Triggerwarnung: Häusliche Gewalt.
Die Vorbereitungen für das Meifest liefen in vollem Gange und hielten ganz Leben auf Trab. Ob es nun um die Geschenke ging, oder darum, die Gassen zu fegen, Girlanden überall aufzuhängen oder Messen zu planen, jeder hatte etwas zu tun. Selbst Tim, der ja eigentlich nicht dazugehörte, arbeitete mit, mit vollen Händen, immer gab es auch für ihn etwas zu tun. Er half Dominik dabei, das Haus auf Vordermann zu bringen, oder er verbrachte die Tage damit, Fräulein Schmidt dabei zu helfen, Hexereien zu planen, oder den ersten christlichen Gottesdienst, den sie austragen wollte. Sie rechnete mit kaum Ansturm, aber wie sie Tim erklärt hatte, wollte sie wenigstens einmal etwas für ihr Seelenheil tun, so mit unehelichem Kind, und allem.
Auch heute waren sie wieder am planen, aber Tim war mit den Gedanken komplett woanders, der Schock des Morgens saß noch immer stark in seinen Knochen. Wobei, war es ein Schock? Es war viel mehr die endgültige Einsicht, die heute über ihn gekommen war, dass diese Zeit sich stark von seiner abgrenzte; die letzten Woche hatte er das verdrängt, und heute war es wieder komplett auf ihn eingefallen. Die Menschen dieser Zeit, sie unterschieden sich so viel von denen, die er kannte, denn- Dominik, der gute, brave Dominik, hatte eines ihrer Kinder geschlagen. Tim wusste nicht genau, was Selfie angestellt hatte, aber es war irgendwas gewesen, dass Dominik so wütend gemacht hatte, dass der Anwalt ausgeholt hatte, und Selfie geschlagen; Tim war nicht im Raum gewesen, doch als er dann das Schreien und den Handabdruck auf der Wange des Kindes gesehen hatte, und den erschrockenen Blick des Anwaltes, war es klar gewesen. Er hatte Dominik angeschrien, und dieser hatte zurück geschrien, und dann war Tim wutentbrannt aus dem Haus gestürmt, schwer atmend, fertig mit den Nerven. Bei ihm daheim, da hätte niemand Hand angelegt, an sein Kind, dass er doch hätte beschützen müssen. Es war kein allzu fester Schlag gewesen, dessen war es sich sicher, und Dominik selbst hatte so angsterfüllt ausgesehen, doch das änderte nichts, rein gar nichts, an der Situation. Noch immer stellten sich alle Haare bei ihm auf, wenn er nur daran dachte.
„ Herr Bergmann", schalt ihn Fräulein Schmidt im nächsten Moment, nahm ihm die Schleife, die er binden sollte, ab, „Passen Sie doch ein wenig auf das auf, was sie machen! So ruinieren sie mir den guten Stoff, und da wollte Frau Laubfux auch ihr gutes Geld dafür", redete sie weiter, sah ihn böse an, doch sie lächelte dabei, „Überhaupt, wo Sie nur wider mit ihren Gedanken sind, sehen Sie sich doch diese Girlanden an", redete sie weiter, schüttelte den Kopf leicht.
„ Ich.. Entschuldigen Sie bitte", sagte er leise, fuhr sich durch die Haare, „Ich bin heute nicht ganz bei der Sache, familiäre Probleme, Sie verstehen?", fragte er, und sie sah ihn kurz traurig an, wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu, reichte ihm unter Vorbehalten eine neue Girlande, an der er mitarbeiten durfte, erzählte zögernd von ihrem Alltag und von den Liedern, die sie einstudiert hatte, für das Meifest.
„ Spielen Sie ein Instrument, Herr Bergmann, oder Singen Sie lieber?", fragte das Fräulein ihn, und er zögerte. Natürlich konnte er ein Instrument spielen, doch er war sich unsicher, ob das hier überhaupt schon erfunden war; er hatte Dominiks Geige gesehen, und er wusste, dass manch einer eine Harfe hatte, oder einen Bass, doch war er sich nicht sicher, ob es das Cello so schon gab- Er beschloss, es einfach zu versuchen, und ansonsten einfach aufs Singen umzusatteln.„ Ich spiele das Cello", sagte er ruhig, und die Hexe sah ihn aus großen Augen an, strahlte dann los, klatschte freudig die Hände zusammen.
„ Das Cello? Oh, das ist ja wunderbar! Aber... Sie werden es nicht mit sich haben, nicht? Oh, aber das ist wundervoll! Sie müssen unbedingt mit... Vielleicht mit Herr Zone? Zusammenspielen", rief sie aus, strahlte ihn dann an, und Tim lächelte unsicher, als sie aufsprang, durch das Haus lief.
„ James! Oh, James, kannst du es glauben?"
„ Es ist doch nichts Besonderes", sagte er schwach, stand ebenfalls auf, „Wirklich, Fräulein Schmidt, machen Sie doch nicht so einen Wirbel darum."
„ Nein, es ist so toll, weil- kennen Sie denn nicht die Sage? Dass Fabianius am ersten Meifest nicht nur tanzte, sondern auch das Cello spielte? Wenn man zu Cello-musik tanzt, so soll man seine wahre Liebe finden", erzählte sie aufgeregt, lächelte ihn warm an, „Das ist natürlich ungünstig, wenn man mit der falschen Person tanzen sollte, aber das passiert ja normalerweiße nicht. Und seit letztem Jahr haben wir keinen Cellospieler mehr", schloss sie, und Tim nickte, etwas überrumpelt von diesem plötzlichen Wortschwall.„ Lass Herr Bergmann doch erstmal zu Wort kommen", mischte sich nun die Stimme von Herr Lawrence in das Gespräch, sah die Dame streng an, welche die Hände faltete und einen Schritt zurück trat, „Herr Bergmann, Sie entschuldigen diesen Überfall des Fräuleins doch sicher?"
„ Natürlich. Ich empfand es nicht als störend", gab er zurück, „Im Gegenteil, es war sogar sehr aufschlussreich. Ich hätte das nicht gewusst, und hätte ich ein Cello, dann würde ich natürlich gerne eines beitragen, aber in so kurzer Zeit werde ich keines mehr finden, nicht?", fuhr er fort, mit leichtem Bedauern in der Stimme.
„ Wohl kaum, es sei denn Sie suchen Herr Saphirian auf, ob dieser nicht weiß, wo man eines herbekommen würde."
„ Vielleicht hat auch Herr Inside eines", meldete sich nun Fräulein Schmidt wieder zu Wort, und Tim lächelte sie an, wie sie hinter Herr Lawrence stehen musste, und eigentlich schweigen. Bisher war es ihm noch kaum aufgefallen, dass die Frauen dieser Stadt zwar recht unabhängig waren, aber vor allem im häuslichen Leben kaum etwas zu sagen hatten, sobald sie schwanger wurden. Er fand es störend, weshalb er sich schon recht bald verabschiedete, unter der Ausrede, wieder nach Hause zu müssen; doch nichts im Leben würde ihn dazu bringen, so schnell wieder in diesem Haus zu stehen, nicht, wenn Herr Paluten heute auf die Kinder aufpasste. Nein, stattdessen beschloss er tatsächlich, diesen Herr Saphirian einmal aufzusuchen, um mit ihm über ein mögliches Cello zu reden; bis jetzt hatte er nicht daran gedacht, doch gerade konnte er an nichts anderes denken. Und er hatte auch einige Münzen dabei.Das Haus dieses Herren war nicht schwer zu finden; während die meisten hier schlicht gebaut hatten, war Saphirian scheinbar komplett in den Adligen-modus verfallen, sein Anwesen thronte über der Stadt, riesig und bedrohlich, und Tim fröstelte, während er die Stufen nach oben stieg, klopfte.
„ Ja?", fragte eine Stimme barsch, dann wurde die Türe aufgerissen, und ein ernstes Gesicht sah ihn an, mit Furchen durchzogen, und mit tiefen Augenringen, obwohl der Mann kaum älter aussah als Tim selbst.
„ Äh- Bergmann, Tim Bergmann. Sehr erfreut, ich-"
„Ich kaufe nichts.", sagte der Mann ruhig, aber bestimmt, war im inbegriff, die Türe wieder zuzuschlagen, doch Tim stellte hastig seinen Fuß dazwischen.„ Ich möchte nichts verkaufen", sagte er, „Eher das Gegenteil.", fuhr er fort, und nun hatte er die Aufmerksamkeit des Herren mit den dunklen Haaren, „Fräulein Schmidt schickte mich, sie hätten wohlmöglich ein Cello, welches ich kaufen könnte?"
„ Sie sind doch dieser Redakteur", schnaubte Saphirian, sah ihn eine Sekunde an, bevor er nickte, „Dann kommen Sie mal rein"
„ Herzlichen Dank."
„ Und Sie wollen also ein Cello?", fragte Saphirian schließlich, nachdem er Tim einen Platz in dem dunklen Wohnzimmer angeboten hatte; kaum natürliches Licht kam in diesen Raum, er war fast nur von Kerzen erhellt, „Zufälligerweise habe ich eines, aber das ist nicht billig; es geht um das Meifest, nicht?"Tim nickte nur, dachte an die Münzen in seiner Tasche, denn er wollte nicht zu viel ausgeben, er brauchte das Geld auch.
„ Dann versteh ich, dass Fräulein Schmidt sie geschickt hat, und dann gebe ich ihnen das Cello auch. Zwei Silbermünzen und vier Kupferne hätte ich gerne"
Heyho.
Wir sind voll in der Kindersache drinne, ne? Sorry für diesen kleinen Auflug... in eher unschöne Gebiete und schwierige Themen. Das war halt... Mittelalter.
Meinungen sind mir sehr wichtig, vor allem hier.
- Johanna.
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Timetraveller.
FanfictionAnd when you wake up, everything is gonna be fine I'll guarantee you'll wake up in a better place and in a better time. Leben. HerrBergmannxTheKedoszone