Mittwoch, 04.10.2017

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Meine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger hat vor einigen Wochen begonnen. Bis auf zwei Personen in meiner neuen Klasse kannte ich niemanden, aber ich habe mich überraschend schnell eingelebt. Ich bin wahnsinnig froh darüber, dass die jungen Frauen in meiner Klasse sich nicht mehr pubertär verhalten, den ganzen Tag über ach so "schnuklige" Typen tratschen oder Schminktipps austauschen.

Vor zwei Wochen habe ich mich vor den ersten Mitschülern geoutet. Das waren zwei, da wir Unterricht in kleinen Gruppen haben mit Leuten aus einer Behindertenwerkstatt.
Mein Mitschüler hatte nur mit den Schultern gezuckt und meinte das wäre das Normalste auf der Welt und ich solle es bloss nicht in mich hinein fressen. Die zweite Person fand es sogar richtig toll und meinte es würde mich noch sympatischer machen. Und beide waren der Meinung, dass wir nunmal im 21. Jahrhundert leben und nicht im Mittelalter. Der Meinung bin ich selbst auch und trotzdem bereitet mir jedes Outing Herzrasen.

Letzte Woche habe ich mich dann bei einer weiteren Mitschülerin geoutet. Für sie war es ebenfalls völlig normal. Sie ist wahnsinnig nett und ich habe bei ihr das Gefühl, dass man mit ihr über alles reden kann. Vielleicht liegt es am Namen, denn sie trägt den selben Namen wie mein Freund, nur in der weiblichen Form.
Heute habe ich mit ihr gemeinsam auf ihren Bus gewartet und dabei kamen wir ins Gespräch.
Ich fand es ganz süß wie sie mich fragte ob sie mich etwas fragen könnte.
"Wie äußert sich die Transsexualität eigentlich bei dir?"
Ich wusste erst gar nicht wie ich anfangen sollte.
Ich habe ihr erklärt, dass es bei mir viel mit meinem Gefühl und meinem Kopf zu tun hat. Ich hab ihr auch gesagt, dass ich vor wenigen Jahren  -ich denke sogar es war noch letztes Jahr- starke Probleme und Abneigungen zu meinem Körper hatte und dadurch wurde meine Depression sehr stark.
Mitlerweile geht es mir aber ziemlich gut.
Ich mag meinen Körper immer noch nicht ganz, aber ich akzeptiere ihn.
Als ich ihr dann sagte, dass ich denke ich muss mein Äußeres nich meinem Inneren anpassen, weil die Leute mich auch so akzeptieren sollen, war sie sehr froh drüber, dass ich es so weit geschafft hab.
Es war wirklich ein sehr angenehmes Gespräch an diesem trüben Tag.

Aus dem Leben eines depressiven TransmannesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt