Kapitel 18 Raevyn

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I don't want them to know the secrets
I don't want them to know the way I loved you
I don't think they'd understand it, no
I don't think they would accept me, no

~ Hurts Like Hell by Fleurie

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Raevyn Sermanni

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Als wir den großen Saal betraten, fiel mir fast die Kinnlade herunter und ich musste mich bemühen mein Staunen zu unterdrücken. In der Mitte des Raumes stand ein großer runder Tisch, der sehr edel gedeckt worden war. Viktorianische Stühle, die alles andere als bequem aussahen, standen drum herum und ein riesiger Kronleuchter hing über der Tischmitte.

An dem Tisch selber saßen schon einige Personen. Manche von ihnen hatte ich schon einmal gesehen und andere waren mir noch unbekannt, was ich eigentlich auch nicht so schlimm gefunden hatte. Ich konnte schließlich gut auf Bekanntschaften mit weiteren Mafiosi verzichten. Das Gemurmel hatte abrupt aufgehört, als wir eingetreten waren und alle starrten uns an.

"Mein Sohn, Lucius. Schön, dass ihr endlich kommt", sagte ein Mann mit schwarzen Haaren und Anzug. Als er uns anlächelte erschienen Lachfältchen um seine Augen. Lucius' Vater stand auf und kam auf uns zu. Ich schätzte ihn auf Anfang 50, als er mir seine Hand hinstreckte. "Schön dich kennen zu lernen Raevyn Sermanni. Ich bin Federico Enzo Cantarini."

Ich konnte nicht so richtig glauben, dass er der Superbösewicht sein soll. Der Kopf der Mafia. Angst und Schrecken der Polizei.

„Ähm. Ja die ähm Freude ist ganz ähm meinerseits", stotterte ich und drehte mich um, um Lucius hilfesuchend anzugucken, aber der war schon verschwunden und hatte sich an den Tisch gesetzt. Er unterhielt sich angeregt mit einer Blondine, die ihre Hand auf seinen Oberschenkel gelegt hatte.

Oh nein! Bitte nicht, bitte nicht! Als ich Federico Cantarini um denTisch folgte, konnte ich ihr in das Gesicht sehen und wollte wieder im Boden versinken. Die blonde Frau war die, die ich vorhin mit Lucius im Bett erwischt hatte. Na toll! Boden tu dich auf. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der Lucius gegenüber stand und lächelte die Frau etwas verkniffen an.

"Sieh an. Die kleine Stalkerin." Die blonde Frau sah mich böse an und ich wand mein Blick schnell ab. Schön. Die einzige weibliche Person in diesem Raum, konnte mich nicht ausstehen.

Lucius löffelte grinsend seine Suppe und redete ab und zu etwas auf italienisch mit den anderen Männern, die am Tisch saßen. Dabei wurde sein Gesichtsausdruck immer finsterer und mir wurde es immer unbehaglicher zumute.

Ich sah mir die anderen Menschen an, die mit uns an dem Tisch saßen. Auch die Zwei, die mit in dem Auto gesessen hatten waren anwesend. Cain, der ungefähr so alt war wie ich, saß neben mir und versuchte mit mir ein Gespräch anzufangen. Allerdings war ich nach einer Zeit nicht mehr in Gesprächslaune und antwortete nur noch knapp mit Ja, Nein und Mmh.

Cain guckte dann immer etwas traurig und fast tat er mir schon leid. Bis ich die kleine Pistole an seinem Gürtel bemerkt hatte. Dann wurde mir schlagartig klar, wo ich hier eigentlich nochmal war.

Ich räusperte mich. "Mister Cantarini", begann ich, "Also was wollen sie von mir? Um ehrlich zu sein, finde ich es sehr unangenehm mit einem Haufen bewaffneter Leute an einem Tisch zu sitzen. Abgesehen davon, dass man mich in diesem komisch türkisen Kleid, gar nicht ernst nehmen kann! Sie schulden mir eine Erklärung!"

Lucius' Vater legte sein Besteck hin und tupfte sich mit einer Serviette den Mund ab, bevor er mit einem starken italienischen Akzent zu sprechen begann. "Raevyn, vielleicht sollte ich noch eins klar stellen: Ich schulde dir niemals etwas. Und nenn mich doch bitte Federico." Seine grünen Augen bohrten sich in meine als er fortfuhr. "Ich habe eine ganz einfache Forderung. Da du doch anscheinen so gut mit der Polizei klar kommst, sollte es für dich ein leichtes sein, mir eine Liste zu beschaffen, auf der die Beamten vermerkt sind, die gegen uns ermitteln." Er lehnte sich zurück, griff zu seinem Glas Rotwein und nahm einen Schluck. Ich blickte ihn eine Zeit lang einfach nur starr an.

"Und wieso sollte ich das tun", fragte ich und löste meinen Blick.

Anstatt mir zu antworten holte Federico Cantarini einen Revolver unter demTisch hervor und knallte ihn auf den Tisch. Der Lauf zeigte direkt in meine Richtung.

"Päng", machte Lucius von der anderen Tischseite aus. Ich musste wohl ziemlich schockiert ausgesehen haben, weil Cain neben mir die Hand auf meinen Arm legte.

"Keine Angst. Du wirst nicht umgebracht", flüsterte er. Lucius hatte es anscheinend trotzdem gehört und musste natürlich wieder einmal seinen Senf dazu geben.

"Nein. Erst zum Schluss, nachdem deine Familie und Freunde tot sind. Alle denen du auch nur begegnet bist. Würdest du dir nicht Schuldgefühle machen, wenn der Bäcker an deiner Schule tot aufgefunden wird? Unschuldig. Und du bist daran Schuld." Lucius sagte das so beiläufig, als hätte er gerade erklärt, wie die Aktien stehen.

Federico lachte und stand auf. "Ich hoffe doch stark auf unsere Zusammenarbeit, Raevyn." Mit diesen Worten verließ er den Saal und ein paar andere Mafiosi folgten ihm.

Jetzt saßen nur noch Lucius, Samantha, so hieß die Blonde, wie es sich herausstellte, ein junger Mann, der Lucius verdächtig ähnlich sah und ich an dem Tisch.

Ich sah noch eine Weile auf meinen Teller und stocherte mit der Gabel in den Kartoffeln, bis ich mich abrupt erhob. Der Stuhl kippte dabei um, aber mir war das egal. Lucius war ebenfalls aufgesprungen, wahrscheinlich um mich an einer Flucht zu hindern. Dabei war doch jetzt alles gesagt, oder etwa nicht?

"Ich kann doch jetzt gehen, oder?", fragte ich giftig und lief zur Tür. "Ich weiß ja jetzt, was ich tun soll." Ich stieß die große Flügeltür auf und hätte beinahe den Mann, den Lucius vorhin Stevens genannt hatte, umgerannt. Ich durchquerte die Halle, aber noch bevor ich darüber nachdenken konnte, wie ich überhaupt von hier wieder zurück nach Hause kommen sollte, wurde ich leicht am Ellenbogen festgehalten. Ich riss mich los, weil ich wusste, dass es Lucius war.

Aber als ich eine andere Stimme hörte, blieb ich stehen und drehte mich zu der Person um. Vor mir stand der Typ, der Lucius so unglaublich ähnlich sah. Er hatte auch so ein kantiges Gesicht und gebräunte Haut wie Lucius. Er trug sein schwarzes Haar nur viel kürzer und er war nicht so breitschultrig.

Ich zog die Augenbrauen hoch und sah ihn fragend an.

"Hey. Du kannst doch jetzt nicht bei diesem Unwetter gehen." Ich sah zu dem großen Fenster. Der Regen peitschte gegen die Scheibe und ein Blitz erleuchtete für einen kurzen Moment die gesamte Halle. An sich hatte er schon recht, aber die Möglichkeit, draußen im Regen zustehen, zog ich der Möglichkeit, in einem Haus voller Killer zubleiben, definitiv vor. Und doch konnte mich Mattia irgendwie dazu überreden, dass ich diese Nacht in diesem Haus übernachtete.


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Hey. Ich hoffe, ihr lest immer noch schön weiter. Ich freue mich über jeden einzelnen Leser von euch, der es schon bis zu diesem 18. Kapitel geschafft hat. :) Ich hoffe, ihr bleibt auch weiterhin dabei.

Liebst Troian

Nur Über Meine Leiche, MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt