29. Kapitel

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Traurig betrachtete ich die soeben fertig gewordene Zeichnung vor mir, bevor ich sie auf den Stapel zu den anderen legte. Schon wieder rann eine Träne über meine Wange, welche ich jedoch sofort wieder wegwischte. Ich hatte gestern schon genug geweint, da brauchte ich jetzt nicht schon wieder damit anfangen. Fynn hatte mich gestern vollkommen aufgelöst am Schultor gefunden und nach Hause gebracht, doch seitdem hatte ich kaum mit dem Weinen aufhören können. Ich wollte auch nichts essen, sondern mich am liebsten in meinem Bett verkriechen und nie wieder das Zimmer verlassen. Fynn hatte zwar alles mögliche versucht, um mich auf andere Gedanken zu bringen, doch nichts hatte funktioniert. Es war alles einfach noch zu präsent. Selbst jetzt noch konnte ich seine Stimme hören.

"Das gestern war ein Fehler. ...
Ich empfinde nichts für dich und werde das auch niemals tun. ...
Am besten du lässt mich absofort in Ruhe."

Warum hat er mir das angetan? Ich konnte es einfach nicht verstehen. Nach dem Kuss war ich so unglaublich glücklich und auch ihm schien es gefallen zu haben. Also warum wies er mich nur einen Tag später so ab? Was hatte ich getan, dass er seine Meinung so schnell änderte? Seufzend fiel mein Blick auf den Bilderstapel. Seit ich heute morgen aufgestanden war zeichnete ich. Hunger hatte ich keinen, auch wenn ich seit gestern Morgen nichts mehr gegessen hatte. Fynn hatte uns von der Schule entschuldigt und nur einmal kurz rein geschaut, um zu sehen wie es mir geht, hatte jedoch dann behauptet zu einem Freund zu gehen, nachdem er die Zeichnungen gesehen hatte. Diese zeigten im Prinzip fast alle die selben zwei Szenen. Eine war fast dieselbe wie gestern mit dem Herz in der einen und dem Dolch in der anderen Hand. Der Unterschied jedoch bestand darin, dass der Dolch diesmal das Herz durchbohrte. Die andere zeigte ein am Boden kauerndes weinendes Mädchen, vor dem ein großer Junge stand und verachtend auf sie herabblickte. Beide Szenen drückten nur zu deutlich aus, wie ich mich fühlte. Verletzt, verraten und gedemütigt. Ich hatte Kyle mein Vertrauen geschenkt. Ich hatte ihm meinen ersten Kuss, den ich auch wollte, geschenkt. Ich hatte ihn an mich rangelassen und ihm einen Platz in meinem Herzen gegeben. Doch er hatte das alles achtlos weggeworfen, so als würde es ihm nichts bedeuten. Auch jetzt noch tat es weh, wenn ich an ihn dachte. Ich hatte Gefühle für ihn entwickelt und war so naiv gewesen zu hoffen, dass auch er etwas für mich empfand. Ich sollte doch wissen, dass man jemanden wie mich nicht lieben konnte und trotzdem hatte ich geglaubt, dass aus Kyle und mir irgendwann mehr werden könnte. Eine kleine Träne tropfte auf den Tisch. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich schon wieder angefangen hatte zu weinen. Plötzlich klopfte es an der Tür. Schnell wischte ich die Tränen weg und öffnete sie. Was wollte er denn hier?!

Vor mir stand tatsächlich Kyle! Ich wollte die Tür sofort wieder zuwerfen, doch er stellte schnell seinen Fuß dazwischen. "Bitte Ava lass mich rein. Ich weiß, dass ich riesengroßen Mist gebaut hab, aber ich kann dir das erklären. Ich versteh es auch, wenn du mir trotzdem nicht verzeihen kannst und wenn du willst, dass ich dann gehe dann werde ich dich auch in Ruhe lassen, aber bitte hör mir erstmal zu.", flehte er mich schon regelrecht an und sah mir bittend in die Augen. Dieser Blick ließ mich weich werden. Ich könnte ihm zumindest zuhören. Rauswerfen konnte ich ihn immer noch. Also öffnete ich die Tür und ließ ihn rein. "Danke." Ich setzte mich auf mein Bett und im ersten Moment wollte Kyle mir folgen, entschied sich dann aber doch für den Schreibtischstuhl, nachdem er meinen abweisenden Blick gesehen hatte. So leicht wollte ich es ihm dann doch nicht machen  Dabei fiel sein Blick auf meine Zeichnungen. Schmerz blitzte in seinen Augen auf. "Es tut mir so leid Ava, so unendlich leid.", murmelte er, bevor er wieder mich ansah. Dann herrschte eine unangenehme Stille, während er anscheinend nach Worten suchte, mit denen er anfangen konnte, doch er sagte nichts. "Du wolltest mir etwas erklären, also fang damit an oder verschwinde wieder.", half ich ihm auf die Sprünge und war selbst überrascht davon, wie kalt und gefühllos meine Stimme klang. Die Trauer und Verletztheit von vor ein paar Minuten war gänzlich verschwunden, doch gerade fand ich das nicht schlimm. "Ja... genau... also...", stotterte er vor sich hin, bevor er nochmal tief Luft holte und von vorn begann.

"Ich hab das alles nur gemacht, um dir Schmerz zu ersparen -", fing er an, doch ich unterbrach ihn sofort wieder. "Willst du mich verarschen! Du wolltest mir Schmerz ersparen?! Hast du nicht mitbekommen, wie sehr du mich mit deinen Worten verletzt hast?!", schrie ich ihn schon regelrecht an. Schmerz ersparen! Dass ich nicht lache! "Nein! So meinte ich das doch gar nicht! Ich... Du musst wissen, früher war ich ein Frauenaufreißer. Ich bin nicht stolz darauf, doch damals waren mir die Gefühle der Mädchen egal, hauptsache ich hatte meinen Spaß. Mit dem Austritt aus dem Footballteam hab ich mich aber geändert und dann kamst du. Der Kuss war wunderschön und der komplette Ausflug war einfach nur perfekt, aber ich hatte Angst, dass ich wieder in alte Muster fallen würde. Deshalb wollte ich, dass du dich von mir fernhältst, denn ich hatte gehofft, dass du jetzt noch leicht drüber hinweg kommen würdest, aber dann kam Fynn heute zu mir und erzählte mir, wie schlecht es dir geht. Es tut mir wirklich unheimlich leid Ava, dass musst du mir glauben wirklich und ich würde alles tun, um es wieder gut zu machen.", erzählte er mir und sah mich dabei hoffnungsvoll an. Konnte ich ihm das wirklich glauben? Hatte er wirklich nur Angst davor gehabt mich zu verletzen oder steckte doch etwas anderes dahinter? Aber warum sollte er sich dann wieder bei mir entschuldigen? Und sollte ich ihm überhaupt verzeihen? Ein Wort konnte schon ausreichen um Vertrauen zu zerstören und es dann wieder aufzubauen konnte Jahre dauern. Bei Kyle waren es weit mehr als nur ein Wort gewesen. Schließlich hatte ich einen Entschluss gefasst. "Beweis mir, dass du das alles ernst meinst, dann werde ich dir verzeihen."

Wie könnte Kyle ihr beweisen, dass er es ernst meint? Und findet ihr Avas entscheidung richtig?

Ich bin irgendwie unzufrieden mit dem Kapitel. Wenn euch etwas einfällt, dass ich verbessern könnte, dann schreibt es mir doch bitte, damit ich es überarbeiten kann. Hoffe es hat euch trotzdem gefallen.
Eure Lili

Ava - My life with fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt