,,Lady Stone, Ihr solltet Euch von der Reise erholen.“
Mit diesen Worten entließ der Lord einer kleinen Burg die junge Frau.
Ihr zartes Gesicht schien zu jeder Zeit den selben gleichgültigen Ausdruck zu tragen. Seit sie den Kopf ihres Vater von dessen Schultern rollen gesehen hatte, die ganze Welt sie als Verräterin und nun auch als Königsmörderin schimpfte, waren ihr diese Gesichtszüge wie eingebrannt.,,My Lord“, sprach sie förmlich zum Abschied, bevor sie, nach einem wackligen Knicks, durch die schwere Holztür das Zimmer verließ und sich erschöpft gegen die kühle Wand des sich streckendes Flures lehnte.
Einige Minuten verharrte sie dort. Konzentrierte sich ganz auf die Kälte, die sich den Weg in ihre Glieder suchte.
Es erinnerte sie an Zuhause.
Was für ein dummes Mädchen sie doch gewesen war zu glauben sie würde ihren makellosen Prinzen zum Mann nehmen, um ein Leben zu führen, wie es in all den Liedern besungen wurde.
Alles was sie wollte war zurück in den Norden, nach Winterfell.
Selbst die eisigen Winde, die sogar seiner Zeit ihrem hohen Vater einen Schauer über den Rücken jagen ließen, schienen so viel besser zu sein, als diese Stadt im Süden, die so voll mit Edelsmännern war, die sie tot sehen wollten, besser als das endlose Reisen zu ihrer Tante.,,Alayne?“, eine sanfte, aber schneidende Stimme holte sie zurück in die Realität.
Beschämt wich sie dem Blick Baelishs aus:,,My Lord?“
Als er vorsichtig über die zarte Haut ihrer Wange strich, hob sie den Kopf und sah ihn an. Seine sonst so stechenden Augen sahen mit einem weichen, beinahe liebevollen Ausdruck, in die ihren.,,Fehlt Euch etwas?“
,,Nein.“
,,Ihr seid eine grauenhafte Lügnerin. Ihr solltet Euch ausruhen und schlafen, bevor wir weiter reisen.“ Lord Baelish hatte bis jetzt jede ihrer Lügen durchschaut, auch wenn es nur die kleinsten, unbedeutensten waren, wie diese.
In gewisser Weise schätzte sie diese Eigenschaft an ihm, sie gab ihr das Gefühl, dass jemand sie kannte, dass sie jemandem vertrauen konnte. Lord Baelish war ihr einziger Freund. Niemand außer ihm konnte sie vertrauen. Nur er durfte wissen, dass sie nicht Alayne Stone war, nur er durfte wissen das sich unter der dunklen Farbe in ihren Haaren das Rot der Tullys verbarg, nur er durfte ihre Sorgen und Nöte erfahren, denn nur er hatte sie gerettet, sie aus Königsmund fort geschafft.Stumm nickte Sansa, dann ließ sie sich von Baelish zu ihrer Kammer führen. Die steinernen Korridore waren schmal, gerade breit genug, dass zwei Leute nebeneinander den Gang passieren konnten.
Eng beieinander liefen sie durch den langen Flur, bis sie an Sansas Zimmer angekommen waren.
,,Danke für die Begleitung, Lord Baelish.“
Wie so oft ging er nicht auf ihre Worte ein:,,Was wollt Ihr?“
,,Winterfell.“ Ohne nachdenken zu müssen, gab sie ihr größtes Bestreben preis.
Während sie antwortete, drückte Kleinfinger sie in ihre Kammer und schloss rasch die Tür hinter sich.
Eine ihrer dunklen Locken zwischen den Fingern drehend, machte er weiter:,,Könnt ihr dieses Ziel erreichen?“
Nun zögerte sie. Natürlich konnte sie über Winterfell herrschen, schließlich stand ihr dieser Titel zu, als letzte und älteste Stark. Aber wie? ,,Ich weiß nicht.“
Alayne spürte seine starken Hände auf ihren Schultern:,,Habt ein Bild vor Augen. Seht ihr das, was Ihr wollt?“
Wieder nickte sie.
,,Und jetzt spielt ein Spiel, geht von diesem Bild die Zeit zurück hier her. Geht den schlimmsten Weg, den schwierigsten.“
Alayne hatte ihre Augen geschlossen, versuchte ihre Gedanken auf diesem Pfad zu leiten, doch nach wenigen Versuchen gab sie auf:,,Ich kann nicht.“,,Ihr könnt.“