Kapitel I - Nemesis

29 4 0
                                    

Ziel: Alexander Hamilton
Belohnung: 10.000.000 US-$
Das verlockende Angebot war vor zwei Tagen eingetroffen und wie immer hatte der Kunde bereits im Voraus bezahlt.
Das Ziel, ein junger Wirtschaftsmagnat, genoss seine letzten Sekunden in den Armen einer bleichen, viel zu dunkel geschminkten Frau. Die 'Tänzerin', wie sie und alle anderen in ihrem Etablissement sich nannten, würde gleich ihrem wohlhabenden Kunden beim Sterben zusehen, nur, dass sie selbst noch nichts von ihrem Glück wusste.
Honey, wie die junge Frau, beinah noch ein Mädchen, sich hier nannte, strich in diesem Moment über den unechten Zahn eines wilden Tieres, der ihrem Kunden an einem schmalen Lederband um den Hals hing. Bei dem Schmuckstück handelte es sich allerdings bloß um ein schnödes Imitat, das aus einem recht unbekannten, billigen Metall bestand, welches sich problemlos in sämtliche Formen schleifen lies und durch seine gelbliche Färbung den Anschein erweckte, es könnte sich um Zähne oder vielleicht sogar Knochen handeln. Der Umstand, dass es sich um ein Metall handelte, machte es zur perfekten Mordwaffe, zumindest in den Händen der Richtigen.

Ein Stockwerk höher machte sich Nemisis bereit, den Mord an Alexander Hamilton durchzuführen. Ihr Kunde hatte keine Skrupel, der Mord sollte schnell und effektiv gemacht sein. Also hatte sie Hamilton verfolgt, seine Gewohnheiten beobachtet und überlegt, wie und wo er sterben würde. Jetzt bot sich die perfekte Gelegenheit. Über dem Nachtclub, in dem sich Hamilton gerade aufhielt, befand sich ein kleines, heimeliges Restaurant, das exzellentes Curry servierte, besonders um die kalte Jahreszeit herum war das ein besonders erfreulicher Umstand.
Nemisis saß also in einer Ecke des Inders und genoss langsam ihren persönlichen Favoriten aus der Karte des Hauses. Doch sie war bei weitem nicht so entspannt und ruhig, wie sie erschien, denn einen Mord, der ein Stockwerk tiefer stattfand, zu begehen, war doch eine große Anstrengung. Schwer konzentriert fixiere sie ihr Talent auf den metallenen Anhänger an Hamiltons Kette, der immer noch in Honeys Hand lag. Die zukünftige Mordwaffe begann zu zittern, Hamilton hatte es noch nicht bemerkt, doch als Honey den unechten Zahn losließ und er gegen Hamiltons Brust schlug, packte dieser sie am Handgelenk und riss sie nah an sich heran. Während er ihr drohte, sie umbringen zu lassen, wenn sie das noch einmal tun sollte, bemerkte er nicht, dass der Anhänger seiner Kette sich nun scheinbar selbstständig gemacht hatte und, entgegen der Gesetze der Physik, immer noch gegen seine Brust schlug. Als er jedoch Honeys Arm losließ, packte er das Schmuckstück, das um seinen Hals hing und wollte es so wohl zum Stillstand bringen, doch es pendelte weiter und weiter, mit einer solchen Kraft, dass es für Hamilton unmöglich war, es zu stoppen. Ein paar Schläge mehr noch, dann würde der Anhänger genug Kraft haben, denn wendete man nur genug Druck auf, war alles ein Dolch.
Nemesis gab dem Schmuckstück noch einen letzten Schubs, dann lies sie es los und spürte noch, wie es in Hamiltons Brustfleisch eindrang. Wie immer hatte sie getroffen, ganz genau an den Punkt, an dem jeder Treffer, ob von einer Kugel, einem Messer oder sonst irgendetwas, absolut und sofort tödlich war. Alexander Hamilton war tot, ihr Auftrag erfüllt.
Sie lehnte sich zurück und nahm noch einen Löffel von ihrem Curry.

Wenige Minuten später war der Teller leer und Nemisis legte einige Scheine an ihren Platz, um dann aufzustehen und das Restaurant zu verlassen. Sie schlenderte die Straße herunter, beobachtete die Polizeiwagen, die die Straße herunterrasten und einige Meter hinter ihr stoppten, wohl vor dem Eingang eines gewissen Nachtclubs. Fröhlich pfeifend ging sie weiter, die Hände in den Taschen ihres Mantels. Ein Straßenhändler versuchte ihr eine Kette oder ein paar Ohrringe anzudrehen, die scheußliche Weihnachtsbäume zierten und bei denen Zweifel aufkam, ob so etwas noch als Schmuck galt. Zwei Straßen weiter kostete es sie große Überwindung, nicht noch den einen Coffee-Shop aufzusuchen, der seit neustem blauen Kaffee anbot, einer solchen Absurdheit konnte sie nur schwer Widerstehen.
An einer lauten und befahrenen Kreuzung, nun mitten in der Stadt, umgeben von Wolkenkratzern, öffnete Nemesis die Haustür zu einem hässlichen, grauen Mehrfamilienhaus, dass genug Wohnungen hatte, als dass der komplette Vatikan dort drin Platz gefunden hätte. Im fünfzehnten  Stockwerk angekommen, schloss sie die Tür zu einem kleinen Appartement auf. Die Wohnung hatte zwei Zimmer, dazu Küche und Bad, allerdings wenige Fenster, doch alles in allem war sie ruhig, gut gelegen und sauber, ein Glück gegenüber manch anderer Wohnung, die die Stadt sonst zu bieten hatte. Nemesis zog ihren Mantel aus, hängte ihn zu den anderen und ging, jetzt barfuß, ins Wohnzimmer. 
Auf dem Sofa hatte sie es sich bequem gemacht, als sie ihre Bluse langsam aufknöpfte. Sie strich den Stoff von ihrer Schulter runter, zog ihren Arm aus dem Ärmel und betrachtete ihn nun. Ein kurzes Flimmern zuckte den Arm herunter, doch als es vorbei war, sah er nicht mehr so aus wie vorher. Statt der üblichen, undefinierbaren Farbe, die Haut nun einmal hatte, glänzte er metallisch, grau.
Das war nichts Neues, denn ein Arm, der aus purem Eisen bestand, glänzte nunmal metallisch. Seufzend packte Nemisis die Prothese und nahm sie leicht, wie als sei diese nur angeklebt, vom Stumpf ihrer Schulter.
Jetzt saß sie dort, wie sie eigentlich war, als ein Krüppel, der den Arm verloren hatte. Narben überzogen den Stumpf, der einmal ein echter, menschlicher Arm gewesen war. Nemesis seufzte. Sie sollte zu der Spezies gehören, die in einigen Jahrzehnten, vielleicht auch Jahrhunderten, den Homo Sapiens verdrängen sollten? Offenbar hieß ein Mutant zu sein, nicht wirklich, übermenschlich zu sein. Natürlich gab es weitaus stärkere Mutanten. Spätestens seit den Vorfällen mit dem Schlumpf und dem Typen mit dem lächerlichen Blechhelm wusste das jeder. Nemesis hatte den Vorträgen von Charles Xavier einige Male gelauscht, aber obwohl er die Weiterentwicklung durch Mutation anpries, fühlte sie sich nicht wie ein Teil einer neuen Spezies.
Ihr 'Talent', wie sie es zu nennen pflegte, bestand darin, sämtliche Metalle im Umkreis von knapp fünfzig Metern erspüren, beeinflussen und ihrem Willen unterwerfen zu können. Dabei waren Verformungen keine Seltenheit, ihre 'Prothese' bestand nicht etwa aus Gelenken, die war aus purem Eisen, dass sich durch die Kontrolle der Gedanken wie ein normaler Arm verhielt und auch so aussah, auch wenn dem ein kleiner Trick zu Grunde lag. Da aber eben nicht nur ihr Arm ihrem Willen unterlag, sondern auch viele andere Dinge, hatte Nemesis begonnen zu morden.
Wen war ihr egal, solange die Bezahlung stimmte. Jeder trug Metall an sich, um sich herum, nicht selten machte sich um ihre Opfer ein kleines Stückchen selbstständig. Und wenn es das Eisen in ihrem Körper war, Nemesis war es gleichgültig, wie sie umkamen, Auftrag war Auftrag.
Bis auf eine Regel. Keine Kinder.
Warum genau hatte sie nie feststellen können, aber seitdem sie vor vier Jahren angefangen hatte, für Geld zu töten, hatte sie kategorisch Aufträge abgelehnt, bei denen ein Kind sein Leben verloren hätte, ganz gleich, wie hoch die Bezahlung gewesen wäre.
Vielleicht war es, weil sie selbst  noch fast ein Kind war. Grade mal neunzehn Jahre, doch wenn Nemesis in den Spiegel blickte, sah sie meistens eine alte Frau, tiefe Ringe unter den Augen, schon einige Falten im Gesicht.
Doch manches Mal, da sah sie ein Mädchen, mit dunklem Haar, müden, braunen Augen und leicht gebräunter Haut. Manchmal lächelte die Frau im Spiegel dann zurück und für wenige Momente, wurde Nemesis an Magdalena 'Maggy' Kellson erinnert. Jemand, der sie mal gewesen war, früher, in einem anderen Leben.

-----------------------------------
Note to anyone who cares:
Ich lade nicht besonders regelmäßig ein Kapitel hoch, denn lieber noch auf eines warten, als ein scheiss Kapitel zu kriegen, meiner Ansicht nach.
Außerdem, welchem Menschen auch immer mein Stil gefällt, gibt es eine andere Geschichte von mir, allerdings in einem anderen Genre. Sie heißt "Fourtastic". Ist über den Account einer Freundin, weil, geht dich gar nichts an.
Das wars, wer auch immer jetzt noch ließt.
See yah!

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 01, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

A strange Tale about some even stranger Heroes. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt