Schlank, hochgewachsen, einen Ticken zu aufreizend gekleidet. So hatte ich sie in Erinnerung. Als müsse sie sich ständig selbst beweisen. Aber diesmal war er ohne sie gekommen, ohne seine Frau, wahrscheinlich mit Absicht. Wahrscheinlich war er nicht sicher, ob er das Haus wollte. Vielleicht war er nicht einmal sicher, ob er überhaupt dieses Leben mit dieser Frau führen wollte.
Es war ein sonniger Tag gewesen, der Himmel blau und durchsichtig wie das Meer, der Frühling war eingekehrt und es war mein letzter Termin an diesem Tag, der letzte Termin in dieser Woche.
Ich war eine Stunde früher in das Haus gefahren, um mir noch einmal alles anzusehen, wenn nötig ein paar Kleinigkeiten zu bereinigen. Vielleicht wollte ich auch nur auf der Terrasse sitzen und lesen und die Sonne genießen.Ich weiß nicht, ob uns etwas verband oder ob ich mir das nur einredete. Mein Mann und ich waren seit drei Jahren verheiratet und seit sechs Jahren zusammen. Wir hatten Kinder gewollt, jedenfalls hatten wir das immer geglaubt, aber über die Jahre hatte es nicht geklappt, und jetzt wussten wir nicht mehr weiter. Wenn wir uns ansahen, wussten wir nicht mehr, ob wir diese Beziehung noch wollten. Vielleicht sollten wir eine Kinderklinik aufsuchen oder uns dazu entscheiden, ohne Kinder zu leben. Vielleicht sollten wir uns auch trennen. Unser ganzer Entwurf stand auf der Kippe.
Kurz nach sechs fuhr er mit einem Kleinwagen vor, einem Mini oder Fiat, so genau wusste ich das nicht. Erst Als ich die Haustür öffnete, um ihn einzulassen, erinnerte ich mich wieder genauer an ihn.
Wir begrüßten uns an der Tür. Wir betrieben Smalltalk, redeten über Gott und die Welt und das Wetter und er bedankte sich, dass ich mir noch einmal Zeit genommen hatte, obwohl er wusste, dass das mein Job war. Er sagte, es würde nicht lange dauern, er würde sich nur einen Eindruck von dem Haus verschaffen wollen, um sein Gedächtnis aufzufrischen.
Während er das Wohn- und Esszimmer durchstreifte, die Küche, die Diele und dann das obere Stockwerk, blieb ich im Erdgeschoss und wartete. Für eine Weile war es ganz still im Haus, so als sei er verschwunden, und als er zurück kam war er in Gedanken und ich traute mich kaum ihn anzusprechen. Er wirkte so abwesend, er sah durchs Fenster auf den Garten und dann durch mein Gesicht wie durch Glas hindurch, ehe er mich wahrnahm und dann zu einem Lächeln durchrang.
Es gefalle ihm sehr gut, es sei wirklich schön, sagte er, auf meine vorsichtige Nachfrage hin, die Anlage des Hauses, die geraden Linien, der Garten. Ich nickte während ich seinem Blick nach draußen auf den Magnolienbaum folgte, der in voller Blüte stand.Nach einer Weile kramte er einen Zettel aus seiner Hostentasche. Es wirkte ein bisschen so, als habe er den Auftrag von seiner Frau oder einem Bekannten bekommen. Es fragte nach der Heizung, irgendein technisches Detail, das ihm jemand, der es gut mit ihm meinte, aufgeschrieben hatte. Er las das Geschriebene von seinem Zettel ab, das er kaum entziffern konnte, und ich kramte in meinen Unterlagen. Da ich nichts fand, schlug ich vor, im Heizungskeller nachzusehen. Womöglich liege dort eine Betriebsanleitung, sagte ich, oder auf der Gastherme sei ein Aufkleber angebracht.
Also gingen wir.
Wir gingen durch die schwere Tür, die auf die Treppe in den muffigen Keller führte. Wir durchquerten einen spärlich beleuchteten Flur und einen kahlen dunklen Raum, in dem unsere Schritte nachhallten. Nach einer Weile standen wir vor einer blechernen Tür, neben der eine rote Leuchtdiode blinkte und ein Feuerlöscher stand. Ich öffnete sie und knipste den Lichtschalter an.
Es war ein seltsames Gefühl. Es war mir, als verschwinde er oder ich oder wir beide. Erst flackerte das Licht, dann Dann folgte ein dumpfes Puffen und einen Moment später hörten wir einen leisen Knall, der wie aus der Ferne zu uns drang.
Dann war es dunkel und still. Vom einen auf den anderen Augenblick hatten sich die gräulichen Schemen in ein schwarzes Nichts verwandelt. Für einen Moment verharrten wir. Vielleicht, weil wir glaubten, dass die Notbeleuchtung ansprang, vielleicht auch, weil wir nicht sicher waren, ob wir überhaupt noch existierten.
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Magnolien
Short StoryIch weiß nicht was ich antwortete. Ich weiß nur, dass ich das alles mit mir geschehen ließ. Vielleicht hatte der Frühling meinen Hormonhaushalt durcheinander gebracht. Ich stotterte, dass mein Knie okay sei und er nutzte die Gelegenheit, zog meinen...