11th

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Wenn ich mich daran zurückerinnere wie ich früher war, würde ich mich als hoffnungslos naiv beschreiben. Nie habe ich etwas Böses in den Menschen um mich herum gesehen, nie kam ich auf die Idee, dass sie mir etwas Böses wollen könnten. Immer dachte ich, es gäbe für alles einen Grund. Einen Grund, den wir Menschen nur nicht erkennen konnten. Deshalb glaubte ich auch meinem Vater, glaubte an die Engel-Version meiner Geburt. Und ich glaubte daran, dass meine Mutter mich irgendwo doch liebt. 

Wie dumm ich doch gewesen war.

Alan tauchte in den nächsten Tagen nicht mehr auf, weder bei der Arbeit noch vor dem Haus. Auch von Mia fehlte jede Spur. Somit hatte mich mein gewohntes Leben wieder und ich vergeudete keinen Gedanken an die Beiden.

Vermutlich keine so gute Idee. Wer rechnete denn aber auch bitte damit, dass auf einmal ein verrückter Typ mit einem sprach, wenn man allein in der Küche stand?

Ich hatte vor zu kochen. Nicht viel, nur Nudeln und irgendeine Soße, die vermutlich nicht mal ein Sternekoch hätte einordnen können. Dabei fiel es mir schwer mich auf den Herd zu konzentrieren, meine Konzentration hatte in den letzten Tagen erheblich nachgelassen, aus mir unbekannten Gründen. Aus diesem Grund bemerkte ich auch nicht, wie sich jemand auf den Tisch setzte. Erst als er in einem unbefangenen Ton fragte, was ich denn da zusammenbrauen würde, wurde mir klar, dass ich nicht mehr allein war. >Wie bist du ins Haus gekommen?<, fragte ich, ohne auf seine zuvor gestellte Frage einzugehen oder meine Augen von den Töpfen zu nehmen. Luzifer hätte mich mit Sicherheit weggeworfen wie ein Stück Dreck, wenn ich sein Haus abfackeln würde. Und selbst den kurzen Moment des Schmerzes, der mich befallen hätte, bevor ich mich umbringen könnte, wäre bereits zu viel gewesen.

>Ach, ich hab da so meine Methoden. Ein Schloss zu knacken ist nicht gerade schwer. Also, was kochst du da?< In Gedanken machte ich mir eine Notiz, ein zusätzliches Sicherheitsschloss einzubauen. Ich konnte nämlich darauf verzichten, dass Alan auf Luzifer traf, sollte der in den nächsten Tagen auftauchen. Blut war echt schwer aus Klamotten raus zu bekommen und auf Luzifers Launen, die schlimmer als bei einer Schwangeren waren, wenn man zu sehr reizte, waren auch nicht gerade etwas, was ich haben musste. Er vergaß dabei nämlich gerne, dass er seine eigene Wut dazu benutzte, um in mir einige Emotionen wach zu rufen, die ich definitiv nicht brauchte. 

>Nichts besonderes. Und angehen tut es dich auch nichts< Welcher Trottel hatte den Menschen eigentlich sowas wie Neugier gegeben? Sie war einfach zu nichts nutze, außer einen in Schwierigkeiten zu bringen oder anderen damit auf die Nerven zu gehen. Ich war mir sicher, Neugier hatte bereits mehr Menschen verletzt als Waffen. Tiere waren da klüger. Ab einem gewissen Alter waren zumindest diejenigen, die nicht in Gefangenschaft lebten, so intelligent vor allem, was auch nur entfernt gefährlich schien, wegzulaufen. Wer auch immer der Meinung gewesen war, Menschen bräuchten Neugier in ihrem Leben, musste diese Spezies wirklich hassen. Oder er war ein Sadist, der gerne mit ansah wie man sich selbst ins Verderben stürzte.

>Nett wie immer< Keine Ahnung, ob das geplant war, aber ich hörte nur zu deutlich seinen spöttischen Unterton in diesen Worten. Wahrscheinlich hatte er dabei ein sarkastisches Lächeln im Gesicht, so wie ich ihn einschätzte. 

>Ich habe es dir schon einmal gesagt: Wenn es dir nicht passt, kannst du gehen. Ich gehe mal davon aus, du weißt, wo die Tür ist< Die einzige Antwort, die ich bekam, war ein Seufzen. Danach war es so still in der Küche, dass man hätte meinen können, er wäre genauso leise gegangen wie er gekommen war, doch ich wusste einfach, dass er noch immer auf den Tisch hockte und mir zusah. Offenbar hatte er nun die Taktik gewechselt. Anstatt mich zu bedrohen oder erpressen zu wollen, baute er nun wahrscheinlich darauf, ich würde ihm das, was er wissen wollte, schon noch mitteilen, auf die eine oder andere Art. Ich an seiner Stelle hatte es zumindest früher so getan. Mein Opfer beobachten und analysieren, vielleicht sogar dessen Vertrauen gewinnen, um an die Informationen zu kommen, die ich brauchte. Nichts anderes hatte er nun im Sinn. Da war ich mir sicher.

Als die Nudeln fertig und abgegossen waren, packte ich mir eine Portion auf den Teller und kippte mehrere Kellen mit Soße darauf, bevor ich mich mit dem Essen in der einen und Besteck in der anderen Hand in Richtung des Wohnzimmers aufmachte. Alan sah ich dabei nur aus den Augenwinkeln, beachtete allerdings weder seinen Blick, der mir folgte, noch seine Körperhaltung, die pure Neugier ausstrahlte. Ich kannte dieses Verhalten von Hunden und wusste deshalb, dass er nur versuchte meine Aufmerksamkeit zu erregen, damit ich ihn ansah, Augenkontakt herstellte. Dadurch würde er in seinem Tun nur noch bestärkt werden. Deshalb ignorierte ich seine bloße Anwesenheit selbst dann, als er sich zu mir auf die Coach gesellte. Ein Hund würde dadurch irgendwann verstehen, dass er so nicht das bekommen würde, was er wollte und schlussendlich aufgeben. Und wer sagt denn, man könne manche Verhaltensweisen von irgendwelchen Kötern nicht auf irgendwelche Kerle reflektieren? 

>Du bist nicht gerade gesprächig, was?< Seine Stimme war direkt neben mir, neben meinem Ohr, doch ich zuckte mit keiner Wimper. Als hätte ich die Ruhe selbst erfunden nahm ich mir die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher an. Kaum war das schwarze Bild verschwunden, sprang auch schon irgendein Kinderfilm an, den ich irgendwann mal, als ich klein war, abgöttisch geliebt hatte. Mittlerweile konnte ich mich nicht einmal mehr an den Titel erinnern. Im Gegensatz zu Alan neben mir. >Boah, lass mal an. Der Film ist richtig gut, hab ihn schon an die zwanzig Mal gesehen und es wird einfach nicht langweilig. Wie dieses Mädchen Chihiro alles daran setzt ihre Eltern zu befreien, ist einfach ergreifend. Ganz zu schweigen von den ganzen Kreaturen, auch wenn ich zugeben muss, solche noch nie gesehen zu haben. Witzig wäre es aber schon, wenn es sie gäbe. Besonders diese Rußmännchen. Auch wenn ich sagen muss, dass sie die Hexe ruhig böser hätten darstellen können, weißt du, was ich meine? Oh und das Blut ist zu unecht, ist aber ja auch ein Kinderfilm, da kann man ja nicht erwarten, dass sie Wunden und ähnliches wirklich so darstellen wie in der Realität. Hast du Popcorn da?< Genau das war der Moment, in dem mir genau zwei Sachen klar wurden. Erstens, dass Alan offensichtlich in jeglicher Hinsicht gefährlicher war, als ich angenommen hatte, wenn er Kinderfilme guckt und gleichzeitig noch damit drohen konnte, jemanden umzubringen. Und zweitens, dass er viel, sehr viel verrückter war, als ich gedacht hatte.

Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt