Phillip saß im Café und wartete. Worauf wartete er? Wahrscheinlich wusste er das selbst nicht so genau. Eine gewaltige Gewitterwolke baute sich gerade am Himmel auf und es war zu vermuten, dass der Sturm bald über die Stadt hereinbrechen würde. Die ganzen letzten Tage hatte eine ungeheure Hitze geherrscht, sodass dies unvermeidbar war. Noch war es erdrückend heiß, doch die Sonne wurde schon von der Gewitterwolke verdrängt. Er trank genüsslich die letzten Schlucke seines Cappuccinos aus und ließ den Geschmack auf der Zunge zergehen, bis er ihn herunterschluckte. Bitter und Süß, woran das viele Zucker schuld war, welches er jedes Mal im Übermaß herein schüttete. Er ließ seinen Blick auf die andere Straßenseite schweifen und musterte die Kunden des gegenüberliegenden Cafés, als er sie erblickte. Sofort erstarrte er und sein Herz schien zu flattern. Er hatte sich neulich eine Puls Messband Uhr gekauft, deren Anzeige jetzt im Sekundentakt anstieg. Seit genau drei Monaten hatte er sie sie zuletzt gesehen, doch war immer noch nicht über sie hinweg gekommen. Sie saß alleine dort und aß gerade einen großen Salatteller. Ihr kastanienbraunes Haar flatterte verspielt im Wind, was ihre unnahbare Ausstrahlung nur noch mehr verstärkte. Obwohl sie mindestens 20 Meter entfernt saß, schien es ihm, als könne er ihre geschwungenen Lippen und ihre Stupsnase genau erkennen. Ihm überkam der Mut, denn man nur nachempfinden kann, wenn man durch zu viele Filme zu glauben begonnen hatte- wie Gatsby, dass eine Frau sich zurückerobern ließ und die Vergangenheit wieder erlebbar sei. Er beschloss, die Straße zu überqueren und sein Glück zu versuchen. Vielleicht konnte er sie ja überreden, gemeinsam mit ihm essen zu gehen. Es konnte doch kein Zufall sein, dass sie sich hier einfach so trafen. Das Schicksal wollte es so. Die Schwierigkeit, dass sie dies bereits tat, ging ihm nicht mal durch den Kopf. Er bezahlte und schritt entschlossen über die Straße, ohne sich vorher umzusehen. Das Café lag an einer Ecke und wenn man von links kam, sah man die Fußgänger erst im letzten Moment. Meistens war es dann schon zu spät. Kurz bevor er mit dem Auto kollidierte, überlegte er sich amüsiert, dass das Schicksal es doch nicht so wolle. Er spürte weder schmerz noch Angst, dafür starb er zu schnell. Aber er fühlte die Leere, welche ihn erwartete. Bitter und Süß.
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Süß und Bitter
Short StoryHumorvolle Kurzgeschichte über die Eigenheit, immer etwas höheres, wie das Schicksal oder Gott für Ereignisse verantwortlich zu machen.