35. Nach dem Treffen

440 33 2
                                    

Ich wache davon auf, dass jemand sich neben mich aufs Sofa setzt, dann streicht mir eine Hand über den Kopf. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, bevor ich langsam die Augen öffne.
"Hey", murmele ich Jim zu, der grinsend auf mich herunterschaut. Er trägt noch immer seinen Anzug, hat aber Krawatte und Jackett geöffnet.
"Hey Honey. War dir so langweilig ohne mich, dass du eingeschlafen bist, kaum dass du dich hingesetzt hast?", fragt er mich mit sanfter Stimme während er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht.
"Eigentlich wollte ich mich nur kurz ausruhen", antworte ich und strecke mich einmal um die Müdigkeit aus meinen Gliedern zu vertreiben.
"Na dann ist es ja gut dass ich dich geweckt habe, sonst hättest du den Kuchen verschlafen."
"Und ich dachte du wärst eher besorgt dass ich dich verschlafen könnte", erwidere ich schmunzelnd und setze mich auf um ihm einen Kuss zur Begrüßung zu geben.
"Schön dass du wieder da bist."
"Vor allem schön dass dieser Tag endlich vorbei ist", stimmt Jim mir zu und gibt mir noch einen Kuss, da bemerke ich zwei Teller auf dem Couchtisch, beide mit einem Stück Kuchen darauf. Zwei Gabeln laden dazu ein die köstlich aussehenden Teilchen zu verspeisen, was wir beide nur zu gerne tun werden.
"Du hast ja tatsächlich Kuchen mitgebracht!", freue ich mich und Jim lacht.
"Na klar, was hast du denn gedacht? Immerhin müssen wir doch feiern dass Irene Adler nun endgültig weg ist und stattdessen Sherlock auf die Nerven geht", antwortet er und reicht mir einen Teller, während er selbst den anderen nimmt. Bei dem Gedanken, wie Adler Sherlock zur Weißglut bringt, muss ich grinsen, dann esse ich die erste Gabel meines Kuchens. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her dass wir beide Kuchen gegessen haben, sodass wir nun erstmal nebeneinander sitzen und dies genießen.
"Der ist echt super Jim, vielen Dank", meine ich zu meinem Ehemann und lehne mich gegen die Sofalehne zurück. Dieser lächelt leicht, dann schaut er mich an. In seinem Blick entdecke ich Sorge, gemischt mit einer seltsamen Art von Wehmut. Als würde er mich ansehen und an etwas trauriges, vergangenes erinnert werden.
"Ist alles okay?", erkundige ich mich und stelle meinen nun leeren Teller zurück auf den Couchtisch. Die Gabel klirrt dabei leise. Jim tut es mir gleich, dann breitet sich ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen aus.
"Ich habe nur bemerkt dass Adler heute während des Treffens versucht hat sich zwischen uns zu schieben, und auch dass sie es fast geschafft hat. Zumindest deiner Reaktion nach zu urteilen."
Zum Ende hin wird er leiser und senkt den Blick auf seine Hände. Verwirrt runzele ich die Stirn.
"Wie meinst du das?"
"Du warst sauer, bist es vielleicht noch immer. Sauer auf mich, auf meine Arbeit, Adler... deinen Chef. Ich hatte zeitweise das Gefühl dass du mich am liebsten angeschrien und geschüttelt hättest, oder sogar einfach gehen wolltest. Und als dann Adler auch noch angefangen hat, so unverschämte Fragen zu stellen, da warst du kurz davor ihr an die Gurgel zu gehen. Aber gleichzeitig wirktest du auch... verletzt und traurig", erklärt er und schaut mich wieder an. Seine Augen wirken im dämmriger werdenden Licht so dunkel wie der Kaffee, den er gerne trinkt, und mindestens genauso warm.
"Ach Jim", murmele ich, bevor ich leise seufze.
"Es stimmt schon dass ich sauer war, außerdem habe ich zwischendurch wirklich befürchtet dass Adler mit dir etwas... anstellt. Aber als du meintest, du hättest ihr gesagt was du von ihren Avancen hältst und ich gemerkt habe, dass auch du über ihren Besuch nicht glücklich warst, da wusste ich, dass ich mir wenigstens darüber keine Sorgen machen muss."
Ich stocke, denn als hätte ich ein geheimes Codewort ausgesprochen, schaut Jim mich nun intensiv an und hält meinen Blick mit seinem gefangen.
"Ich verstehe", sagt er langsam und lässt dann seinen Blick über mein Gesicht wandern.
"Wie wär's wenn ich es wieder gut mache?"
Aufmerksam wartet er auf meine Antwort, während seine Hand nach meiner sucht. Doch als ich sanft unsere Finger miteinander verschränke, lächelt er bevor er sich zu mir herüberlehnt und mich sanft küsst. Den Kuss erwidernd, drehe ich mich mehr zu ihm hin und schließe die Augen, denn ich weiß, das hier ist ein besonderer Moment.

~~~

Mein nächster Tag beginnt wie jeder andere Arbeitstag. Aufstehen, duschen, anziehen, frühstücken, Zähne putzen, losgehen. Doch heute stört etwas diese Routine.
Denn als ich mich nach dem Duschen abtrockne und anziehe, bemerke ich einen dunkelroten Fleck auf meinem Hals. Einen Fleck, den ich nicht mit dem Kragen meiner Bluse verdecken kann.
"Jim!", rufe ich verärgert aus, und schon kurze Zeit später kommt mein Mann zu mir ins Bad.
"Ist etwas, Honey?", fragt er unschuldig, da bemerkt er meinen wütenden Blick durch den Spiegel.
"Wir hatten eine Abmachung, Jim."
Meine Stimme klingt bedrohlich, doch Jim wirkt keineswegs beeindruckt.
"Wir haben einige Abmachungen getroffen im Laufe unserer Ehe, welche meinst du?"
"Die, die besagt dass du mir keinen Knutschfleck an eine Stelle machst wo ich ihn nicht verdecken kann!"
"Ach, die", meint er nun grinsend und kommt näher auf mich zu. Seine Hände legen sich von hinten an meine Taille, während er mich über meine Schulter hinweg anschaut.
"Sieh's positiv: in nächster Zeit wird dich niemand blöd anbaggern. Jeder wird wissen dass du vergeben bist, dass du zu mir gehörst."
Ist das jetzt sein Ernst?
"Niemand wird wissen dass ich zu dir gehöre, es sei denn du hast es irgendwie geschafft deine Initialen in diesem Fleck zu verstecken. Und sowieso, mich hat noch nie jemand auf der Arbeit 'angebaggert'!", stelle ich empört klar, doch Jim lacht nur.
"Und was war das gestern?"
Ich seufze.
"Jetzt erzähl mir nicht, du hättest das nur wegen Adler gemacht."
"Wieso nicht?"
"Weil das kindisch ist."
"Aber berechtigt. Immerhin ist sie nicht die einzige die auf die Idee kommen könnte, eine so schöne Frau nach einer Verabredung zu fragen."
Mit einem Grinsen beobachtet er meine Reaktion, die darin besteht die Augen zusammenzukneifen und ihn zu mustern. Wenn er glaubt, mit einem Kompliment käme er so einfach hier raus, dann hat er sich geirrt.
"Das wird noch ein Nachspiel haben mein Lieber. Jetzt lass mich los, sonst komme ich zu spät."
"Das glaube ich nicht", antwortet er in seinem Psycho-Tonfall, bei dem er immer beginnt fast zu singen, lässt mich aber los. Ich beachte ihn nicht weiter, sondern verlasse das Badezimmer um mich aufbruchbereit zu machen. Heute morgen verzichte ich auf ein größeres Frühstück als einen Tee und eine Scheibe Toast, damit ich nicht in Zeitdruck gerate. Außerdem hole ich noch von oben einen leichten Schal, der zu meinem Outfit passt und den ich benutzen kann um den Knutschfleck effektiv zu verstecken. Ich kann nur hoffen dass es wirklich hilft.
Als ich fertig bin und gerade gehen will, tritt Jim zu mir auf den Flur.
"Hey, willst du etwa gehen ohne dich zu verabschieden?", fragt er enttäuscht klingend nach und ich drehe mich schmunzelnd zu ihm um.
"Keine Ahnung, eigentlich nicht."
Da geht er ein paar Schritte auf mich zu und gibt mir einen Abschiedskuss, den ich lächelnd erwidere. Auch wenn er manchmal bescheuerte Sachen macht, ich liebe ihn dennoch.
"Dann bis später Jim", meine ich als ich mich von ihm löse und gehe endgültig zur Haustür.
"Bis heute Abend", höre ich ihn noch sagen, dann schließt sich die Tür hinter mir.

~~~

"Na, wie war dein freier Tag gestern?", erkundigt Sybille sich als wir uns auf der Arbeit das erste Mal sehen und ich zucke mit den Schultern.
"Hätte besser sein können."
Der Schal kratzt. Innerlich verfluche ich Jim für seine Unachtsamkeit, lasse mir aber vor meiner Kollegin nichts anmerken.
"Oje, bist du krank geworden?"
"Was? Nein!", antworte ich verwirrt, da lacht sie.
"Ich dachte nur wegen des Schals."
"Ach der, naja ähm, den trage ich weil ich schon ne ganze Weile lang überlege einen zu tragen. Ich wollte mal sehen ob der zu mir passt und wie sich das anfühlt."
Bitte lass sie nicht misstrauisch werden, das wäre so peinlich.
Doch Sybille schöpft keinen Verdacht sondern nickt einfach nur.
"Zu dir passen tut er schon, es ist nur ungewohnt dich so zu sehen."
"Ja, genau das hat mein Freund auch gesagt", meine ich lächelnd.
"Übrigens, habe ich gestern irgendetwas verpasst?"
"Nein, nichts besonderes. Wulf hat wie immer rumgemotzt und schien ziemlich sauer zu sein dass du nicht da warst. Aber ansonsten ist nichts passiert", erzählt sie mir, da taucht Wulf ebenfalls im Büro auf.
"Ich sollte besser gehen. Treffen wir uns heute zur Mittagspause?", frage ich nach und Sybille grinst.
"Na klar. Bist du schon fertig mit der Sammlung?"
"Fast, es fehlen nur noch zwei Berichte, danach kann ich den heute abgeben."
Sybille nickt, dann trennen sich unsere Wege.
Schon nach kurzer Zeit merke ich, dass ich meinen Chef kein bisschen vermisst habe, denn kaum sieht er mich, beginnt er mir schon Aufgaben von gestern zu geben, die ich zusammen mit denen von heute erledigen soll. Dazu ist seine Laune mal wieder super, sodass ich schon schnell die Lust verliere, freundlich zu ihm zu sein. Wenigstens lenkt mich die Arbeit von meinem kratzigen Schal ab. Außerdem macht die Aussicht, dass der Sammelbericht wegen Wulf schon fast fertig ist, den Tag doch ein Stückchen schöner. Jedenfalls bis zur Mittagspause, denn da entdeckt Sybille Jims Knutschfleck an meinem Hals weil ich den Schal ein wenig bewege. Ab da neckt sie mich die ganze Zeit damit, weil ich so rot anlaufe als wolle ich mich auf die Stelle als Verkehrsampel bewerben. Und ich hatte gehofft keiner merkt etwas.

~~~

Moriarty In Love - The GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt