Kapitel 9

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Wie aus dem Nichts taucht auf einmal ein älteres Ehepaar auf, welches lauthals diskutierend bei uns vorbeischlendert und mich aus meinen Gedanken reißt. Neugierig sieht die Dame zu uns hinüber und flüstert ihrem Mann etwas zu. „Good evening!" grüße ich sie freundlich und hebe meine Hand. Lächelnd winken die beiden zurück und gehen zügig weiter.

Als ich zu Zoé hinübersehe, bemerke einen veränderten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie wirkt angespannt, nervös. Irgendetwas scheint sie verunsichert zu haben.

Kurz lasse ich noch einmal alles über das wir gerade gesprochen haben Revue passieren um sicher zu gehen nicht in irgendein Fettnäpfchen getreten zu sein.
Ich beuge mich etwas zu ihr rüber und suche ihren Blick. „Hey... ich hoffe ich habe dich mit meinen Familiengeschichten nicht zu sehr gelangweilt?!"
Schüchtern schaut sie nach unten. „Nein, im Gegenteil, die fand ich sogar sehr interessant."
Sie zieht ihre Hand aus meiner und beginnt mit ihrem Finger auf ihrer Jeans entlangzufahren.
„Es ist nur so...mir war nur bis eben nicht bewusst, dass du anscheinend..."

Allmählich ahne ich woher der Wind weht.

„Das ich so ein verrückter Kelly bin?" Lächelnd sehe ich sie an.

Zoé hält inne. Sie scheint sich ertappt zu fühlen. Ihre Wangen röten sich etwas und sie presst die Lippen aufeinander. Schließlich nickt sie kaum merkbar ein wenig mit dem Kopf.

„Du bist doch immer noch Musiker, oder? Ich meine die Frauen im Flugzeug und..."

„Würde das für dich irgendetwas ändern?" unterbreche ich sie schnell woraufhin Zoé zaghaft und etwas unentschlossen mit den Schultern zuckt.
„Das ist nicht wichtig, Zoé!" Ich nehme ihre Hand und verschränke ihre Finger wieder vorsichtig mit meinen. „Ich bin einfach Paddy und würde dich sehr gerne näher kennenlernen!"
Ein flüchtiges Lächeln huscht über ihr Gesicht und sie atmet hörbar aus. „Das würde ich auch sehr gerne!"

Wir sitzen für einige Minuten einfach noch schweigend da. Es wieder still um uns herum geworden. Man hört das Rascheln das Blätter in den Bäumen und weit entfernt den Autoverkehr. Im fahlen Licht der Parkbeleuchtung versuche ich ihr Gesicht zu erforschen. Sie sieht so hübsch aus. Das lange Haar fällt ihr locker und fast ein bisschen wild über die Schultern. Ihre braunen Augen funkeln und blicken mir aufmerksam entgegen während sie ab und zu wie ein kleines Mädchen unsicher auf ihrer Lippe herumbeißt. Eine leichte Gänsehaut bildet sich auf ihrem Arm und ich merke wie Zoé anfängt zu frösteln. Also ergreife ich schließlich die Initiative zum Aufbruch.

"Es ist ganz schön spät geworden, ne? Wie wärs wenn ich dich jetzt nach Hause bringe? Um diese Uhrzeit sind nämlich noch ziemlich viele Autos unterwegs, da kann ich es nicht riskieren dich alleine gehen zu lassen!"
Sie kichert leise und hält sich die Hand vor die Augen. „Oje, da habe ich ja wirklich einen bleibenden ersten Eindruck hinterlassen..."
„Ich werde es jedenfalls nicht so schnell vergessen!"
Wieder treffen sich unsere Blicke und bleiben kurz aneinander hängen.
„My Lady..." Zoé legt ihre Hand in meine, die ich ihr einladend entgegen halte und wir schlendern los.

Fast wortlos erreichen wir den Ausgang des Parks. Immer wieder merke ich wie Zoé zu unseren Händen runterschaut und mich dann ein bisschen verlegen anlächelt. Mit belanglosen Smalltalk versuchen wir schließlich die angespannte Situation zwischen uns zu verstecken bis wir auch schon vor ihrer Unterkunft stehen.

Ich lasse sie los und vergrabe beide Hände in meinen Hosentaschen. „Also da sind wir..."
„Danke Paddy! Das war wirklich ein....ein außergewöhnlicher Abend" flüstert sie. Außergewöhnlich schön, ne?" In meinem Gesicht breitet sich ein Grinsen aus und ich muss mich zurückhalten sie nicht einfach in den Arm zu nehmen.
„So....what about tomorrow?" Zoé sieht mich fragend an „Tomorrow?"
Ich würde dich gerne wiedersehen, würdest du morgen mit mir essen? Ich kenne ein kleines, typisches Lokal.... Und vielleicht.. „
Zoé nickt lächelnd mit dem Kopf. „Ja das würde ich gerne!" platzt es schließlich aus ihr heraus. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Körper aus und mein Herz pocht stärker in meiner Brust.
Wir verabreden also, dass wir uns am nächsten Tag wieder vor dem Pub treffen. Bevor ich gehe nehme ich ihre Hand und hauche einen zarten Kuss hinauf. Überrascht schaut Zoé mich mit großen Augen an. "Good Night", flüstere ich ihr zu und drehe mich um. „Bis morgen!" höre ich sie sagen, als ich bereits ein Stück von ihr entfernt bin.

Beschwingt und leise vor mich her singend schlendere ich die Straße entlang bis ich schließlich bei der Pension ankomme. Als ich sie betrete finde ich Tara und Conor vor dem Fernseher vor. Das Grinsen in meinem Gesicht lässt die Beiden natürlich neugierig werden. „Hattest du einen schönen Abend?" platzt es aus Tara heraus. „Die junge Dame sah ja wirklich sehr nett aus. Was habt ihr denn noch gemacht?" Ich winke nur ab und gehe in mein Zimmer.

Obwohl ich mir vorgenommen habe endlich mal wieder lange im Bett zu bleiben, den Tag ruhig zu beginnen und mich vom ganzen Promotion-Stress der letzten Wochen zu erholen, werde ich früh wach und kann vor Aufregung nicht mehr schlafen. Immer wieder wandern meine Gedanken zu Zoé, zu dem letzten Abend, den schüchternen Blicken und den zarten Berührungen...Ich kenne sie noch so wenig und dennoch bin ich fasziniert von ihr, sie bringt mich durcheinander.

Der Tag vergeht elend langsam. Um mich etwas abzulenken und auf andere Gedanken zu kommen, helfe ich Tara und Conor so gut es geht in der Pension.

Als ich am Abend zum verabredeten Zeitpunkt am Pub ankomme ist Zoé noch nicht dort. Ich lasse mich auf einen Bank fallen und warte. Nach einiger Zeit ziehe ich mein Handy aus der Tasche und werfe einen Blick darauf. So ein Blödsinn... ! Ich puste die Wangen auf und stopfe das Telefon wieder zurück. Wie soll sie mir schreiben wenn sie gar nicht meine Nummer hat. „Reiß dich zusammen, Paddy! Du benimmst dich wie ein pubertierender Teenager" versuche ich mich selber zu beruhigen.
Nach einer halben Stunde ist Zoé immer noch nicht da. Langsam mache ich mir Sorgen.
Ist ihr vielleicht irgendetwas passiert? Hat sie sich es sich doch anders überlegt...?

Mitten ins Herz (Michael Patrick Kelly FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt