Kapitel 10

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Zurück auf meinem Zimmer schnappe ich mir mein Handy, öffne Itunes, wähle meine Lieblingsband und tanze durchs Zimmer.


Now I feel my heart beating

I feel my heart underneath my skin

And I feel my heart beating

Oh you make me feel

Like I'm alive again



So einen schönen Abend hatte ich schon lange nicht mehr. Paddy hat eine unglaubliche Ausstrahlung, fast schon magisch. Seine blauen Augen laden zum ertrinken ein. Seine Haare sind so charmant verwuschelt, dass es dennoch als Frisur durchgeht. Und seine Hände - so weich und zart. Richtige Musikerhände. Ich erinnere mich noch ganz genau an das Gefühl, seine Hand in meiner zu spüren.


Beschwingt und glücklich mache ich mich bettfertig. Als ich im Bett liege werde ich jedoch wieder etwas sentimental. Ich liege alleine in einem riesigen Bett, welches für mich und Daniel gedacht ist. Noch immer schmerzt mich die Erinnerung an die gemeinsame Zeit. Daniel war meine grosse Liebe. Vielleicht habe ich mir das aber auch nur eingebildet. Seit der Trennung fühle ich mich wie eine Blume, der man kein Wasser mehr gegeben hat und die langsam vor sich hin welkt - bis heute. Paddy hatte heute Abend ein bisschen Wasser dabei, und hat die Blume gerettet - hat mich gerettet. Die Gefühle, die er in mir auslöst machen mir Hoffnung. Hoffnung, irgendwann ganz über Daniel hinweg zu sein. Am liebsten schon morgen, denn morgen sehe ich Paddy wieder. Dieser Irland-Trip könnte tatsächlich ein grosser Wendepunkt in meinem Leben werden. Dieser Gedanke zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht und ich schlafe ruhig ein.





Nach dem Frühstück möchte ich den Tag möglichst schnell hinter mich bringen. Was gibt es da besseres als shoppen zu gehen? An der Rezeption frage ich nach dem nächsten Einkaufszentrum. Der Hotelangestellte zeichnet mir den Weg auf einer Karte ein. "Zuerst müssen sie mit dem Bus von der Bloomfield Avenue bis zur Station RTE fahren. Die Busstation befindet sich direkt hier in der Nähe. Wenn sie an der RTE-Station ausgestiegen sind, müssen sie noch knapp fünf Minuten diesen Weg entlang laufen." Er streicht mit einem Leuchtstift die entsprechende Strasse an. "Dann kommen sie direkt zum Merrion Shopping Centre." "Vielen Dank. Das werde ich finden" antworte ich, schnappe mir die Karte und verlasse das Hotel.


Das Wetter ist prächtig. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und ich habe richtig gute Laune. Innerlich spüre ich bereits eine leichte Veränderung. Ich trauer der Vergangenheit nicht mehr ganz so sehr nach, sondern freue mich auf die Zukunft - freue mich auf heute Abend. Ich fühle mich wieder wie damals im Skilager, als Jonas - mein damaliger Schwarm - sich neben mich gesetzt hat. Das ist damals ein richtiges Highlight gewesen. In meinem Bauch kribbelt es gerade wieder so wie damals. Die Schmetterlinge in meinem Bauch scheinen langsam wieder aufzuwachen.


Im Einkaufszentrum angekommen schlendere ich durch die verschiedenen Geschäfte. Das meiste, was es hier zu kaufen gibt interessiert mich nicht wirklich. Ich hatte mehr erwartet und bin doch ein bisschen enttäuscht. Als ich gerade wieder zurück ins Hotel gehen will, erblicke ich den Omra Beauty Salon. Spontan entscheide ich, mir dort ein volles Beautyprogramm zu gönnen. Gesichtsbehandlung, Augenbrauen zupfen, Beine wachsen, Maniküre, Pediküre und zum Schluss noch eine Entspannungsmassage. "That makes 210 Euro please." Ich ziehe Daniels Kreditkarte aus dem Geldbeutel. Soll der doch zahlen, dieser Mistkerl! "Here is still a small gift. It's a Body Scrub. Hope you had a nice day here with us." Die Dame streckt mir eine kleine Tüte hin. "Oh yes thank you. It was fantastic. I feel like a new person."


Da ich im Shopping Center keine Klamotten gefunden habe, beschliesse ich in der Nähe des Hotels ein paar Geschäfte abzuklappern. Ich möchte heute Abend gerne etwas Neues tragen. Etwas, das mich nicht an Daniel erinnert. Etwas das mich immer an Irland und an Paddy erinnern soll. Mit dem Bus fahre ich zurück und schlendere durch die Strassen. An einer Ecke finde ich eine kleine süsse Boutique. Anna's pretty Vintage Store - seconad-hand. Ich betrete das Geschäft und stöbere ein bisschen durch die Kleiderständern. Es ist ein ziemlich kleines Geschäft, vollgestopft mit Kleidern. Wunderschönen Kleidern. Es scheint als erzähle jedes einzelne dieser Kleider eine eigene Geschichte. Wie toll wäre es, wenn die Kleider ihre Geschichten erzählen könnten.


Im hinteren Teil des Raumes entdecke ich ein hübsches Trägerkleid in altrosa. Das Kleid ist knielang, leicht ausgestellt und in der Taille mit einem kleinen Band verziert. Sofort verliebe ich mich in das Kleid. "Hey Darling, would you like to try it on?" Eine ältere Frau kommt aus einem Hinterzimmer. Das wird wohl Anna sein. "Yes, i fell in love with the dress" antworte ich lachend. Das Kleid sitzt wie angegossen. "You look beautiful my dear." Diesmal bezahle ich mit meiner eigenen Karte. An diesem Kleid soll kein Fitzelchen Daniel kleben.


Zurück im Hotel lasse ich mir Kuchen und Kaffee aufs Zimmer bringen. Vor lauter herumstreunen habe ich ganz vergessen etwas zu Mittag zu essen. Typisch Zoé denke ich. Das Kleid lege ich behutsam aufs Bett. "Und was erzählst du mir für eine Geschichte? Du siehst noch ziemlich neu aus. Deine vorherige Besitzerin hat dich wohl nicht zu schätzen gewusst. Aber weisst du was? Heute Abend lernst du Paddy Kelly kennen. Dafür hat sich deine Reise bis zu mir doch gelohnt oder?" Ich kratze mich am Kopf. Jetzt spreche ich schon mit einem Kleid.


Nachdem ich den Kuchen und den Kaffee verschlingt habe, lasse ich mir ein Bad ein. Ich habe bei der Buchung darauf bestanden, ein Zimmer mit Badewanne zu bekommen. Ich hasse duschen. Baden ist so viel entspannter. Ich nehme mein Handy aus der Tasche. Den ganzen Tag hatte ich kein einziges Mal das Bedürfnis gehabt, auf mein Handy zu schauen.


>Schätzchen ich hoffe es geht dir gut. Geniess deinen Urlaub. Ich schicke ganz viele Küsse. Mama<


Bevor ich in die Wanne steige, schnappe ich mir das Body Scrub aus dem Beauty Salon. Ich lasse laut Musik laufen und geniesse das warme Wasser. Nach einer Weile beginne ich mich mit dem Body Scrub einzureiben. Als ich es wieder abspüle, spüre ich einen leichten Juckreiz. Ich wasche mir die Haare und denke mir nichts weiter dabei. Als ich aus der Wanne steige, entfährt mir ein lauter Schrei. Erschrocken schaue ich in den Spiegel. Vom Gesicht bis hinunter zu den Füssen habe ich überall grosse rote Flecken. Ich blicke panisch auf mein Handy. In einer halben Stunde treffe ich mich bereits mit Paddy. Vor lauter Aufregung beginnen die Flecken zu jucken und werden noch röter. Völlig verzweifelt setze ich mich aufs Bett und beginne zu weinen. So kann ich Paddy auf keinen Fall gegenübertreten.


Eine Stunde später sind die Flecken noch immer nicht weg. Ich habe mich mit meinem Nachthemd ins Bett gelegt und lese in einem Buch. Was Paddy wohl jetzt von mir denkt? Als es an der Türe klopft, rutscht mir das Herz in die Hose.





Mitten ins Herz (Michael Patrick Kelly FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt