KAPITEL 7 - WARTEN

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Ich habe die Tage nie gezählt, die ich schon hier im Bett bin und warte, bis ich gesund werde. Ich fühle mich jedenfalls schon besser, aber ein paar Knochen in meinem Körper sehen das offenbar ganz anders. Gof steht vor meinem Bett und fummelt irgendwas an den Kabeln rum, an die ich angeschlossen bin. Es ist ziemlich nervig, immer in der selben Position auf einem Fleck zu bleiben. Lou und Caddy kommen mich ab und zu besuchen und Fairy seit neustem auch, nachdem sie erfahren hat, dass ich hier bin. "Gof?", frage ich, meine Stimme hat sich mittlerweile schon so weit erholt, dass sie wieder halbwegs normal klingt wenn ich rede. Gof sagt nichts und schaut mich auch nicht an, ganz seine Art. "Wie lange bin ich schon hier und wie lange muss ich noch warten, bis ich aus dem Bett kann?" "Du bist Seit zwei Wochen und zwei Tagen hier. Und ich glaube sogar, du musst gar nicht mehr lange warten bis du aus dem Bett kommst. Ich denke du kannst heute schon mit dem Rollstuhl ein bisschen hier rumfahren." Ich lächele zufrieden, als er das sagt. "Sind meine Knochen wieder ganz?" Seltsamer Weise bringen meine Worte Gof zu einem Grunzen, was sich ein wenig spottend und belustigt anhört. "Pah. Wieso sollte das so schnell gehen? Es dauert noch mindestens einen Monat, wenn nicht sogar zwei." Ich sehe ihn entgeistert an und zu allem Überfluss fügt er noch etwas hinzu. "Und dann sind auch noch Spuren zu sehen. Wenn du wirklich genauso fit sein möchtest  wie vor der Katastrophe, musst du... noch ungefähr ein Jahr warten. Aber keine Sorge, du wirst schon früher entlassen. Außerdem sind ein paar Wissenschaftler gerade dabei, ein Serum zu entwickeln das den Heilungsprozess beschleunigt. Um deinen Ellenbogen müssen wir uns übrigens auch noch kümmern" Und mit diesen Worten verlässt er das Zimmer. Typisch Gof.

  ♦ 

Ich glaube ich habe wieder ein paar Stunden geschlafen. Denn als ich die Augen öffne, starrt mir Gof ins Gesicht und ich erschrecke mich so, dass ich zusammenzucke. "Eine interessante Art wie du schläfst", murmelt er ohne den Blick von mir abzuwenden. "Du drückst irgendwie deine Träume mit deinem Gesicht aus." Ich sehe ihn stirnrunzelnd an. "Wie bitte?" "Hast du von Schokoladenpudding mit Vanillesoße geträumt, wie ein Eichhörnchen ihn auffrisst - vor deinen Augen?" Ich muss mich zusammenreißen um nicht zu lachen. "Ähm - nein, eigentlich nicht..." "So? Von was dann?" Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, ich kann mich so gut wie nie an meine Träume erinnern. Also sage ich nichts. "Ha!" Gof wendet seinen Blick ab und geht vor meinem Bett auf und ab. "Du hast davon geträumt. Definitiv." Er klatscht einmal in die Hände und sieht mich grimmig an. "Streite das ja nicht ab." Ich schüttele nur den Kopf worauf Gof einen Rollstuhl vor mein Bett schiebt. "So, setz dich rein.", sagt er. "Wie, einfach so?" Er nickt. "Und die Kabel?" "Welche Kabel?" Ich sehe an mir herunter und merke, dass die Kabel tatsächlich weg sind. Stattdessen ist mein Körper jetzt sozusagen komplett eingegipst und mein Bein hängt in einer seltsamen Schlinge. "Grmpf", mache ich und versuche mich aufzusetzen. Aber mein Körper ist in diesem Kostüm so steif, dass ich mich kein Stück bewegen kann. Gof grummelt vor sich hin und sieht ungeduldig auf seine Uhr. "Wird's heute noch was?", murrt er, und es klingt eher wie ein Befehl als wie eine Frage. Ich stütze mich umständlich mit dem linken Ringfinger auf dem Bett ab und drücke mich hoch. Es ist anstrengend, klappt aber. Und jetzt sitze ich aufrecht im Bett. Gof streckt mir die Hand hin, ich nehme sie entgegen und hieve mich in den Rollstuhl. "Geht doch", sagt Gof zufrieden und schiebt mich aus dem Zimmer. "Wo magst du hin, was magst du tun? Ich hab jetzt leider gerade wichtigere Dinge zu tun, also finde bitte schnell jemanden der dich schiebt." Gof sieht sich suchend um und deutet blitzartig auf den ersten Mensch, den er sieht. "Du da!", ruft er und der Junge auf den er zeigt zuckt zusammen, dreht sich aber um. Ich erkenne Tino. Er ist auf Krücke gestützt, lächelt aber als er Gof ansieht. Ich freue mich irgendwie ihn zu sehen, denn dass bedeutet, dass er wirklich lebt, und ein lebender Mensch mehr ist ein gutes Zeichen. "Hast du Zeit?" Tino sieht immer noch nur Gof an und es ist erstaunlich, wie selig ruhig er ihn anlächelt. "Kommt drauf an für was", erwidert er gelassen. "Ok, schieb' bitte das Mädchen im Gebäude rum, wohin sie will, und bring sie nachher in ihr Zimmer zurück, sie sagt dir wo. Ich bin dann weg." Und schon eilt er weg, ehe Tino ihm widersprechen kann. Ich finde das schon ein wenig unhöflich, aber ich sage nichts dazu. Tino lächelt in meine Richtung und kommt mit Krücken auf mich zu. "Ich weiß zwar nicht, wie ich das anstellen soll, dich mit Krücken schieben, aber ich versuch's einfach" Er kommt vor mir zum stehen. "Hey Jooky. Schön dass du lebst" Unter normalen Umständen hätte ich Tino für verrückt erklärt so etwas zu sagen, aber unter den Bedingungen, unter denen wir stehen, ist das mittlerweile die normalste Begrüßung die es gibt. "Hey Tino", antworte ich deshalb. "Auch schön dich lebend zu sehen." Tino legt eine Krücke ab und stützt die andere unter einen Arm. Mit seinem übrigen Arm stützt er sich auf die Griffe meines Rollstuhls. "Sollte so klappen", meint er und humpelt los, tatsächlich funktioniert es und das Teil bewegt sich vorwärts. "Wo soll's hin gehen?", fragt Tino und ich zucke nur mit den Schultern. "Was ist mit dir passiert? Ich meine, du bist nur auf Krücken, ist dir sonst nichts passiert?" "Als der Wind losging war ich bei uns im Keller. Ich war an dem Tag krank und deswegen nicht in der Schule. Da waren dann nur die Waschmaschine, die schmutzigen Klamotten und ich. Und harte Betonmauer, die irgendwie so einiges ausgehalten haben. Es war aber auch im Keller und der konnte schlecht weggeweht werden. Die Waschmaschine ist auf mein Bein gekracht und mein Knie ist kaputt, mein Schienbein doppelt gebrochen. Die Ärzte haben gesagt wenn es in dieser Schiene bleibt darf ich mit Krücken laufen." Er sieht mich neugierig an. "Was ist denn mit dir?" Ich habe die Geschichte jetzt schon Caddy, Louise und Fairy erzählt und habe keine Lust es noch einmal zu tun. Aber ich seufze und fasse mich kurz. "Ich wurde gegen einen Felsen geschleudert, hab viele komplizierten Brüche und bin heute das erste Mal aus dem Bett", sage ich nur und Tino sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich kann seinen Blick auf meinem Hinterkopf spüren, genauso wie seine hochgezogenen Augenbrauen, was schon ein wenig merkwürdig ist. "Dann hast du aber echt Glück gehabt dass du noch lebst. Aber solche Menschen gibt es, die wirklich unter schlimmsten Umständen Glück haben" "Wo wohnst du?" 

"Nirgendwo. Ich bin eigentlich den ganzen Tag unterwegs. Ich schlafe nur immer am selben Ort, hier sind einige kleine Wohnungen angerichtet, hier wird tatsächlich ausnahmsweise nicht auf das Alter geachtet. Wer will, bekommt was eigenes, der Rest darf sich ein Haus teilen."

"Zeigst du mir deine Wohnung?"

"Liebend gern"

Und schon schiebt er mich weiter, diesmal etwas schneller. Hier sieht es wirklich aus wie in einer kleines Statt, nur dass es hier keinen Himmel gibt und keine Wiese, keine Pflanzen, nur Stein und Beton... Ich frage mich, wie man es geschafft hat, so etwas riesiges in so kurzer Zeit zu schaffen. Für eine Statt braucht man weit länger als ein Jahr. Und um sie komplett zu besiedeln braucht man auch länger als zwei Wochen. Nur die Atmosphäre hier ist irgendwie seltsam. Nicht normal. Hier haben fast alle Leute beängstigend leere Blicke und mir fällt auf, dass sich viele gegenseitig helfen und jeder jeden grüßt. Niemand ist hier gerade glücklich, aber es ist mehr oder weniger doch so etwas wie eine Gemeinschaft. Im Vorbeigehen grüßt Tino einige Leute mit Namen, ich glaube nicht, dass er sie alle schon vor der Katastrophe gekannt hat. Der Boden ist nicht überall betonüberzogen, einige Stellen sind kahl und einfach nur matschig. Die Umgebung ist Düster und ich komme mir etwas vor, wie auf einem unterirdischen Bahnhof. Tino schiebt mich durch eine schmale Gasse, links und rechts sind Gebäudereihen zu erkennen, jedoch ist jedes Haus einfach nur grau und hat keine Fenster und Türen, sondern jeweils nur ein Loch in der Wand, dass gerade groß genug ist, als dass ein Mensch hindurch gehen könnte. Die Häuser haben auch kein Dach und man kann sie nur dadurch voneinander unterscheiden, dass jedes ein neues Loch hat. "Hier das ist das "Geschäft". Oder zumindest nennen es viele so. Dort gibt es alles mögliche zu kaufen. Jeder bekommt pro Tag 5 Punkte. Die kann man sich im Geschäft abholen, die haben dort ein Namensregister und einen Überblick über die Punkte. Pro Sache die du kaufst bezahlst du einen Punkt. Bis jetzt konnte das noch nicht geändert werden weil es hier noch keine Berufe oder so gibt. Aber irgendwann muss es ja eingeführt werden, da die Lebensmittelvorräte nicht ewig reichen." Er schiebt mich durch das Loch des Gebäudes, was er Geschäft genannt hatte. Ich sehe mich aufmerksam um, denn hier sieht es ganz und gar nicht aus wie in einem Geschäft. Das ist eher eine Müllhalde. In einer Ecke ist längst verfaultes Obst achtlos aufeinander gehäuft worden und in einer wieder anderen stapeln sich die Kartons bis zur Decke. Mitten im Raum sitzt eine Frau hinter einem Tisch der einer Kasse ein wenig ähnelt. Hier und da stehen noch ein paar andere Dinge herum, ich entdecke ein altes Schaukelpferd und einen Gartenschlauch bei dem ich nicht weiß, wofür er noch gut ist. In kühlschrankähnlichen Fächern sind ein paar weitere Lebensmittel gelagert und der Rest ist wie das verfaulte Obst aufeinandergestapelt. Ich sehe Mehl zwischen einer Packung Schokokekse und eine Flasche Ketchup auf dem Boden liegen. Ich entdecke ein weiteres "Türloch" in diesem Raum, kann aber nicht erkennen, was dahinter ist. "Was ist dahinter?", frage ich Tino und nicke Richtung Türloch. Er seufzt ein wenig traurig. "Dort verkaufen sie gerettete Tiere. Nutztiere und andere wie Hunde oder Hamster." Das will ich gar nicht erst sehen, wie die Tiere sich in dem Raum aneinanderquetschen. "Man kann hier übrigens auch Sachen abgeben und bekommt als Gegenleistung einen Punkt"

Darkness - Letzte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt