Vor dem Einschlafen liege ich oft, wie viele Menschen, noch lange wach und denke nach.
Und immer wenn ich das tue wird mir schmerzlich bewusst, wie einsam ich doch in Wahrheit bin. Dann liege ich da, denke an Sie, die, die ich liebe, denke daran, dass Sie mich nicht liebt und fühle ich mich allein. Ich neige dazu, mich selbst dafür zu bedauern, doch das ändert nichts. Wie oft habe ich es versucht...
Also schlafe ich ohne Sie, allein in meinem Bett. Ich lege mich ganz gerade auf den Rücken und schließe die Augen. Während ich liege, fühle ich, wie eine angespitzte eiserne Stange sich von hinten durch meinen Rücken bohrt. Ganz langsam, erst die Spitze auf meiner Haut, die mich erstechen wird. Ich fühle schon, wie sie in mich eindringt. Alles geschieht in einem langsamen und beruhigenden Tempo, dass ich mich dabei vollkommen entspannen kann.
Nach einer Weile tritt die Stange wieder aus der anderen Seite meines Körpers aus, bewegt sich danach noch so lange weiter, bis mein Körper gleichmäßig von ihr durchdrungen ist.
Nach diesem sonderbaren Vorgang frage ich mich immer, warum die Stange nie mein Herz trifft, sondern immer einige Zentimeter daran vorbeigeht. Die Antwort scheint mir fast offensichtlich. Mein Herz ist müde geworden und von den letzten Jahren so sehr geschunden, dass sich nicht einmal die Eisenstange noch die Mühe macht, es zu durchbohren.
Und wenn mich danach einer fragt, ob jener Prozess wohl schmerzen würde, so kann ich ihm keine Antwort darauf geben. Was weiß denn der Körper auch von Schmerzen, fragt dann die Liebe und lacht ihn aus, um nicht selbst zu weinen.
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Vor dem Einschlafen
Short StoryEine Kurzgeschichte über das den Prozess den man erfährt, wenn man gezwungen ist, allein einzuschlafen. (Inhalte können verstörend wirken, Leseempfehlung ab 16 Jahren)