10. Das Leben geht weiter

77 13 3
                                    




Mariekes Sicht:

Ich war gerade dabei meine Sachen, die ich noch im Krankenhauszimmer waren einzupacken, als die Tür aufging. Der drahtige Doktor von gestern trat in den Raum und erstarrte bei meinem Anblick für einen Moment. Er war wohl verwundert warum ich schon wieder auf meinen Füßen stand und meine Sachen in einen Rucksack packte. Verständlich. Ich hätte mich auch gewundert, dass es einem Teenager, der sich vor einem Tag umbringen wollte schon wieder gut ging. Ich hatte mich sehr bemüht nicht mehr krank oder unglücklich auszusehen. Ganz früh verschwand Matthias mit der Erklärung noch etwas besorgen zu müssen und weckte mich damit. Seitdem war ich auf den Beinen und hatte alle möglichen Sachen erledigt. Ich hatte das Bett gemacht, mir meine Haare in einen Dutt frisiert und sogar Parfum aufgetragen. Anschließend ging ich in das Badezimmer und trug leicht Concealer, Puder, Wimperntusche und Lippenbalsam auf. Zusätzlich frischte ich mein Gesicht ein wenig mit Rouge auf. Ich war Matthias echt dankbar, dass er mir ein bisschen Schminke von zu Hause mitnahm, wobei ich noch immer nicht ganz wusste, woher er sie hatte. Wahrscheinlich war er bei mir zu Hause eingebrochen, um sie mir zu holen. Ich schmunzelte leicht bei dem Gedanken. So etwas würde er nie tun. Er hätte ja nicht einmal den Mut irgendetwas „Verbotenes" zu wagen.

Der dunkelhaarige Doktor blickte leicht verwirrt, doch erleichtert auf mich und sagte: „Marieke. Wie man sehen kann geht es dir besser! Das freut mich sehr für dich. Doch trügt mich der Schein eh nicht? Geht es dir so gut, wie es aussieht?". Ich nickte strahlend. Heute in der Früh hatte ich mir ein Versprechen gegeben.

Egal wie schlecht meine Lage im Leben aussehen mag, ich werde es durchstehen und nie wieder daran denken mich umzubringen.

Ich werde mich für immer an dieses Versprechen halten auch in den dunkelsten Zeiten. „Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich für dich freue!", erklärte mir der enthusiastische Doktor, „Doch bist du dir sicher, dass du schon heute das Krankenhaus verlassen willst?". Mit meiner treuen Gebärdensprache gab ich ihm Bescheid, dass ich heute meine Eltern treffen würde und dass ich wohl auf war. Er nahm das so hin und drückte mir noch einen Terminplan in die Hand. Fragend sah ich ihn an, doch der Hospitalangestellte wartete nur darauf, dass ich den Zettel auseinander faltete. Auf dem Papier standen 3 Wochentage und daneben waren bestimmte Zeiten aufgeschrieben.

Mittwoch:13:30-15:30, Freitag: 14:15-16:15, Sonntag: 13:30-15:30.

Was hatten diese Zahlen und Wochentage auf sich? Der drahtige Mann erklärte es mir: „Also Marieke, dein Zustand schient sich wirklich verbessert zu haben, jedoch kannst du immer Rückfälle haben". Ich nickte langsam. „Deshalb beschlossen wir dich für eine noch unbekannte Zeitspanne zu einer Psychotherapeutin zu schicken, bis es dir wirklich perfekt geht." Ich verstand es. Ich war halt leider ein Mensch, um den man sich Sorgen machen musste und wahrscheinlich war diese Hilfe gut für mich. Deshalb nickte ich dem Arzt zu und lächelte leicht.

Schrei, niemand wird dich hören Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt