Der Raum war nicht besonders groß, dafür hatte er eine verhältnismäßig hohe Decke und die Akustik war auch ziemlich gut. Auf dem Fenstersims stand eine Beethovenbüste, an einer Wand hing ein grosses Kunstprojekt von einer zehnten Klasse, ein aus Notenblättern und Partituren zusammengeklebtes Herz mit Flügeln. Doch für das hatte Noam jetzt keinen Blick. Sie wollte unbedingt noch einmal ihr Stück durchspielen, bevor ihr Klavierlehrer kam. Sie hatte zwar schon in der letzten Stunde, als sie ja theoretisch in Chemie hätte sein sollen, geübt, aber an einem anderen Klavier. Rasch öffnete sie den Flügel, spielte zwei kurze Läufe um ein erstes Gespür für ihn zu bekommen und schlug dann die ersten Töne an. Während dem spielen dachte sie nach. Manchmal schweifte sie einfach ab in ihren Gedanken und wenn sie wieder zurückkehrte war das Stück zu Ende. Sie dachte an Floh. In letzter Zeit fühlte sie sich ihr nicht mehr so nah. Sie hatte das Gefühl, etwas sei zwischen ihnen. Ein grosses gegenseitiges Unverständnis. Ausserdem hatte sie das Gefühl, dass Floh ihr nicht richtig zuhörte. Traurig probierte Noam die Melodie, die sie eben in Dur gespielt hatte in eine traurige Mollvariante zu verwandeln. Anfangs ging es gut, doch Noam hatte das Gefühl, ihre Finger stolperten. Sie verspielte sich, wusste nicht mehr, wo sie gewesen war. Es klang furchtbar schief. Verzweifelt versuchte Noam, in die Melodie zurück zu finden. Doch vergeblich. Da hörte sie hinter sich die Fistelstimme ihres Klavierlehrers: "Brahms würde sich im Grab umdrehen, könnte er diese Variation über sein Stück hören."
Beschämt schaute Noam zu Boden. Wenn ihr Klavierlehrer kritisierte, war er gnadenlos und übersah nichts, da täuschte auch seine kümmerliche Stimme über nicht hinweg..
"Aber nun ja, du steckst ja noch in den Anfängen.", sagte er am Schluss seiner Kritik versöhnlich und setzte sich hin, "dann lass mal hören, wie das ganze in Dur wirklich zu klingen hat."
Noam setzte sich gerade hin und probierte es. Anfangs klang es noch nicht besonders fröhlich, doch Noam versuchte, in die Harmonien hinein zu lauschen, sie neu zu entdecken, und bald ging sie schon wieder völlig in der Melodie auf.
Viel zu bald war die Stunde auch schon wieder vorbei.Als sie vor dem Zimmer stand, klingelt ihr Handy. Es war Floh. Noam freute sich ehrlich.
"Hey ich wollte fragen, ob du nicht morgen mit uns an die Demo kommen willst, also mit Alex und mir."
"Du weisst von der Demo?", fragte Noam überrascht.
"Na hallo, man ist schliesslich informiert. Wir treffen uns so um zwei vor der neuen Bank. Also, ich muss jetzt aufhören. Tschüssi, bis dann."
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Meine Welt-mein Klavier?
RandomNoam liebt ihr Klavier über alles. Nun steht ein grosses Ziel in ihrem Leben-die Aufnahmeprüfung für das Konservatorium- kurz vor ihr. Doch Noam will noch mehr in ihrem Leben. Sie liebt Bücher und Geschichten. Ist das Klavierstudium wirklich die ric...