KAPITEL 4 - GEBURTSTAG

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Heute ist mein Geburtstag - und leider auch der große Abend. Ich bin mir nicht sicher, ob das gut oder schlecht sein soll. Ich werde ja sehen. Wahrscheinlich wird niemand an meinen Geburtstag denken. Aber heute wird das Problem um Fairy auch gelöst, da ich wirklich mit ihr vereinbart habe, dass sie heute Abend pünktlich zu Beginn des Abends kommt - um 20:00 Uhr. Ich stehe auf und strecke mich. Ich habe gestern noch eine e-mail erhalten, dass die Schule für unsere Klasse heute wieder ausfallen wird, aus welchem Grund auch immer. Gut für mich. Ich gehe noch im Schlafanzug in die Küche, wo mich meine Familie schon freudestrahlend erwartet und schief "Happy Birthday" anstimmen. Ich lächele matt in die Runde und puste die Kerzen vom großen Kuchen auf dem Tisch aus. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es erst sieben ist, meine Schwester muss also noch nicht in die Schule. Wieso stehe ich eigentlich so früh auf? "Machst du dein Geschenk auf?", fragt meine Mutter und deutet auf ein großes Päckchen, was feinsäuberlich in Geschenkpapier eingewickelt ist. Ich nicke und mache das Paket auf. Drinnen befindet sich ein himmelblaues Kleid, oben mit ein paar glitzernden Steinchen geschmückt. Ich nehme es fassungslos heraus und halte es vor mich. Es ist fast bodenlang. "Gefällt es dir?", fragt meine Mutter und ich nicke. "Danke!", platze ich heraus und umarme erst meine Mutter, dann meinen Vater. Das Kleid ist wirklich wunderschön. Meine Schwester meldet sich zu Wort. "Äh, ich muss jetzt gehen, schönen Geburtstag noch" Und schon ist sie verschwunden. 


Den Tag verbringen wir mehr oder weniger damit, Filme zu gucken. Mein Vater ist zur Arbeit verschwunden und deswegen kann ich den Tag allein mit meiner Mutter verbringen und dabei Filme gucken. Nach dem vierten Film fange ich an, mich für den großen Abend fertig zu machen. Es ist noch zwei Stunden zu früh, aber ich will keinen Stress haben. 


Ich brauche tatsächlich anderthalb Stunden, um mich fertig zu machen. Als ich endlich im Auto meine Mutter sitze, mit einer dünnen Weste über dem blauen Kleid, ordentlich gemachten Haaren und zum Glück bequemen und trotzdem ordentlichen Schuhen, wie meine Mutter sie nennt, atme ich erstmal durch. Ich bin gespannt wie die anderen drauf sind, wo sie ja immer noch in dem Glauben sind, dass Fairy nicht mehr lebt. Als wir aber ankommen sehe ich meine Klasse allerdings tatsächlich in eine fröhliche Unterhaltung verwickelt. Sie haben sich alle wirklich schick gemacht und nicken nur, als ich mich zu ihnen geselle. Sie haben wohl wirklich meinen Geburtstag vergessen. Ich runzele beleidigt die Stirn und sehe mich nach Louise um. Ich sehe sie tatsächlich, allerdings nicht allein, sondern wieder zusammen mit der blöden Zicke von gestern. Dann warte ich eben auf Fairy. Trotzig stelle ich mich in eine Ecke und warte. Es ist 10 Minuten vor acht, da sehe ich Fairy tatsächlich vorsichtig hinter einer Ecke hervorgucken. Sie hat wirklich ein Kleid an, zwar kein besonders eindrucksvolles (es ist ein einfaches schwarzes Sommerkleid), aber ich frage mich trotzdem woher sie es hat. Ich komme fröhlich auf sie zugelaufen. "Fairy!", rufe ich fröhlich. "Woher hast du das Kleid?" Sie umarmt mich überraschender Weise erst und ich halte verwundert inne. "Alles Gute zum Geburtstag!", strahlt sie. Wenigstens Fairy hat daran gedacht. Ich sehe einige Leute tuscheln und verwundert auf Fairy zeigen. Sie wirkt tatsächlich verletzt als sie die Reaktion der anderen sieht. Lea löst sich langsam von den anderen. "Fairy?", fragt sie, sie wirkt verwundert. Fairy nickt. "Es war alles ein Irrtum. Ich lebe" Alle sind mittlerweile verstummt und starren sie entgeistert an. Ich fange an zu zählen, und wie auf Kommando fangen bei drei alle an zu Jubeln und einige laufen tatsächlich auf Fairy zu um sie zu umarmen. Am großen Abend sind nie irgendwelche Lehrer da, das organisieren alles allein die Schüler, also werden sie alle wohl noch etwas warten müssen bis sie es erfahren. "Und, woher hast du jetzt das Kleid?", flüstere ich Fairy nochmal zu. Sie flüstert zurück. "Ich war kurz nochmal zu Hause. Meinen Eltern hallo sagen" Sie zwinkert mir zu und ich fange an zu grinsen. Der Raum ist mittlerweile voller geworden. Ein hohes Piepsen ertönt, kurz, aber laut, und alle verstummen und sehen in die Richtung, von der das Piepsen kommt. Der Schülersprecher Benjamin Lorsan steht vorne und lächelt in die Runde. Er braucht kein Mikrofon, denn es ist still genug. "Ich weiß, das ganze große Gerede ist langweilig. Also sage ich nur eins: Lasst den großen Abend beginnen!" Es wird dunkel und die Partylichter gehen an, dann kommt Musik und viele fangen an zu tanzen. Ich setze mich mit Fairy an die Bar und wir bestellen erstmal einen Cocktail. "Ganz schön laut", rufe ich Fairy zu und sie nickt grinsend. "Magst du nicht tanzen?", ruft sie zurück. Ich zucke mit den Schultern. Allein macht das ja nicht wirklich Spaß. Sie springt auf und fuchtelt komisch mit ihrer Hand vor mir hin und her. "Na komm, das macht bestimmt Spaß!" Das erste Lied ist inzwischen vorbei, aber nun ertönt das zweite und irgendwie bekomme ich jetzt wirklich Lust zu tanzen. Und mit der Zeit komme ich richtig rein, mit Fairy macht es wirklich unglaublichen Spaß. Mittlerweile haben wir einen Kreis gebildet und hüpfen jetzt alle auf der Stelle während wir dabei klatschen, in der Mitte Louise, wie sie mit Max eine wirklich coole Show vorführt. Ein komisches Gefühl schleicht sich in meine Magengegend, als ich die beiden so fröhlich miteinander tanzen sehe. Es macht mir irgendwie etwas aus, dass Louise mit einem Jungen tanzt. Ich fühle mich so irgendwie ein bisschen... hintergangen. Louise und Max gesellen sich wieder zu uns anderen in den Kreis und die anderen fangen an Fairys Namen zu rufen. Und das muntert mich augenblicklich wieder auf und fange auch an ihren Namen zu rufen und stupse sie an. "Na los Fairy!", lache ich. Sie sieht mich mit ernstem Gesichtsausdruck an und fängt dann an zu lachen, sie zieht mich an der Hand mit in den Kreis und überrascht stolpere ich ihr hinterher. Einen Rückzieher kann ich jetzt nicht mehr machen, die Menge sieht mich erwartungsvoll an. Ich bekomme ein flaues Gefühl in der Magengegend, aber Fairy packt mich schon an den Händen, und irgendwie versteht sie wirklich was vom tanzen, denn sie macht irgendetwas mit mir, sodass ich richtig anfange zu tanzen und die anderen im Kreis begeistert anfangen zu jubeln. Das was ich hier gerade mache, ist wirklich irgendwie cool! Ich bekomme so langsam richtig Spaß an dem ganzen und jubele jetzt mit den anderen, es fühlt sich zum ersten Mal ein bisschen so an wie eine große Gemeinschaft! Fairy gesellt sich wieder zu den anderen und ich habe das jetzt eigentlich auch vor, aber ehe ich mich versehe packt mich schon jemand anderes an der Hand. Ich habe gar nicht gemerkt dass sich noch jemand in die Mitte des Kreises gesellt hat! Ich fahre erschrocken herum - bei dem wenigen Licht kann ich nicht genau erkennen wer das ist, aber es ist eindeutig ein Junge. Ein Junge, der mich gerade an der Hand gepackt hat um mit mir zu tanzen! Seine Augen funkeln, das kann ich auch bei dem schwachen Licht genau erkennen. Und ich höre die Stimmen der anderen, die jetzt wieder in dieses Namenrufen verfallen. "Jaa, los Tino! Tino, Tino, Tino!" Ich kenne keinen Tino. Ich denke aber nicht weiter nach, denn Tino packt mich auch schon an der anderen Hand und ich mache mit, denn irgendwie macht es Spaß. Wir machen nichts besonderes, hüpfen einfach nur im Kreis, aber seltsamer Weise lachen und jubeln die anderen uns zu. Ich grinse und ich sehe auch auf Tinos Gesicht ein Lächeln. Wir treten schließlich auch wieder in den Kreis, doch nun ist das Lied wieder zu Ende. Wieder dieser Piepton. Es ist leise. Benjamin schaut in die Runde. "Für dieses Jahr... haben wir uns wieder etwas neues ausgedacht. Wir werden euch jetzt - wenn ihr es nicht schon könnt - den Walzer beibringen" Ein aufgeregtes Flüstern geht durch die Runde und ich weiß nicht was ich von dieser Idee halten soll. "Alle Jungs kommen bitte hier auf die Seite und die Mädels hierher." Erst tut sich gar nichts in der Menge, wir stehen immer noch in diesem großen Kreis. Aber dann setzt sich Bewegung in die Menge und ich begebe mich mit Fairy auf die Seite der Mädchen. "So, zuerst stelle ich unseren Tanzleiter vor: der bin nämlich ich!" Wir klatschten und einige jubelten Benjamin zu, dann kam er in die Mitte der beiden Gruppen. "Zuerst die Mädchen. Ich stelle mich mit dem Rücken zu euch und ihr macht die Tanzschritte nach." Ich sehe aufmerksam auf Benjamins Hinterkopf. "Die Jungs machen das ganze übrigens genau andersrum. Versucht es mal. Sooo, für die Mädchen. Mit dem linken Fuß ein Schritt nach hinten, mit dem rechten ein Schritt nach hinten, mit dem linken Fuß neben den rechten. Und wieder anders herum. Linker Fuß nach vorne, rechter Fuß nach vorne, linker neben rechten." Kunstvoll vollführt uns Benjamin die Tanzschritte und ich muss leicht schmunzeln. Aber ich mache ihm zusammen mit den anderen Mädchen nach während er den Tanz mit den Jungs einstudiert. "Und jetzt", fährt Benjamin fort, "Werden wir das ganze paarweise üben. Die Jungs dürfen die Mädchen auffordern" Einige Mädchen kichern, einige lächeln zufrieden und andere reißen entgeistert die Augen auf. Ich bleibe still stehen. Bei den Jungs ist die Reaktion ähnlich. Einige Paare sind schon klar, einige der Jungs müssen die Mädchen noch nicht einmal auffordern, sie kommen einfach zu ihnen. Ich bleibe stehen und sehe zu, wie sich immer mehr Paare finden. Ich schiele so unauffällig wie möglich zu Louise hinüber. Max fordert sie tatsächlich auf und sie nimmt kichernd seine Hand entgegen. Ich verschränke die Arme und warte ungeduldig ab. Ich sehe mich nach übrigen Jungs um, aber da ist niemand mehr. War ja klar dass mich niemand fragt. Ich habe gar nicht auf Fairy geachtet, sehe mich jetzt aber nach ihr um. Ich finde sie tatsächlich neben einem Jungen den ich nicht kenne und lächele ihr leicht zu. Die Musik fängt an zu spielen und die Paare setzen sich in Bewegung. Ich will raus an die frische Luft und verlasse so unauffällig wie möglich den Raum. Ich schleiche mich die Flure entlang und verlasse das Gebäude. Draußen setze ich mich auf eine freie Bank und beobachte die Blätter eines Baumes, die im Wind wehen. Ich sitze hier einige Minuten lang und spüre plötzlich eine Hand auf meine Schulter. Erschrocken fahre ich herum. Ich kann in der laternenbeleuchteten Nacht nicht gleich auf den ersten Blick jemanden erkennen, sehe dann aber einen Jungen. "Darf ich mich zu dir setzen?", fragt er und ich nicke überrascht. "Warum bist du nicht drinnen beim Walzer?", frage ich. "Das gleiche könnte ich dich fragen", antwortet er schmunzelnd. "Ist die Nacht nicht schön? So still... und frisch" Ich glaube, dass er die Augen schließt, so genau kann ich es aber nicht erkennen. Er mustert mein Kleid. "Ich hab doch vorhin im Kreis mit dir getanzt", stellt er fest. Ach ja? Hat er das? "Du bist Tino?", frage ich deswegen. Er nickt. "Und du bist...?" Ich lächele matt. Vielleicht kann ich ihm einen falschen Namen sagen. Einen, der schöner klingt als Jocelin und sich nicht so kitschig anhört wie Jooky. "Hm...", gebe ich nur von mir. Tino schmunzelt. "Okay. Freut mich dich kennen zu lernen Hm." Darauf erwidere ich nichts. Soll er mich doch so nennen. Ich sehe auf meine Uhr, es ist erst halb zehn. "Wollen wir wieder reingehen?", frage ich. "Also ich finde es ganz schön hier draußen. Du nicht?" "Hm...", sage ich wieder nur. 

"Kannst du eigentlich nichts anderes sagen?"

 "Doch, bestimmt" 

"Okay. Wie heißt du nun?"

"Warum ist das wichtig? Ich werde wohl in Zukunft nichts mit dir zu tun haben..."

"Wer weiß."

"Jooky"

"Was?"

"Ich heiße Jooky"

"Ist das nicht irgendein... Spitzname oder so?"

"Doch."

Schweigen. "Warum bist du nun nicht drinnen und tanzt mit irgendeinem hübschen Mädchen?", frage ich deswegen. "Warum sollte ich? Ich meine, nur weil ein Mädchen hübsch ist muss ich doch nicht mit ihm tanzen" Ich ziehe die Augenbrauen hoch. "So?", frage ich. Er lacht. "Was denkst du denn? Jedenfalls hab ich keine Freundin mit der ich tanzen könnte, also tanze ich nicht. Was ist denn mit dir?" Ich überlege kurz bevor ich antworte. "Mich hat niemand aufgefordert. Also bin ich raus gegangen. Weißt du, ich tanze ungern mit Mädchen." Ich fand das eigentlich gar nicht komisch, aber Tino schmunzelt nur wieder. "Was ist daran so komisch?" "Eigentlich nichts...", sagt er. "Okay. ich glaube ich gehe wieder rein. Der Walzer sollte vorbei sein, denke ich mal." Tino nickt und steht auf und gemeinsam schlendern wir den Weg entlang. Als wir die Tür erreichen, fällt mir noch was ein, und ich weiß selbst nicht wieso ich es sage. "Ach, Tino" Er bleibt stehen und dreht sich zu mir um. "Ja?" "Ich habe heute Geburtstag" Er sieht mich an und diesmal kann ich erkennen, dass seine Augen haselnussbraun sind. Und sie funkeln. "Ach?", sagt er. "Na dann Happy Birthday." Ich nicke. "Danke" "Bitte" Ich muss kichern. Und wir betreten das Gebäude wieder und gehen Richtung Tanzraum. "Bis dann", sagt Tino vor der Tür und zwinkert mir zu und ehe ich etwas erwidern kann ist er in der Menge verschwunden. Tatsächlich läuft schon wieder ein anderes Lied und ich kann mich unauffällig zu den anderen gesellen.

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...der nächste Teil folgt 

Darkness - Letzte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt