3. Kapitel

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„Woran erinnern Sie sich?" Klingt eine Stimme dämmerig zu mir hindurch. Sie klingt sanft und einfühlsam. Ich versuche meine Augen zu öffnen. Das helle Licht sticht mir unangenehm in die Augen, sodass ich sie sofort wieder schließe. Meine Nase beginnt zu kitzeln. Ich öffne meine Augen zu einem Spalt und kann vor mir eine weiß leuchtende Silhouette ausmachen. Nach mehreren Blinzeln erkenne ich einen Mann in der Silhouette.

Ist diese Person real?

Spricht sie mit mir?

Ich sehe mich um. Allmählich vereinen sich die verschwommenen Linien zu Gegenständen. Ich erkenne einen Raum, aber ich kenne diesen Raum nicht. Wo bin ich?

„Ja", murmel ich. Mein Mund fühlt sich trocken an, als hätte ich lange nichts mehr gesagt. Und überhaupt fühle ich mich scheiße.

„Woran erinnern Sie sich?"

Ich blinzle nochmal, um meine Umgebung zu begreifen. In meinem rechten Ohr höre ich leise einen Tinnitus anklingen. Während dieser immer lauter wird, fängt mein Schädel unangenehm an zu dröhnen. Es tut weh. Ich drücke meinen Handballen gegen meine rechte Schläfe und lasse ihn etwas kreisen, doch es mindert nicht den Schmerz. Währenddessen versuche ich mir meine letzte Erinnerung aufzurufen. Oder den letzten Traum. Traum oder Erinnerung, ich kann es gerade nicht auseinanderhalten.

„Ich bin gerannt. Ich bin vor irgendetwas davongerannt", überlege ich und spüre noch immer die Panik in mir nachklingen, den wilden Herzschlag und die Kühle, die mich ummantelt und einnimmt. Für einen kurzen Moment zieht sich mein Magen zusammen. Vor was bin ich davongelaufen? Erneut bemerke ich, wie trocken mein Mund ist. Ich brauche etwas zu trinken.

„Ich brauche Wasser", meine ich und spüre, wie es mich immer mehr danach dürstet. Ich strecke meine rechte Hand nach der Person. Sie drückt mir ein Glas in die Hand. Endlich! Ich trinke das halbe Glas in zwei großen Schlücken. Tief atme ich ein und kann mich wieder mit neuer Klarheit konzentrieren. Jetzt erinnere ich mich besser. Ich blicke zu der Person, die nun deutlicher zu erkennen ist. Das helle Strahlen war ein beiger Pullover. Dazu passend pechschwarze Haare.

„Es war ein Traum, wenn ich mich recht entsinne", ergänze ich und merke eine Last von mir fallen.

Es fällt mir schwer mich an etwas zu erinnern. Selbst dieser Traum fällt mir nur brüchig ein. Ich erinnere mich nicht mal daran, wo ich bin. Wie er oder ich in diesen Raum gekommen sind. Ich schaue mich nochmal in dem Raum um.

„Können Sie sich daran erinnern, wo Sie zuvor waren?", kristallblaue Augen fragen mich diese Frage und versuchen einen Einblick zu kriegen. Nein nicht blau, fast schon weiß. Schonmal einen Bergkristall gesehen, genauso sehen sie mich an. Ich wende schnell meinen Blick ab, in diese Augen kann ich nicht lange gucken. Die Iris sieht wie die eines Toten aus. Wie von einem Zombie in einem apokalyptischen Film.

„Hm?" betont die Person, zu der die hellblauen Augen gehören. Sie blickt direkt in meine Seele.

„Nein", gebe ich zu und will mit beiden Handballen meine Schläfen massieren. Die Schmerzen werden nicht besser, im Gegenteil sie werden immer schlimmer. Ich fühle mich, als hätte ich einen Kater. Kopfschmerzen und Durst, jetzt fehlen nur noch Übelkeit. Habe ich letzte Nacht getrunken? Habe ich Scheiße gebaut?

Doch langsam dämmert es mir. Ich ahne, wo ich bin. Aber warum erinnere ich mich nicht?

Herzen aus GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt