Immer da

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Ich kann sie durch das Dachfenster in ihrem Zimmer sitzen sehen. Klein und kaum erkennbar sitzt sie da. Beleuchtet und flackernd im Kerzenschein, in der hintersten Ecke des dunklen Raumes. Einsam sitzt sie da, mit dem Rücken gegen den harten Heizkörper gelehnt, die Knie furchtbar eng an den Oberkörper gezogen, mit ganzer Kraft versucht sie sie festzuhalten; sich an sich selbst zu klammern. Ich kann sie zittern sehen, das leise Schluchzen hören. Sie sitzt einfach nur da, hält immer wieder sekundenlang die Lluft an, um so stumm wie möglich zu weinen. Die Tränen laufen in Flüssen an ihren eingefallenen Wangen hinab und landen auf den nackten Knien. Stunde um Stunde bleibt sie bewegungslos genau dort sitzen, nur ein leise Rascheln vom Stoff, wenn sie stoßartig so leise wie möglich ein und ausatmet. Doch von einer Sekunde auf die Nächste beginnt das Zittern auszuarten, gar zu explodieren. Es ist nicht mehr die Kälte, die sie schaudern lässt, dass kann ich von hier draußen erkennen. Sie springt auf, wankt, stützt sich ab und läuft zum Schrank. Tabletten, Klinge, Zigaretten, Jacke, Schuhe. In einer wahnsinnigen Geschwindigkeit greift sie zu und verschwindet . Weg.

Ich starre immer noch wie gebannt durch ihr Dachfenster, versuche zwanghaft mehr Helligkeit scheinen zu lassen. Vergeblich. Ich schaue mich in der eisigen Nacht um. Es ist still, es ist verlassen, sie ist in der Dunkelheit verschwunden. Versunken.


The Fear Of Being ForgottenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt