Dass sie einen Freund hatte, war ja schon schlimm genug. Aber dass er sie, meine große Liebe, auch noch jeden Tag von der Schule abholen musste…dagegen war ein Messerstich ins Herz die reinste Freude. Es graute mich regelrecht vor dem Schulschluss. Als wenn ich nicht genug Pech gehabt hätte, führte mein Heimweg natürlich über den Parkplatz. Der Ort, wo er immer auf sie wartete. Ich hatte keine Ahnung wie oft ich schon da lang gelaufen war, während er sie im Arm hielt und innig küsste. Verstanden hatte ich das noch nie. Er glaubte wahrscheinlich in den 6-8 Stunden, die sie in der Schule war, hätte sie einen anderen gefunden. Das Verhalten fand ich einfach nur krank. Doch heute wollte ich mir diesen Schmerz nicht noch mal antun!
Das letzte Mal für heute klingelt es zur Pause. Mein Schultag ist beendet. Kurz und knapp verabschiede ich mich von einigen Mitschülern. Ich schwinge meinen Rucksack auf den Rücken und bin die Erste, die das Zimmer verlässt. Als ich den Gang entlang laufe merke ich, dass es noch ziemlich ruhig ist. Aber nicht lange, denke ich mir. Jeden Moment strömen auch noch andere Schüler aus den Zimmern, um nach Hause zu gehen. Mir ist das in diesem Moment egal. Endlich erreiche ich die Tür zur Mädchentoilette. Hastig stoße ich sie auf und betrete den Raum. Als die Tür hinter mir zufällt, beginnt das laute Geräusch von nach Hause laufenden Schülern. Ich sehe, dass ich alleine im Raum bin. Langsam trete ich zum Fenster. Man kann direkt auf den Parkplatz sehen. Da steht er wieder! Lässig an seinem tiefer gelegten schwarzen Golf TDI gelehnt raucht er eine Zigarette. Er trägt eine Sonnenbrille auf dem Kopf, deren Gläser in der Sonne funkeln. Schließlich bläst er den Nikotinqualm in die Luft. „Was für ein Angeber!“ Etwas anderes kann ich nicht denken. Mein Blick ist finster, angeekelt, voller Hass. Das spüre ich. Ich will mich umdrehen, sonst sehe ich noch das, was ich nicht sehen will. Im selben Moment geht die Tür auf. Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich um. 1000 Gedanken schießen mir durch den Kopf. Was, wenn es jemand aus der Klasse ist? Was, wenn derjenige bemerkt, dass ich Teresas Freund beobachte? Was, wenn meine Gefühle entdeckt werden? In kürzester Zeit realisiere ich, wer das Mädchenklo betreten hat.
Es scheint, als hat jegliches Lebensmerkmal in mir aufgehört zu existieren. Ich bin sprachlos, vergesse zu atmen. Regungslos stehe ich ihr gegenüber. Das Mädchen meiner Träume sieht mich mit ihren himmelblauen Augen an. Sie lächelt mir im vorbeigehen zu. „Hi!“, sagt sie und verschwindet in der letzten Toilettenkabine. Ein Schweif von ihrem Duft zieht hinter ihr her. Plötzlich spüre ich dieses Hämmern in der Brust. Ich lebe noch. Meine Lebensmerkmale scheinen wieder in Gang zu kommen. Meine Hände zittern. Ich stehe einfach so rum. Genau wie er dort unten. Ruckartig stelle ich mich vor ein Waschbecken und drehe den Wasserhahn auf. Das kühle Nass reduziert mein Zittern ein wenig. Mein Blick wandert zum Spiegel. Ich sehe mich ganz anders als sonst. Ein schwarzhaariges Mädchen, dessen Wangen leicht errötet sind, schaut mich mit erschrockenem Blick an. Immer wieder stelle ich mir die Frage: „Bin das wirklich ich?“ Ich drehe das Wasser zu und stelle mich vor den Händetrockner. Meine eisig feuchten Hände werden langsam wieder warm. Zufällig sehe ich noch mal zum Fenster raus. Da steht er. Immer noch. Hat sich wahrscheinlich grad die nächste Zigarette angesteckt. Mann, der muss ja beim küssen übelst nach Rauch stinken. Da lecke ich lieber einen Aschenbecher aus.
„Warum bist du eigentlich noch hier?“
Beim Klang dieser Stimme verschwinden meine eifersüchtigen Gedanken so schnell, als hätten sie nie existiert. Teresa steht am Waschbecken neben mir und wäscht sich nun die Hände. Noch leicht benommen von ihrem Anblick schießen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Innerlich suche ich krampfhaft nach einer Ausrede.