Die Welt, wie sie uns in Erinnerung bleibt, gibt es nicht mehr. Die einst prachtvollen Städte sind jetzt Ruinen, die bei jedem Windhauch drohen einzustürzen. Die Balken knarzen und der Putz bröckelt von den Wänden. Komm ich heute an diese Orte zurück, lässt sich nicht einmal mehr erahnen, dass sie mal lebendig waren. Dass das Leben durch die Fugen quoll und die Luft davon strotzte. Es ist unheimlich die verlassenen Geisterstädte zu durchqueren und vereinsamte Siedlungen nach Nahrung abzusuchen. Menschen gibt es hier schon lange nicht mehr. Entweder sind sie tot oder haben sich in anderen Teilen des Landes versteckt. Land. Dieses Wort ist mir lange nicht in den Sinn gekommen. Denn im Grunde genommen gibt es keine Länder mehr. Ebenso wenig wie es Städte, eine Regierung, oder einen Grund für dieses ganze Chaos gibt. Vor ein paar Jahren, vielleicht vier bis fünf so weit ich mich erinnere, denn die Zeit vergeht heute ganz anders, ist irgendetwas passiert, was die Erde veränderte. Ich weiß nicht mehr, was es war. Eine Epädimie, eine Atomwaffe oder ein Angriff auserirdischer Wesen. So verrückt es klingt, die Außmaße und das Bild unserer Welt, müssen eine gravierende Ursache haben. Und nun kämpfen die Rebellen ums Überleben und das ihres Stammes. Die Zerstörung unserer Welt hat die Menschheit in viele Teile gespalten und sie gegeneinander aufgehetzt. Es sollte unser oberstes Ziel sein, eine neue Welt aufzubauen, doch stattdessen prägt Krieg und Verlust unseren Alltag.
Ich stapfe durch das kleine, stille Dorf und sehe der Verwüstung ins Auge. Der Schnee knarrt bei jedem Schritt unter meinen Schuhen. Nur ein paar Grashalme lassen sich blicken. Sonst ist alles in ein leuchtendes weiß getaucht. Die Struktur des unter dem Schnee liegenden Bodens lässt sich nur vermuten. An manchen Stellen ist der Schnee von Erde befleckt und man erkennt das darunter Liegende. Ein leichter Hoffnugsschimmer auf Tiere, die hier waren, huscht mir durch den Kopf.
Die Luft ist eiskalt und brennt auf meiner Haut. Ich habe mir den Schal hoch ins Gesicht gezogen und die Kaputze über den Kopf. Ab und zu berührt eine Schneeflocke meine freiliegenden Wangen und schmilzt auf ihnen. Trotz der eisigen Luft glühe ich vor Anstrengung. Ich laufe schon eine Weil durch den Wald auf der Suche nach einem Hirsch oder einem Dachs, den ich erlegen kann. Der Winter ist dieses Jahr sehr kalt und die Leute meines Stammes verhungern eher, statt dass sie erfrieren. Kein Tier ist in Sicht und auch die Baumfrüchte, die winterresistent sind, sind nicht zu entdecken.Als die Welt unterging war ich um die 14 Jahre alt. Meine Eltern haben mich damals retten können, sind aber selbst umgekommen. Ich weiß wie gesagt nicht, was passiert ist. Der Schmerz ihres Verlustes begleitet mich schon all die Jahre. Ich kann mich micht daran erinnern, wie ich zu Bliss gekommen bin. Bliss hat mich die letzten Jahre so gut es ging ernährt und großgezogen. Ich weiß nicht genau, wie alt er ist, dass hat er mir nie verraten. Nur, dass er selbst nicht weiß, warum die Welt unterging, und dass er diesen Tag bereut, an dem es passierte. Er erzählte mir, dass es ein Tag wie jeder andere war. Nichts Außergewöhnliches geschah, auch in den Tagen zuvor nicht. Er hatte einen gut bezahlten Bürojob und eine glückliche Familie. Die Erinnerungen waren auch bei ihm wie ausgeblasen. Nur der Verlust seiner Frau und seiner damals vier-jährigen Tochter quälten ihn jede Nacht. Bis er vor einem halben Jahr starb. Seit dem bin ich auf mich allein gestellt.
Ich gehöre zum Stamm der Hunter. Wir leben in den Wäldern am Fuße eines Berges, ganz in der Nähe von dem Dorf, durch das ich gerade gehe. Die Hunter sind nur einer der zahlreichen Stämme, die auf der Welt zurückgeblieben sind. Die Zusammenarbeit der Stämme ist gleich null, denn alle verfolgen einen Ehrenkodex. Sobald sie ein Mitglied eines anderen Stammes sehen, müssen sie es umbringen. Keine Gnade und keine Schwäche. Zwei Dinge, die wir uns in dieser harten Zeit nicht leisten können. Es mag hart klingen, aber so ist es eben. Damit wir überleben können, ist der Schutz unseres Stammes oberste Priorität. Denn nur hier herrscht eine Art Zusammenhalt. Wie eine Familie, vielleicht nicht ganz so aufrichtig. Streitigkeiten und Tod führten zu einem Leben im Angst. Über die Jahre verfeindeten sich die Stämme immer mehr. Und jeder hat die Wahl. Töten oder getötet werden.
Ich drücke mein Messer fester in die Hand und lausche dem Nichts. Es ist nicht zu hören, egal wie sehr ich mich anstrenge. Kein Windhauch, kein Tier, kein Mensch. Ich bin froh, dass ich bis jetzt noch auf niemanden gestoßen bin. So weit weg von meinem Stamm treffe ich sicherlich keinen Hunter. Ich würde lügen, wenn ich sage, ich habe noch keinen Menschen getötet. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, um die Schuldgefühle zu verdrängen. Aber das bedeutet nicht, dass ich es darauf anlege, einen unschuldigen Menschen zu töten. Sicherlich hat dieser Mensch auch schon viele Menschenleben auf dem Gewissen. Aber wer hat dass zur heutigen Zeit nicht, irgendwie ist es zur Normalität geworden. Mit der Zeit fällt es einem leichter, auch wenn mein Gewissen mich danach noch plagt. Ich habe es nie darauf angelegt jemanden anzugreifen und zu töten. Aber um meinen Stamm zu beschützen tue ich, was der Kodex von mir verlangt.
DU LIEST GERADE
The Hunters - In Zeiten des Krieges
Ficção AdolescenteEs sind viele Jahre vergangen, seit die Menschheit ihre Heimat zerstörte. Millionen sind gestorben und von der einst prachtvollen Welt ist nur ein Haufen Schutt und Asche übrig. Anny kann sich an nichts erinnern, was ihr zu Hause zerstört haben kan...