Kapitel 12

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Ich bin schon fast eingeschlafen, als plötzlich das Handy neben mir auf dem Nachttisch wie wild zu Summen und Vibrieren beginnt. Seufzend wälze ich mich herum und beginne mit geschlossenen Augen nach dem Telefon zu tasten. Kurz kommt mir der Gedanke ob es vielleicht Paddy sein könnte, aber ohne Nummer natürlich keine Anrufe.

MAMA" leuchtet in großen Buchstaben auf dem Display auf und herzhaft gähnend hebe ich schließlich ab.

„Zoé? Hallo? Ich hoffe du hast noch geschlafen?"

„Ist schon gut, Mama! Was gibt es denn, dass du mich jetzt noch anrufst?

Ich höre sie tief Luft holen bevor sie ihr Anliegen hervorbringt.

„Also ich habe vorhin noch ein bisschen nach diesem Kelly im Internet gestöbert."

„Du hast was?" Langsam bin ich wieder putzmunter.

„Du hast doch gesagt ich soll ihn googeln!
Na jedenfalls bin ich auf so einen Artikel gestoßen.... Der soll vor ein paar Monaten mit einer Frau in aller Öffentlichkeit einen heftigen Streit gehabt haben und dabei sogar handgreiflich geworden sein!"

Grinsend setze ich mich auf und verschränke meine Beine zum Schneidersitz.
„Mama, ich kann nicht behaupten, dass ich Paddy sonderlich gut kenne, aber das kann ich mir nicht vorstellen."

Sie seufzt inbrünstig.

„Ich meine ja nur Zoé. Du kommst gerade aus einer langen Beziehung, bist sehr verletzt worden. Überstürze bitte nichts und pass auf dich auf, okay? Und ich weiß nicht ob die Bekanntschaft mit einem Rockmusiker jetzt das Richtige für dich ist..."

Ich versuche sie zu beschwichtigen und versichere ihr, dass ich nicht die Absicht habe mich mit einem Rockmusiker in irgendein wildes Abenteuer zu stürzen und gut auf mich aufpasse.
Nach langen 15 Minuten Überzeugungsarbeit kann ich das Telefonat endlich beenden.

Als ich mich zurück ins Kissen fallen lasse brummt mein Kopf. Die Euphorie, die ich vor ein paar Stunden noch gefühlt habe ist wieder verschwunden.

Noch einmal vibriert mein Handy kurz als Zeichen dafür, dass eine Nachricht eingetroffen ist. Sie kann es also doch nicht lassen mir diesen ominösen Internetartikel zu schicken. Sollte ich den lesen? Paddy handgreiflich? Was für eine Frau? Ist er in einer Beziehung?
Doch ich lasse das Handy auf dem Nachttisch ruhen und drücke mir mein Kissen ins Gesicht.

Meine Gedanken wandern zu meinen Reiseführer, der seit meiner Ankunft hier noch immer unberührt in meinem großen Rucksack schlummert. Er ist voll mit Notizen und zahlreichen Klebezettelchen. So viele Sehenswürdigkeiten hatte ich mir rausgesucht.
Dafür ,dass ich in diesem Urlaub einfach den Kopf frei bekommen wollte, und schon gar nicht irgendwelche Männerbekanntschaften machen wollte, ist es doch bisher ziemlich chaotisch und turbulent zugegangen.
Es kommt mir auf einmal alles zu unwirklich und albern vor. Ich und Paddy Kelly? Dennoch fängt mein Herz bei dem Gedanken an unseren gemeinsamen Abend im Park wie wild an zu klopfen und ich muss unweigerlich Lächeln.
Mein Herz sagt mir, dass ich ihn gerne wiedersehen würde, trotzdem beschließe ich es nicht drauf anzulegen und mich wieder darauf zu konzentrieren, warum ich diese Reise eigentlich angetreten bin.

Dicke Regentropfen prasseln am nächsten Morgen gegen das Fenster des Hotelzimmers, als ich die Augen aufschlage. Ich seufze und ziehe mir die Decke über den Kopf. Jetzt hat sich anscheinend auch noch das Wetter gegen mich verschworen. Verschlafen schäle ich mich irgendwann aus dem Bett, aus meinem Pyjama und taumele ins Bad um zu duschen.

Als ich mich gerade fertig abgetrocknet habe, höre ich ein leises Klopfen an meiner Zimmertür. Schnell schnappe ich mir meinen etwas zu kurz geratenen Bademantel, wickele ein weißes Handtuch um meine Haare und eile zur Tür. Falls das wieder der Zimmerservice ist bestelle ich mir heute ein Frühstück an Bett, denke ich noch und öffne gedankenverloren die Tür.

Von der Tür steht Paddy, der mich mit einem breiten Grinsen von oben bis unten anstarrt.

Reflexartig Binde ich meinen Bademantel fester und schlinge die Arme um meinen Körper.

„Paddy? Was machst du den hier? Ich meine wer hat dich hier einfach hoch gelassen?" stottere ich vor mich hin.
Er kommt einen Schritt näher. „Ich kann sehr überzeugend sein wenn ich etwas will, ne? Darf ich reinkommen?" Seine Augen funkeln mich herausfordernd an, so dass ich gar nicht anders kann als zur Seite treten und ihn ins Zimmer zu lassen.

Nervös stehe ich vor ihm und kann ihm kaum ins Gesicht sehen, während er meinen Blick sucht.
„Ich glaube du schuldest mir eine Erklärung? Ich habe gestern auf dich gewartet. Ist alles okay?" fällt er mit der Tür ins Haus.

Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe ihm ins Gesicht. Sein Blick ist sehr eindringlich und ich bekomme ein flaues Gefühl in der Magengegend.„Hast du es dir vielleicht anders überlegt? Wolltest du mich nicht wiedersehen?" fragt er weiter.

Schnell schüttele ich den Kopf. „Ich... es war nur....da war dieser..."
„Wie wäre es wenn wir das einfach nachholen?" unterbricht er mich, „right now! Und dann kannst du mir ja alles erklären." Er lächelt mich verschmitzt an.
Völlig perplex stehe ich da und kann nur mit dem Kopf nicken. „Ich muss mich noch schnell anziehen." stammele ich und verschwinde blitzschnell im Badezimmer.

Ich schlage die Tür hinter mir zu und lehne mich mit dem Rücken dagegen. Im Spiegel gegenüber bemerke ich erst wie rot mein Gesicht angelaufen ist. Verdammt! Warum bringt er mich so aus dem Konzept und außerdem dazu meine guten Vorsätze sofort über Bord zu werfen...

Eine halbe Stunde später sitzen wir in einem kleinen Café und bestellen uns ein ausgiebiges, irisches Frühstück. Ich fühle mich irgendwie unwohl. Meine Haare sehen heute furchtbar wüst aus und während des Essens bemerke ich einen auffälligen Fleck auf meiner Jeans.
Paddy hingegen sieht blendend aus. Die Haare sind wuschelig sehen aber trotzdem frisiert aus. Er trägt ein weißes Langarmshirt, eine dunkle Hose und hat einen dünnen Schal um den Hals geschwungen. Immer wieder erwische ich mich dabei wie ich ihn anstarre. Diese Augen, die markante aber dennoch hübsche Nase, die langen Finger...
Wir führen Smalltalk und ich berichte ihm von meinen Plänen für die nächsten Tage.

Als Paddy mit dem Essen fertig ist, legt er sein Besteck demonstrativ auf den Teller und sieht mich fragend an.
„Also Zoé, warum hast du mich gestern versetzt?" Ich komme nicht mehr Drumherum ihm die ganze Geschichte von meinem Shopping Tag, dem Beauty Center und letztendlich von den Bodyscrub und dem Hautausschlag zu erzählen. Während ich erzähle lächelt er mich die ganze Zeit an, bis er am Ende schließlich laut auflacht.
Ein bisschen beleidigt bin ich schon, stimme aber irgendwann in sein Lachen mit ein.
„Das ist aber kein Grund unsere Verabredung abzusagen. Der Ausschlag hätte mich nicht gestört, sah bestimmt süß aus!" witzelt er. Ich verdrehe gespielt Augen, woraufhin er plötzlich versöhnlich mit dem Finger sanft über meinen Handrücken streichelt.

Inzwischen hat der Regen aufgehört und sogar die Sonne blitzt etwas hinter den grauen Wolken hervor.
Wie beschließen ein Stück spazieren zu gehen. Paddy klopft sich prustend auf den Bauch. „Das ist jetzt wirklisch nötig, ne?"
Wir schlendern nebeneinander die Straße entlang und reden wieder über meine Urlaubspläne. Paddy bietet sich als Fremdenführer an und kommt dabei richtig ins schwärmen. „Wir mieten uns einen Wagen und machen einen Ausflug! Was sagst du?"

In diesem Moment beginnt es erneut zu regnen. Große Tropfen prasseln erbarmungslos auf uns nieder, als hätte jemand eine riesige Dusche aufgedreht.
Paddy zögert nicht lange, nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich die Straße entlang. „Bis zur Pension ist es nicht weit!" höre ich ihn rufen. Innerhalb kürzester Zeit ist unsere Kleidung bis auf die Haut durchnässt und die Haare kleben uns im Gesicht.  Unter dem Vorsprung eines alten Hauses bleibt Paddy doch stehen und drückt mich nah an die Hauswand, um mich vor dem vom Dach tropfenden Wasser zu schützen.
"Is besser wir warten, bis das Gröbste vorbei ist!" meint er und wirft einen kritischen Blick gen Himmel.
Als er sich mir zuwendet ist er plötzlich ganz nah vor mir, so dass, sich unsere Körper fast berühren.
Ich beginne zu zittern. Paddy schaut hinunter zu meinen Lippen, dann wieder direkt meine Augen.
Mir wird schwindelig.
Ganz langsam kommt er mit seinem Gesicht immer näher. Mein Herz beginnt aufgeregt zu klopfen und das Zittern wird stärker. Was hat er vor?

Mitten ins Herz (Michael Patrick Kelly FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt