19. Kapitel

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Die nächsten Tage war nichts passiert. Ich war vormittags in der Schule und Nachmittags hab ich gezeichnet, gelesen oder Fynn hat versucht mir verschiedene Spiele auf der X-Box beizubringen, nur um letztendlich festzustellen, dass ich ein absolut hoffnungsloser Fall war. Jetzt war Freitag und wir hatten gerade Mathe. Morgen würden meine Mum und Adam wiederkommen und ich freute mich schon sehr darauf. Seit ich hierhergezogen war, hatte ich kaum Zeit mit meiner Mum verbringen können, da sie immer arbeiten war. Manchmal kam es mir deswegen fast so vor, als wollte sie mich eigentlich gar nicht hierhaben. Kopfschüttelnd lenkte ich meine Gedanken wieder zurück auf die Mathestunde. "Ich hab mir überlegt mit euch mal etwas neues auszuprobieren. Da ihr ja immer so überaus interessiert zuhört, dachte ich mir, dass ihr das nächste Thema einfach mal selber erarbeitet. Ich habe euch in zweier Gruppen eingeteilt und ihr bekommt zwei Wochen um ein Referat und einen Hefteintrag über Hüllkurven auszuarbeiten. Es werden zwar nicht alle Gruppen vorstellen müssen, aber jede muss seine erarbeiteten Ergebnisse abgeben. Die Paare stehen hier auf dieser Liste. Ihr könnt sie euch in der Pause anschauen. Getauscht wird nicht." Wollte der Typ mich verarschen?! Wer kam denn bitte auf die bescheuerte Idee in Mathe ein Referat halten zu lassen. In anderen Fächern meinetwegen, aber in Mathe versteht doch auch so schon keiner was, wie sollen wir dann einen Vortrag und einen Hefteintrag schaffen?! Und dann auch noch in Partnerarbeit! Gegenüber einem Fremden bekam ich doch kein Wort raus. Und wenn es ein Junge sein sollte, dann könnte ich doch nicht mal allein mit ihm in einen Raum gehen. Dieses Projekt würde eine absolute Katastrophe werden!

Die restliche Stunde zog einfach nur an mir vorbei, ohne das ich etwas mitbekam, denn ich machte mir die ganze Zeit Gedanken darüber, was bei diesem Referat alles schieflaufen könnte. Als es dann endlich zur Pause klingelte, stürzten sich alle auf den Zettel, den der Lehrer vorne hingelegt hatte. Kyle, Fynn und ich blieben sitzen bis sich der ganze Trubel etwas gelegt hatte und ich hätte es zwischen all diesen Menschen so eh nicht lange ausgehalten. Immer wieder hörten wir entweder einen freudigen Aufschrei oder genervtes Stöhnen. Nachdem die restlichen Schüler wieder gegangen waren, schauten auch wir uns die Liste an. Mir fiel ein riesen Stein vom Herzen, als ich den Namen las, der neben meinem stand. Kyle. "So ein Zufall. Die nächsten Wochen werden wir uns wohl öfter sehen. Meinst du du hältst es so lange mit mir aus?", scherzte Kyle und grinste mich an. Ich erwiederte sein Lächeln und nickte, bevor ich mich Fynn zuwandte, der ziemlich entgeistert auf den Zettel vor sich starrte. "Was ist los Bro? Hast du nen Streber abbekommen?" "Nein viel schlimmer. Ich muss mit Zoey zusammenarbeiten." "Wer ist Zoey?" Fragend blickte ich die beiden an. "Sie ist eine von Ashleys Anhängseln. Total billig und anhänglich. Die wird die ganze Zeit nur mit mir flirten oder schlimmeres.", stöhnte Fynn und lies seinen Kopf hängen. "Komm schon. Kopf hoch Alter. Vielleicht wirds ja gar nicht so schlimm.", versuchte Kyle ihn aufzumuntern, doch da ertönte auch schon eine hohe, schrille Stimme von der Tür. "Da bist du ja Fynny. Ich hab dich schon überall gesucht. Freust du dich auch so doll dass wir Partner sind? Das wird bestimmt ganz toll. Am besten wir fangen gleich heute mit dem Projekt an und du kommst nach der Schule mit zu mir. Wenn wir früher fertig werden können wir die restliche Zeit ja noch für andere Dinge nutzen, wenn du verstehst." Sie war Fynn immer näher gekommen, uns hatte sie geflissentlich ignoriert, und schaute ihn bei ihrem letzten Satz mit einem Gesichtsausdruck an, der wahrscheinlich verführerisch sein sollte, in Wahrheit aber an eine sterbende Ratte erinnerte, und legte ihre Hände auf seine Brust. Fynn entfernte sie dort sofort wieder und wollte gerade widersprechen, als sie auch schon mit einem "Super, dann sehen wir uns nach der letzten Stunde an meinem Auto." aus der Tür verschwand. Fynn starrte ihr nur verdattert hinterher, während Kyle sich vor lachen kaum noch halten konnte.

Nachdem wir auch die letzte Stunde hinter uns gebracht hatten, liefen wir nach draußen und sahen schon von weitem Zoey an ihrem Auto stehen. Als sie Fynn entdeckte, wank sie ihm heftig und hüpfte dabei auf und ab. Das ganze sah so lustig aus, dass Kyle und ich einen Lachflash bekamen während Fynn sich anscheinend ganz weit weg zu wünschen schien und immer langsamer wurde. "Hop hop du lahme Schnecke. Du solltest dich beeilen. Wirst ja schon sehnsüchtig erwartet.", prustete Kyle. Fynn zeigte ihm daraufhin nur seinen Mittelfinger, machte sich dann aber doch auf den Weg zu Zoey, die ihn freudig umarmte und auf die Wange küsste. Wir wandten uns ab und liefen immer noch schmunzelnd zu Kyles Auto. Auf der Rückfahrt redeten wir etwas über alles mögliche und im Nu waren wir auch schon bei mir zu hause angekommen. Ich wollte gerade aussteigen und mich bei Kyle bedanken, als dieser mich zurückhielt. "Was hältst du davon, wenn wir beide auch schon jetzt mit dem Referat anfangen? Ich meine, du wärst doch jetzt eh allein hier und auf mich wartet daheim auch keiner." Kurz überlegte ich, schließlich würde es das erste mal sein, dass ich etwas mit Kyle allein machen würde, doch ich hatte ja beschlossen ihm zu vertrauen, weshalb ich seinem Vorschlag zustimmte. Gemeinsam betraten wir das Haus und zogen uns im Flur Jacke und Schuhe aus, bevor wir in mein Zimmer liefen. Kyle sah sich neugierig um, während ich meinen Rucksack einfach neben meinen Schreibtisch warf und mich auf mein Bett fallen ließ. "Sind da deine Bilder drin?", fragte mich Kyle, der anscheinend meine Mappe entdeckt hatte, in der ich alle meine Zeichnungen aufhob. Ich nickte nur. "Darf ich sie sehen?" Wieder musste ich überlegen. Diese Bilder waren alle sehr persönlich und, vorallem die neueren, eher düster und traurig. Allerdings hatte ich ihm auch schon erzählt, dass es mir die letzten Tage nicht gut ging und manche Bilder hatte er auch schon gesehen. Zögernd nickte ich also nochmals und beobachtete Kyle während er den Inhalt der Mappe betrachtete.
Bei manchen  Zeichnungen lächelte er leicht, andere betrachtete er dagegen mit einem Stirnrunzeln. Nachdem er die Mappe wieder weggelegt hatte, machten wir uns schließlich daran, unser Referat vorzubereiten. Wir einigten uns darauf erst den Vortrag und dann den Hefteintrag zu gestalten. Zuerst lasen wir uns Texte aus dem Internet durch, doch ich verstand nichts davon. "Ich glaube du musst das allein machen. Ich versteh rein garnichts von diesem Zeug hier!", fluchte ich schon nach ein paar Minuten. "So kompliziert ist das doch gar nicht. Schau...", wollte Kyle mir etwas erklären, als er durch das Läuten des Telefons unterbrochen wurde. Seufzend stand ich auf und lief nach unten um ranzugehen.

"Ava", meldete ich mich. "Hey Schatz. Gut das ich dich erwische.", ertönte die Stimme meiner Mutter und erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich sie doch eigentlich vermisste und mich darauf freute sie morgen wiederzusehen. "Hey Mum. Was gibt's? Warum rufst du an?" "Der Grund weswegen wir verreisen mussten gestaltet sich schwieriger als gedacht und Adam und ich schaffen es nicht das alles bis morgen zu regeln." Ein ungutes Gefül beschlich mich, doch ich versuchte es zu unterdrücken. "Was bedeutet das Mum?" "Wir werden länger bleiben müssen. Voraussichtlich zwei Wochen." Tränen stiegen in meine Augen. Sie lies mich schon wieder allein. Ich bedeutete ihr also doch nichts. "Aber..." "Tut mir Leid aber ich muss jetzt auflegen. Der Kunde wartet." Und mit diesen Worten legte sie auf.

Ava - My life with fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt