8. Kapitel - Letzte Vorbereitungen (5)

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Ich trat weiter nach vorne und sah in den Spiegel. Mein Haar war nass und die feuchten Strähnen begannen sich in die verschiedensten Richtungen zu recken und zu biegen. Eine hatte sich auf meine Stirn gelegt und klebte dort wie zuvor durch den Schweiß. Ich strich sie aus meinem Gesicht. So verwegen das manche finden mochten, ich verlangte von meinem Haar, dass es wie alles in meinem Leben meinem Willen unterlag. Ein sauberer Mann hatte mit so einer Frisur nur aus dem Bett zu kommen, ansonsten hatte man gut frisiert zu sein.

Sich selbst in die Augen zu schauen, was für ein merkwürdiges Gefühl. Mich selbst erkannte ich nicht wirklich. Es war mehr als würde in die Augen einer Person schauen, die mir anscheinend sehr ähnlich schauen musste. Nur andere versicherten mir, dass es auch wirklich ich war, der mir in dieser Reflexion gegenüber stand. Dabei konnte sich nun eigentlich niemand sicher sein, dass es Tatsächlich ich war, dem ich in diesem Moment wirklich in die Augen sah. Sie konnten nicht durch meine Augen sehen und es wurde auch mir bereits oft genug bewiesen, dass die Selbstwahrnehmung durch das Gehirn ein ganz neues Bild erzeugen konnte. Ich stützte mich an dem Waschbecken vor mir ab und begann meinen Kopf in Richtung des Spiegels zu recken und mein Gesicht so auch genauer betrachten zu können. Mein eigener Blick begann mich zu fixieren, mich zu mustern als wäre es nötig abzuwägen ob ich für mein Vorhaben eine Bedrohung darstellte. Es war wohl niemanden möglich mich noch stärker zu verurteilen, als es dieser Blick in diesem Moment tat. Meine Reflexion kannte als diese Schwächen und die kleinen Zweifel, die mein Gewissen langsam zu sähen begann, um mich noch davon zu überzeugen, dass irgendwo tief in mir noch ein Mensch wohnte. Es waren nicht nur meine Träume, die mich nur all zu deutlich auf diese Veränderung aufmerksam machten. Da war auch dieses kleine, fast stumme Herzrassen, welches mich jedes Mal überkam wenn ich sie traf. Es war wieder dieser kleine Junge, der mit wild pochenden Herzen in der Tür stand. Ein hauch von Verliebtheit, der natürlich mit dem ersten Mal nicht mehr mithalten konnte und dennoch mich wieder ein wenig in diese Zeit zurück stieß. Bevor ich all das erkannte was nicht zu ändern war. Für mein Gewissen war das nun auch ein gefundenes Fressen. Sie packte diesen kleinen Strang an Menschlichkeit und versuchte sich daran hochzuziehen.

Die Pupillen meines Gegenübers schienen sich zu verändern je länger wir uns in die Augen sahen. Zunächst war die Veränderung nur minimal, so dass es leicht war sie auf meine Einbildung zu schieben, die mich nur dazu ermahnte weg zu sehen. Dann allerdings sah ich wie sie langsam begann zu pulsieren. Mit unseren Atemzügen begann sie sich zusammen zu ziehen, bis sie der Iris fast ganz platzt gemacht hatte, bevor sie sich langsam erneut begann sich auszudehnen und den beinahe gesamten Raum meiner Iris einzunehmen. Ich rückte noch näher an den Spiegel heran, denn ich war mir wirklich zunächst nicht sicher was ich da sah. So schob ich mein Gesicht immer weiter vor, bis sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten. Das schwarz seiner Augen schien mich einzusaugen und dahinter sah ich erneut mir selbst in die Augen. Ein kleines Kind mit schmalen Gesicht und runden Augen sah mich an. Die Augen vor Angst geweitet. Es hat im Spiegel zum ersten Mal sich selbst gesehen, doch er möchte für Mama so unbedingt ein guter Junge sein. In diesem Moment schwört er gegen sich selbst zu kämpfen. Er glaubt nicht, dass er wirklich tuen könnte was er sich da ausmalt oder was man ihn so gerne in Filmen zeigt. Mama hat ihm immer gesagt, dass er ein gutes Kind ist und auch Tiere könnte er nie einfach so umbringen. Selbst vor dem Fleischgenuss graut es ihm nun ein wenig.

Irritiert fasse ich mir selbst an mein Gesicht. Bin ich dass denn wirklich? So ein kleines Ding, fast unschuldig. Soviel Angst sehe ich ansonsten nur bei meinen kleinen Opfern, den Mädchen die es anscheinend selbst noch nicht besser wissen. Sie sehen mich immer so angsterfüllt an, wenn ihnen ihr Ende bewusst wird. Aber nein ich bin das nicht. Meine Augen trügen mich, doch meine Finger zeigen meinem Gehirn die Wahrheit. Ich spüre den leichten Bartwuchs unter meinen Fingern und die nun schon von der Zeit gezeichnete Haut. Sie ist lange nicht mehr so weich wie damals. Da sind keine Narben oder anderes unliebsames Gewebe, dennoch ist es nun mal nicht mehr die Haut eines Kindes. Es ist die eines Mannes, dem seine Sterblichkeit mehr und mehr bewusst wird.

Das Bild vor meinen Augen will nun allerdings nicht verschwinden. Der kleine Junge folgt ängstlich und dennoch fasziniert meinen Bewegungen mit seiner eigenen Hand. Er allerdings wird nur seine junge Haut spüren auf der sich, in nicht all zu ferner Zukunft, Pickel sammeln werden. Es werden wenige und dennoch wird er mit ihnen für ein paar Jahre zu kämpfen haben. Um zu sehen wie weit er bereit ist zu gehen lasse ich meine Hand etwas wandern. Von der Wange beginnt sich hinab zu rutschen zu meinem Hals. Auch hier spüre ich ein paar grobe Haare. Die ganze Hand liegt nun quer über meinem Hals und ohne groß nachzudenken scheint mir der kleine Junge zu folgen. Ich fächere meine Hand auf und lasse meine Hand beinahe meinen gesamten Hals bedecken. Es ist ein irgendwie merkwürdiges Gefühl, doch ich sperre rationale Gedanken aus. Dieses Experiment erscheint mir nun einfach zu interessant, als dass ich mich aufhalten lasse. Meine Finger beginnen langsam zu krampfen und sich immer fester um meine Atemröhre zu schließen. Der kleine Junge folgt mir. Ich kann den Griff ganz deutlich spüren, dennoch drücke ich weiter und noch fester zu. Unwillkürlich schiebt sich meine Hand noch etwas weiter nach oben und drückt gegen meinen Unterkiefer. Ich muss meinen Kopf langsam etwas nach oben recken, doch ich höre nicht auf den Druck zu verstärken. Zu groß ist die Neugier: Wie weit ist dieser Junge bereit meinem Beispiel zu folgen? Wer ist bereit zuerst aufzugeben?

Mein Körper beginnt zu zittern und ich zu japsen. Notwendige Luft beginnt immer weiter fern zu bleiben und beinahe zu spät beginne ich das zu realisieren. Meine krampfenden Finger beginnen sich plötzlich zu lösen und meinen Hals frei zu geben. Mein gesamter Rachen beginnt zu brennen als ich gierig wieder Sauerstoff in mich sauge. Ungewollt habe ich den Blickkontakt abgebrochen. Die kleinen weißen Sterne ermahnen mich zur Vorsicht. Ich starre in die Porzellanschüssel. Mein Körper scheint nicht mehr aufhören zu wollen zu zittern, als wäre jeder Ausschlag meiner Nerven nun ein lautloser Vorwurf. Wie konntest du es soweit kommen lassen? Beinahe hättest du uns umgebracht. Müde konnte ich nur lachen. Das hab ich mir mehr als nur ein paar Mal gewünscht.

Ich hebe erneut meinen Blick. Instinktiv ist mein Körper etwas zurück gewichen, als wollte er etwas Abstand zu mir selbst gewinnen. Zu diesem kleinen Jungen. Er war nun allerdings aus dem Spiegel verschwunden und erneut sah mir mein Spiegelbild entgegen, so sah ich auch die leichten roten Spuren an meinem Hals, die meine Finger dort hinterlassen hatten. Keine ernst zu nehmenden Spuren und dennoch ein wenig schockierend. Was gab dass denn nur für ein Bild? Als hätte ich in der Nacht zu wild gespielt.

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