Gespräch

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Diese Welt um mich ist inzwischen ein stilles Schreien geworden. Ich sitze in meinem Zimmer und weiß, dass es selbstsüchtig ist nicht heute Nacht schon meinen Superheldenumhang umzulegen und der Wehrlosen stumme Schreie sichtbar zu machen. Meine Angst geht Hand in Hand mit Bequemlichkeit und Ignoranz. Wie kann ich eine Welt erschaffen, in der ich leben will, wenn ich die Probleme so lange ausblende, bis sie mir persönlich Ärger bringen? Wie kann ich Gerechtigkeit schaffen, wenn ich mich nur frage, wo alle sind, wenn ich selbst Hilfe brauche, nicht aber wage, meinen Ruf und meine Bekanntschaften zu riskieren, wenn eben diese sich unbewusst in Gefahr begeben und ich meine Hilfe anbieten kann? Alles wird privat gehalten, Beziehungen, Arbeitsverhältnisse, die Scham ist der größte Feind, der die schamlosen Tyrannen siegen lässt. Schamvoll tun sie – alles muss geheim gehalten werden! - so vertraut, beschämen mich: „Erzähl's keinem!" Damit ich weiter nutzen kann, benutzen kann, dich manipulierbar mache, Schritt für Schritt. In Worten trage ich dir alles vor, von dem ich höchstwahrscheinlich sagen kann, dass du es dir wünscht und hoffe, dass du meine gefälschte Intention dahinter nicht bemerkst.                         

„Ich benutze Bitch normalerweise nicht in dieser Verwendung, aber dieses Mädchen..."

(Ich muss das sagen, um dich zu beeindrucken.)

 „Das war doch witzig."

„Was denn?! Ist doch lustig."

  „Oh Entschuldigung."

 „Oh Entschuldigung."

 „Oh Entschuldigung."

                                                                                                                                                                                                                                                                                   „Du bist verrückt." (Anfangs werde ich es positiv betonen, wie du es tust, bis sich dein Ton unmerklich meinem abwertenden Ton anpassen wird.)

„Maaaan." (Hab dich nicht so.)

„Na toll." (Jetzt funktioniert du schon wieder nicht.)

 „Meine Exfreundin hat mir vorgeworfen, sie missbraucht zu haben, diese Bitch." (Ich presse jetzt mal ein paar Tränen, um dein Mitleid zu erregen.) 

 „Meine Ex meinte, ich sei die Frau in der Beziehung." (Bestätige mein Ego, ich brauche das. Degradiere dich unmerklich selbst, in dem du mir die Position als Mann, wertvoller als Frau, zusprichst.)

„Ach, das ist nur so Mittelmaß." (Sag mir, dass mein Penis groß ist, mit dem ich wieder und wieder dein Gesicht bedränge.)

„Oh Entschuldigung. Haha."

„Haha Entschuldigung."

 „Haha ist doch witzig."

 Ich mache alles, so wie du es am allerwenigsten willst. Natürlich habe ich Verständnis für dein Nein und deine Wünsche nach Zärtlichkeit. Ich respektiere sie lediglich nicht. Ich bin mir wichtiger. Meine Versprechungen sind leer. Beabsichtigt. Ich stecke dir meine Zunge wieder und wieder bis tief in den Rachen, so wie sie es in den Pornofilmen machen.

„Warum küsst du so anders?" Warum glaubst du hätte es einen Wert, dass dir die anderen Männer gesagt haben, dass du eine gute Küsserin bist? Mir geht es um Dominanz, nicht um Liebesgefälligkeiten. Ach du bist so naiv, so jungfräulich, so jung, so unerfahren, hältst Angstlust für Erotik. Schritt für Schritt forme ich aus deinem unerträglichen schönen Bild meine Medusa. Kein Mann wird dich mehr anblicken, ohne zu erstarren.

Ich weiß, wofür sie dich halten, dich wird niemand retten. Ich selbst habe für deinen Ruf gesorgt.

Irgendwann kommt der Tag, da ist alles gegen dich verwendet.

Die Wahrheit rinnt über meine Lippen, Gift spuckt meine Erkenntnis, Feuer meine Wut.

Aber ich weiß jetzt: keine Frau wählt dieses Schicksal, du Missetäter.

Ich bin deiner Gewalt entronnen und sehe nun auch die Gewalt der anderen. In der Vergangenheit und der Zukunft, meine Wut ist kein blindes Tier mehr. Ich kann den Feind nun sehen.

Ein Auge prangt auf meinem Superheldenumhang, denn ich sehe die helllichten Schreie aus den Abgründen aufsteigen, sehe durch den Deckmantel des Feindes und auf die Wehrlosen. Ich lache und Schreie, mache Krach und öffne meinen Mund, denn mein Hilferuf und Kampfschrei füllt die eiserne Stille um mich und all die schweigende Mehrheit, die in einem tödlichen Seufzer aus Stille im Rachen des Feindes untergeht.


The Fear Of Being ForgottenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt