„Zoé" höre ich mich selbst rufen, während ich ihr eine Hand auf die Schulter lege, um sie am Gehen zu hindern. „Das ist ja eine Überraschung, dass du auch hier bist. Und ich dachte schon, ich muss heute wirklich alleine auf deinen Tag anstoßen." Ihr Zögern ist fast greifbar als sie sich langsam umdreht. „Du sahst nicht aus, als wärst du alleine." lautet ihre knappe Antwort. „Oh das..." fällt mir meine Begleitung wieder ein, „Das ist Tara, sie ist eine sehr gute Freundin meiner Schwester Maite. Immer wenn ich in Dublin bin, wohne ich in der Pension von ihr und ihrem Mann Conor. Komm doch mit zur Bar, dann stelle ich sie dir vor." Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht und sie nickt sanft.
„Tara das ist Zoé, die Heldin meines Tages. Sie hat mich vor der „netten" Dame im Flugzeug, von der ich euch erzählt habe, gerettet." Tara lächelt Zoé freundlich an und streckt ihr die Hand hin. „Hi ich bin Tara. Und ich muss mich auch leider schon verabschieden. Conor hat gerade angerufen, das Buchungsprogramm spinnt mal wieder und er braucht meine Hilfe. Slán." Eine kurze Umarmung und schon ist Tara auf und davon.
Nun stehen wir hier. Unsicher schaue ich Zoé an. Irgendetwas hat diese Frau an sich, dass mich magisch anzieht. Noch eine Abfuhr von ihr, wie im Flugzeug würde ich wohl kaum ertragen heute.
„Guinness?" Zoé schaut mich mit ihren großen, braunen Augen auffordernd an. „Klar, wir müssen doch auf dich anstoßen." erwidere ich lächelnd.
„Also auf dich Zoé. Slainte." proste ich ihr mit meinem vollen Bierglas zu und nehme einen kräftigen Schluck. „Erzähl mal, wie gefällt dir Dublin bis jetzt? Was hast du geplant für deinen Urlaub?" Sie zögert einen kurzen Moment bevor sie antwortet. „Hier in Dublin gibt es einiges, was ich mir ansehen möchte. Bis jetzt habe ich ja noch nicht wirklich etwas von Irland gesehen. Die Fahrt vom Flughafen und der Weg hier her, war das einzige, das ich zu sehen bekommen habe. Vielleicht lasse ich mich aber auch einfach treiben. Mal sehen, was die Tage so bringen und worauf ich spontan Lust habe. Eigentlich will ich einfach nur abschalten, entspannen und mal was anderes sehen. Den Alltag vergessen eben." Ich nicke. Das kommt mir sehr bekannt vor. „Ist dein Alltag denn so schrecklich, dass du ihn vergessen möchtest?" versuche ich etwas mehr über sie herauszufinden. Ihr Blick verfinstert sich und ich habe das Gefühl, dass dies nicht die richtige Frage war. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten." sage ich deshalb vorsichtig.
Zoé jedoch schüttelt den Kopf und sieht mich mit traurigen Augen an. „Bist du nicht. Es gab die letzten Wochen einfach Dinge, die ich definitiv schnell vergessen will. Auch wenn ich gerade nicht weiß, ob Dublin dafür der richtige Ort ist. Weißt du..." Sie hält inne und schaut mich mit Tränen in den Augen an. Während ich meine Hand leicht auf ihre lege, sage ich: „Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht möchtest." Doch wieder schüttelt sie den Kopf. „Es wird ja nicht besser, wenn ich darüber schweige. Daniel... mein Exfreund. Eigentlich war dieser Urlaub nicht nur mein Urlaub, sondern unser Urlaub. Wir wollten uns gemeinsam Irland anschauen, haben so lange Pläne dafür geschmiedet. Aber jetzt bin ich hier alleine und er sitzt in Deutschland mit dieser... Frau. Er hat alles kaputt gemacht." Ich sehe wie glitzernde Tränen sich einen Weg über ihre Wangen bahnen, während sie von ihrer Beziehung zu Daniel erzählt. Von ihren gemeinsamen Plänen und Hoffnungen, die sich wie aus dem Nichts in Luft aufgelöst haben. Meine Hand liegt immer noch auf ihrer und ich gebe dem Impuls sie sanft zu streicheln einfach nach. Ich kann so gut nachempfinden, wie sie sich gerade fühlt. Meine letzte Beziehung ist ähnlich auseinander gegangen.
So sitzen wir am Ende mehrere Minuten nebeneinander, ohne dass einer von uns beiden ein Wort spricht. Jeder in Gedanken versunken.
„Tut mir leid." unterbricht sie plötzlich die Stille zwischen uns. Ich sehe sie fragend an. „Du hast dir deinen Abend bestimmt spaßiger vorgestellt." Ich schüttle den Kopf. „Alles gut. Ich weiß, wie man sich in so einer Situation fühlt. Und es gibt nichts besseres, als sich alles von der Seele zu reden. Es ist wichtig jemanden zu haben, der einem zuhört."
Sie lächelt mich dankbar an und ich versinke nahezu in ihren großen braunen Augen, die noch immer leicht feucht schimmern. Was macht diese Frau nur mit mir? „Paddy!" rufe ich mich selbst zur Vernunft. Sie hat gerade eine schwere Zeit hinter sich und mit mir gehen die Hormone durch.
„Erde an Paddy." Zoé wedelt mir mit einer Hand vor den Augen herum. „Oh tut mir leid, ich war gerade..." „Auf einem anderen Planeten, das habe ich schon bemerkt." grinst sie mich an und wieder fahren die Schmetterlinge in meinem Bauch Achterbahn. So kenne ich mich gar nicht. Normalerweise bin ich eher der vorsichtige Typ in Sachen Frauen.
„Kennst du dich in Irland gut aus?" reißt sie mich ein weiteres Mal aus meinem Gedanken. Ich nicke. „Irland ist mein Herzensland. Ich bin hier geboren und komme immer wieder gerne hier her. Es fühlt sich einfach immer an, wie nach Hause kommen. Die Iren sind ein so tolles und offenes Volk und die Landschaft hier ist einfach traumhaft schön. Irland ist einfach immer eine Reise wert. Egal zu welcher Jahreszeit, egal ob bei Sonne oder Regen, Tag oder Nacht."
„Bei Nacht auch?" zwinkert Zoé mir frech grinsend zu. „Na klar." lache ich. „Hast du Lust auf eine kleine Sightseeingtour bei Nacht? Dann beweise ich es dir."
Ihr Aufstehen werte ich als ja und so begeben wir uns hinaus in das nächtliche Dublin. „Und wohin entführst du mich jetzt?" Ich überlege kurz. „MyLady wollen Sie mir bitte folgen? Ich entführe Sie jetzt in meinen Lieblingspark: Der Herbert Park ist gleich hier ums Eck. Wir müssen nur dort die Straße überqueren." Schweigend laufen wir nebeneinander her. Während ich an der Straße stehen bleibe, läuft Zoé gedankenverloren einfach weiter und ich kann sie nur mit Mühe vor einem fahrenden Taxi am Arm zurückreißen. Unsanft landen wir dicht nebeneinander auf dem Boden.
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Mitten ins Herz (Michael Patrick Kelly FF)
FanfictionZoé und Paddy in Irland. Die Geschichte einer Begegnung mit Folgen.... Jedes Kapitel wird jeweils von einer anderen Person geschrieben ;-) wir wissen also selbst nicht wohin die Reise geht. Die Ereignisse und Personen in dieser Geschichte sind fr...