedanken fest dass ich dieses Mal nicht allein bin. Wir schaffen das schon.

So schnell wie noch nie zuvor schlüpfe ich in die Ausrüstung und möchte gerade auf mein Pferd springen, da spüre ich es.

Das Beben... es hat aufgehört. Ich spüre langsam wie sich jeder einzelne Muskel in meinem Körper verkrampft. Ich kriege keinen einzigen Mucks raus, schaffe es nicht meinen Freunden zu sagen was das zu bedeuten hat.

Die Titanen... Sie haben uns entdeckt. Und wie erwartet wird das Beben viel schneller, lauter, aggressiver. Sie werden uns bald erreicht haben.

"Los! Springt auf die Pferde! Macht schon!", brüllt Levi der mich aus meiner Schockstarre reißt. Sofort springe ich auf das weiße Pferd, stecke meine Füße in die Riemen und trete es mit aller Kraft in die Seiten. Augenblicklich wiehert das Pferd, springt kurz auf und reitet mit voller Geschwindigkeit los. Links und rechts erkenne ich Levi und Eren die ebenfalls mit voller Geschwindigkeit reiten. Das Beben verfolgt uns.

Nur kurz werfe ich einen Blick nach hinten und erhasche sogleich das Gesicht eines braunhaarigen Titanen, 5-Meterklasse, der uns mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit verfolgt. Ich schreie kurz auf als ich in diese starren, glasigen Augen blicke und versuche noch schneller zu reiten, aber das Pferd scheint schon am Maximum zu sein.

"Schau nicht nach hinten. Reite einfach!", sagt Levi überraschend ruhig. Ich schlucke kurz, richte meinen Blick dann nach vorne.

Es scheint zu funktionieren. Der Titan wird langsamer. Fast schon hätte ich unseren Sieg bejubelt, doch da springen schon 2 weitere Titanen in unseren Weg. Mein Pferd erschreckt sich dermaßen dass es hochspringt und panisch wiehert. Ich habe nicht aufgepasst, so falle ich vom Perd, mitten ins weiche Gras, mit solche einer Wucht dass ich mich schmerzerfüllt hin und her wälze. Blitzartig verteilt sich das Gefühl bis zu meinen Zehen und Fingerspitzen. Ein lautes Piepen ertönt in meinen Ohren und alles scheint für einen Moment verschwommen.

"(V/N)! (V/N)!", höre ich jemanden rufen. Ich kann noch sehen wie Erens Pferd von einem Titanen niedergerissen wird und er auch zu Boden kracht. Doch er bewegt sich nicht mehr. Hoffentlich ist er nur bewusstlos.

Levi eilt zu mir, versucht mich aufzuheben, doch ich schüttele seinen Arm weg.

"Levi. Es hat keinen Wert. Ich kann nicht aufstehen. Geh zu Eren. Du musst ihn beschützen. Er ist unsere einzige Hoffnung.", sage ich ganz ruhig.

"Auf keinen Fall.", sagt er streng.

"Ist schon in Ordnung, mein Herz.", flüstere ich und streiche ihm sanft über seine Wange. Die Zeit scheint kurz wie eingefroren. Jeder Atemzug dauert Minuten, als würde alles stehenbleiben. Anders als vor vor 3 Jahren bin ich ganz ruhig, gefasst. Ich bin nicht traurig, nicht aufgebracht. Ich liege einfach nur verletzt am Boden.

Levi legt seine Hand auf meine.

"Tu deinen Job als Hauptgefreiter. Ich vertraue dir. Beschütze Eren, ja?"

Er nickt.

"Danke.", hauche ich.

Genau in diesem Moment schlägt ein Titan mit der Faust genau neben Levi und mir, was mich erschrocken aufschreien lässt. Levi stürtzt sogleich ins Gefecht und versucht die Titanen aufzuhalten.

Doch ich sehe es. Es sind viel zu viele. Aus den anfänglich 5 Titanen sind es nun 15 geworden. Wir sind umzingelt. Und Eren liegt schutzlos auf dem Boden. Mit all meinen letzten, verfügbaren Kräften stoße ich mich vom Boden ab. Ich schaffe es nicht aufzustehen, also ziehe ich mich nur langsam durch das grüne, frische Gras. Mein Körper schleift nur schwerfällig bis zu Eren hin, der zum Glück nicht all zu weit weg ist. Völlig außer Puste komme ich zu ihm an, lege meine Hände auf seine Schultern und schüttele ihn mit all meiner Kraft.

"Eren! Eren! Wach auf!", bettele ich. Meine Stimme gleicht nur einem erschöpften Quieken. Meine Kräfte haben mich fast vollständig verlassen. Ich kralle meine Fingernägel in die Rinde des Baumes neben mir, spüre wie sich Holzsplitter in diese bohren und diese bluten, ziehe meinen gelähmten Körper an ihm hoch sodass ich kurz stehen kann.

Und dann erblicke ich das Massaker.

Einige dampfende Titanenkörper, Levi, der mit all seinen Kräften versucht diese auszuschalten, die gestürtzten Pferde und Eren, der bewusstlos zusammengebrochen ist.

Wir werden es nicht schaffen. Es sind zu viele. Wie damals. Ich habe gehofft sowas nie wieder sehen zu müssen. All diese Leichen, das Blut, die zerrissenen Umhänge, den Tod. Ich habe gehofft es würde nur eine schmerzliche Erinnerung bleiben. Ich habe gehofft dass niemand mehr verletzt werden würde.

Alles würde doch gut werden hat Armin gesagt. Alles würde wieder bunt und schön und die Sonne würde wie jeden Morgen auf die frischen Wälder und Tiere strahlen.

Wieso ist dem denn nicht so?

Es ist alles nur die Schuld der Titanen. Alles! Sie sind diejenigen die mir alles genommen haben: die Freiheit, die Freunde, das Glück, die Liebe.

Ich hasse sie! Hasse sie so sehr dass ich sie vernichten könnte.

Und meinen Hass sollen sie spüren.

Ich schreie, so laut und hell ich nur kann, ich sammele meine gesamte Wut, Trauer, Hass, Gram, und schreie.

Plötzlich wird meine Sicht trüb, doch ein ohrenbetäubendes Geräusch zerreißt die Luft und ich erkenne wie die Titanen die uns umzingelt haben in einzelne, wunderschöne Glaskristalle zersprungen sind.

Dann wird meine Sicht dunkel.

Coming Home // Levi x Reader x ErenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt