Zu Befehl, eure Majestät

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"Neue Arbeiter! Neue Arbeiter!", kreischten die Drachen. Wir knurrten genervt und funkelten die Untertanen des Riesens an.

"Jedoch", unterbrach der graue Drache das Gekreische, "Habt ihr andere Aufgaben, als die anderen Drachen." Wir sahen sie verwirrt an.
"Die Aufgabe eines jeden Drachen ist es, das nahe liegende Wikingerdorf zu überfallen und das Vieh mit hier hin zu bringen. Ihr verschafft mir Futter, verstanden? Ist das Futter allerdings zu mangelhaft, werdet ihr gefressen!", teilte die Drachendame uns mit und grinste dabei hämisch. Mir kam noch eine Frage in den Sinn, aber ich traute mich nicht, diese zu stellen.

"Und wenn ihr gar nichts mitbringt-", fasste nun ein frecher Schrecklicher Schrecken das Wort. "Ruhe!", knurrte sie den kleinen Drachen an, "Ich habe das Wort!" Der Schreckliche Schrecken verstummte sofort und verkroch sich in eine breite Rinne aus Stein.

"Und wenn ihr gar nichts mitbringt,", wiederholte die Königin den Satzanfang des kleinen Drachens, "Werdet ihr ebenfalls gefressen. Logisch, oder? Doch jetzt kommen wir zu euren speziellen Aufgaben. Ihr seid Nachtschatten, also sehr mächtige Drachen, die über enorme Kräfte verfügen."

Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich das als Kompliment sehen sollte.

"Anstatt mir das Vieh zu holen, werdet ihr den anderen Drachen den Rücken freihalten. Schaltet bewaffnete Wikinger aus, zerstört Häuser und Gebäude und legt die Katapulte lahm."

"Und warum haben wir diese spezielle Aufgabe?", erkundigte sich Feuerblüte nun etwas mutiger.

"Glaubt mir, Dinge von der Luft aus zu zerstören ist mit Abstand leichter, als auf Bodenhöhe kiloschwere Tiere zu klauen, ohne dabei erwischt zu werden. Anders als die anderen Drachen geht ihr nicht das Risiko ein, von den Wikingern gefasst und getötet zu werden.", beantwortete sie die Frage meiner Schwester.
Wir nickten verstehend. Dabei schielte ich unauffällig zu den anderen Drachen, die sich ungerecht behandelt fühlten und deshalb gereizt schnaubten.

"Aber warum wir? Wieso bekommen wir dieses Recht?", hakte Feuerblüte ratlos nach.

"Kommt mit.", brummte die Königin und stieß sich von der Felswand ab, worauf wieder ein leichtes Vibrieren folgte. Ihre Worte hallten wieder im Vulkan. Während sie in das Magma eintauchte, flogen wir zwei durch einen schmalen Gang, der ebenfalls in die Tiefe führte, ohne dabei mit dem Magma in Kontakt zu kommen.

"Sag mal, bist du bescheuert?", zischte Feuerblüte fassungslos, "Lass uns von hier abhauen, solange sie uns nicht sieht!"

"Geht nicht.", enttäuschte ich sie mit ruhiger und ernster Stimme, "Ihre Arbeiter würden uns aufhalten, hast du nicht ihre Schadenfreude erkannt, dass wir nun die neuen Arbeiter sind? Und überhaupt ist dieser Drache so groß, dass er uns nicht so leicht entkommen lassen wird."

Wir erreichten einen kleineren Raum, in dem sich kein anderer Drache aufhielt. Die Wände boten genügend Landemöglichkeiten an und die Öffnung war groß genug, damit die Königin ihren Kopf zu uns strecken konnte. Wir landeten auf einer Felsplatte und sahen eingeschüchtert zu, wie die Drachendame sich mit Magma tropfend vor aus aufbäumte.

"Es musste schon fünfundvierzig Jahre her sein, trotzdem kommt es mir vor, als sei es erst gestern gewesen.", begann sie ihre Erzählung, "Ich lebe schon von Geburt an in diesem Vulkan. Meine Mutter starb, als sie ihre Eier legte, dass haben wir Rote Tode nun einmal an sich. Ich schlüpfte aus meinem Ei und meine erste Aufgabe war es, meine Geschwister zu töten. Es war ein Kampf. Alle gegen alle. Das liegt uns im Blut, es ist unsere Natur, die Geschwister beim Schlüpftag zu töten. Nun ja, ich war die stärkste, womit mir dieser Vulkan gehört. Gute dreißig Jahre später passierte etwas merkwürdiges. Ich hörte eine tiefe Stimme zu mir sprechen. Ich trat aus meinem Vulkan und sah in das Gesicht eines Großen Überwilden. Sehr selten, diese Drachenart. Sie haben die gemeine Fähigkeit, Drachen zu hypnotisieren. Immer wieder befahl mir der graue Riese, ich solle ihm folgen. Schnell bemerkte ich, dass er mit einem Nachtschatten verbündet war. Dieser war achtzehn Jahre alt und hieß Salir ."

Ich zuckte überrascht zusammen. Hatte Mama mir nicht einmal von diesem Nachtschatten erzählt? War er nicht der Grund gewesen, weshalb ich diesen Namen trage? Ich spürte Feuerblüte's überraschten Blick auf mir, konzentrierte mich jedoch wieder auf die Königin.

"Jedenfalls hatte der Große Überwilde, Schattenschnee hieß er, den kompletten Einfluss auf mich. Ich gehorchte ihm, auch wenn Salir es war, der Schattenschnee die Befehle erteilte. Mithilfe meiner Kraft errichteten wir einen Zufluchtsort für alle verlassenen Drachen. Denn auch wir drei waren verlassene Drachen. Salir war ein Einzelgänger und wurde von jedem aus seiner Familie gehasst und verspottet. Schattenschnee wurde in seiner frühen Kindheit von den anderen gehänselt, weil seine Schuppen ein zugegeben hässliches dunkelgrau hatten und seine Stacheln eine rote Färbung an den Spitzen hatten. Und ich lebte ganz allein in dem Vulkan, da ich die Gewinnerin des Kampfes war. Nachdem wir den Zufluchtsort errichtet hatten, löste Schattenschnee mich von dem Bann und ich war wieder frei. Doch wollte ich mein Zuhause nicht verlassen und blieb bei meinen zwei Freunden. Doch mit der Zeit änderte sich auch Salir. Allmählich schien der schwarze Drache begriffen zu haben, dass er nun völlige Macht über tausende von Drachen besaß. Deshalb übte er seine Macht aus und manipulierte Schattenschnee. Ich konnte nichts dagegen machen, Salir hätte ihn sonst auf mich gehetzt. Ich spielte also mit und ließ zu, wie Salir alle verlassenen Drachen in seine Gewalt brachte und sie für ihn arbeiten ließ. Schattenschnee hatte also alle Drachen hypnotisiert, damit Salir ihnen Befehle erteilen konnte. Schnell kam es dazu, dass die Drachen ein nahe liegendes Dorf von Wikingern überfielen und den inzwischen verwöhnten Nachtschatten Futter verschafften. Nach einiger Zeit kam allerdings der Tag, wo sich zum ersten Mal ein Nachtschatten Zuflucht in diesem Vulkan erhoffte. Dass hier Sklaverei betrieben wurde, war der hübschen Drachendame nicht bekannt. Es handelte sich tatsächlich um Salir's kleine Schwester, die anfangs von jedem geliebt wurde, doch jetzt ihren Ruhm verlor. Es kam zu einem Kampf zwischen den Geschwistern, da das Nachtschatten Weibchen ihrem Bruder nicht als Sklavin dienen wollte. Am Ende gewann sogar die Schwester und ernannte mich als die Königin. Die Schwester des Tyrannen floh wieder auf ihre weit entfernte Insel und Schattenschnee ergriff ebenfalls die Flucht. Ich weiß es zwar nicht genau, doch ich hörte von einigen Drachen, dass er von einem jungen Drachenjäger gefangen und bezwungen wurde. Doch das interessierte mich herzlich wenig, denn ich war schließlich die neue Königin. Meine Untertanen waren zwar nicht unter der Hypnose von Schattenschnee, jedoch fürchteten sie sich so sehr vor mir, dass sie allein unter meinen Drohungen für mich Futter erschafften. Und das funktioniert auch heute noch, wie ihr seht. Ich weiß, dass ihr Nachtschatten sehr eigensinnig seid, doch ihr zwei werdet garantiert meinem Befehl gehorchen!", wurde der Rote Tod nun lauter.

Ich schluckte und bekam es mit der Angst zu tun.

"Ihr wisst was passiert, wenn ihr meinen Befehlen nicht gehorcht! Ihr werdet gefressen, verstanden? Euer Befehl ist es, im Wikingerdorf so viele Häuser, Gebäude und Katapulte zu zerstören, wie nur möglich, ist das klar?", herrschte sie uns an und bleckte dabei ihre monströsen Zähne.

Wir nickten eifrig und wagten es aus Angst nicht einmal zu atmen.

"Für den Anfang werdet ihr zwei morgen früh mit der Alpha-Gruppe losfliegen. Sie werden euch die Insel mit dem Dorf zeigen und erklären, worauf ihr zu achten habt. Alles weitere erfahrt ihr morgen.", brummte sie noch, ehe sie wieder in das Magma tauchte.

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt