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Meine Ohren lauschten dem Gespräch meiner zwei besten Freunde, die neben mir standen. Sie redeten darüber wie froh sie doch waren hier sein zu dürfen. Sie lachten und unterhielten sich angeregt. Und ich stand hier neben ihnen und warte darauf, dass ich mich einfach hinsetzten konnte. Ich wollte nicht dort sein, aber ich musste. Ich hatte keine Wahl.
«Hey Manu, alles ok bei dir?», riss Zombey mich aus meinen Gedanken. Überfordert sah ich ihn an und schüttle erst meinen Kopf, um dann zu nicken und ihn wieder zu schütteln. «Was willst du uns damit mitteilen?», kicherte nun Maudado. Meine zwei besten Freunde sahen mich belustigt, aber auch besorgt an. Ihnen war bewusst, dass irgendwas nicht stimmte. «Ach, keine Ahnung... Ich glaube, ich habe nur Angst, dass sich durch das hier irgendwas in unserer Freundschaft verändert», log ich ihnen eiskalt ins Gesicht. Nervös sah ich über die Menge hinweg, um ihnen bloß nicht in die Augen sehen zu müssen. Das würden sie mir niemals abnehmen. Doch zu meiner Überraschung legte Zombey einen Arm um meine Schulter und drückte mich an sich. «Nichts wird sich ändern, glaub' mir Manu.» Diese Worte sollten eine Aufmunternde Wirkung haben, doch sie verfehlten knapp das Ziel. Ich nickte einfach nur, damit meine Unsicherheit nicht auffiel. Anscheinend zeigte dies Wirkung, denn der Mann löste sich von mir. Ohne noch einmal auf mich zu achten vertieften die beiden sich in ein Gespräch über die neuste Playstation, die im kommenden Monat erscheinen würde. Nach wenigen Minuten verstummten sie allerdings wieder. Da war sie, die Braut. Sie wurde an der Hand ihres Vaters zum Altar geführt. Wie sehr ich diese Frau hasste. Marie war eine Freundin, die ich schon seit dem Kindergarten kannte. Patrick und sie hatten sich auf meinem Geburtstag vor sechs Jahren kennen und leider auch lieben gelernt. Ausgerechnet an meinem Geburtstag. Ich hätte einfach einen von den beiden nicht einladen sollen, dann wäre jetzt vielleicht alles anders. An diesem Wochenende war Patrick das erste Mal bei mir gewesen und eigentlich wollten wir die Tage gemeinsam genießen. Ich hatte zwei wundervolle Tage geplant. Einen im Movie Park und einen in einem Freibad. Doch noch bevor ich ihm von diesen Ideen erzählen konnte, verkündete er mir, dass er sich mit Marie treffen würde und wir ja noch den übernächsten Tag hätten. Na ja, den hatten wir dann auch nicht. Er musste doch unbedingt mit Marie in den Movie Park fahren und hatte mich noch nicht einmal gefragt, ob ich gerne mitkommen würde. Dieses Wochenende hätte das beste in meinem ganzen Leben werden sollen, doch es wurde das beinahe schlimmste. Schlimmer war nur der Tag, an dem die beiden mit glücklich von ihrer Beziehung erzählten und der heutige. Heute fand ihre Hochzeit statt.
Zombey neben mir riss mich erneut aus meinen Gedanken, in dem er mich anstupste und nach vorne deutete, anscheinend damit ich auch alles mitbekam. Gezwungener Maßen folgte ich nun wieder dem Geschehen. Das Brautpaar hatte sich gerade begrüßt und sie standen nun vor dem Standesbeamten, der die beiden trauen sollte. Dieser redete erst irgendetwas, bis er Patrick dazu aufforderte sein Gelübde vorzulesen. Vor diesem Moment hatte ich besonders Angst, da ich mir anhören musste, wie sehr er Marie doch liebte. Es war totenstill bis Patrick sich räusperte und anfing vorzulesen: «Geliebte Marie, vor über sechs Jahren haben wir uns kennen gelernt. Auf dem Geburtstag meines besten Freundes. Manu.» Ich erstarrte. Warum musste er das unbedingt erwähnen? Alle anwesenden Leute drehten sich bei seinen Worten zu mir und dort viel irgendwas in mir. Ein Schwall stummer Tränen floss über meine Wangen und tropfte auf mein Hemd, das ich extra für den heutigen Tag gekauft hatte. «Och, Manu. Sei nicht so süß, wir heiraten nur», lachte Patrick noch, bevor er sich wieder seinem Taxt widmete. Zombey neben mir strich mir beruhigend über den Arm. Zum Glück dachten alle ich würde aus reiner Rührung weinen. «Also, dort hatten wir uns das erste Mal getroffen und als ich dich dort sah, mit dem Schnurbart auf deiner Oberlippe geklebt, da wusste ich, dass ich dich irgendwann einmal heiraten würde. Und so ist es jetzt ja auch gekommen. Du weißt, ich bin kein Mensch der großen Worte, aber ich liebe dich über alles auf der Welt und möchte dich nie wieder missen.» Dort endete sein Gelübde und mein Aufenthalt in diesem Raum. Überstürzt verließ ich ihn. Es war mir egal, dass alle mich ansahen. Ich wollte nur weg. Weit weg und nie mehr wiederkommen. Ich rannte so schnell wie mich meine Beine tragen konnten. Nach zehn Minuten blieb ich an einer vereinsamten Bushaltestelle stehen und ließ mich dort nieder. Das war nicht der Plan gewesen. Ich hätte wenigsten so tun können als würde ich mich für die beiden freuen. Doch es war zu schwer gewesen. Alleine die Tatsache, dass Patrick so froh über diesen Geburtstag war, während ich ihn am liebsten einfach löschen würde. Traurig ließ ich mein Gesicht in meinen Händen verschwinden. Warum musste ich auch hingehen? Ich hätte doch einfach sagen können, dass ich dort Urlaub gebucht hatte oder so. Ein weiterer Heulkrampf schüttelte mich. Warum musste alles so kommen wie es gekommen war? Plötzlich spürte ich einen leichten Druck auf meiner Schulter. Erschrocken blickte ich auf und sah genau in das Gesicht Zombeys. «Manu, was ist los? Sollen wir wieder zurückgehen?», fragte er fürsorglich. Ich schüttelte bloß mit meinem Kopf. Ich wollte gerade überall sein, aber nicht auf der Hochzeit. Mein bester Freund sah mich besorgt von der Seite an. «Manu, kann es sein, dass du nicht geweint hast, weil du das besonders schön fandest?» Peinlich berührt sag ich auf den Boden. Er wusste es. «Sag mal, bist du in Marie verliebt?», fragte er überstürzt. Sollte ich jetzt alle Karten offenlegen oder ihn einfach in diesem Glauben lassen. Wobei, jetzt war eh schon alles zerstört. Dieses kleine Detail machte den Braten auch nicht mehr dick. Zögerlich schüttelte ich den Kopf und sah ihn an. Er erwiderte den Blick erst fragend, doch dann konnte man sehen wie es klick machte. «Ach du scheiße, es ist Palle. Hab' ich recht? Seit wann schon?» Leise murmelte ich die Zahl: «Acht Jahre.» Irgendwie hoffte ich noch, dass er mich nicht verstanden hatte, doch das entsetzte Geräusch, das seine Kehle verließ, deutete auf etwas anderes hin. «Du... warum hast du nie etwas erzählt? Du hättest doch immer zu mir kommen können oder zu Maudado.» «Ich wollte eigentlich in Ehre sterben. Das sollte für immer mein Geheimnis bleiben», antwortete ich schlicht. «Aber du wärst doch irgendwann daran zerbrochen», sein Blick zeigte sein Unverständnis. «Glaub mir, Zombey, stille Schmerzen sind besser als laute.»

Quiet tears | OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt