Öffnung

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1. Als ich beim Trinken Durst verspürte
Sah ich zwei Augen - nie gekannt.
Ich sprang hinein und schwamm, berührte
Die Blicke die ich nicht verstand.

2. Zu spät! Pupillen waren Stricke,
Ich flog empor zum tiefsten Meeresgrund,
Die Augen sandten stille Blicke,
Dann küsste mich ein unbekannter Mund.

3. Ich kostete vom Rand der Zauberschönen,
Am Ufer sank und hob sich ihre Brust.
Ein Schauer weicher Honigtränen
Stand duftend in den Blüten ihrer Lust.

4. Die Blicke glichen tönenden Opalen.
Sie öffneten sich unvermittelt meinem Sinn
Und baten still ergeben um die Qualen
Der süßen Pflichten einer Dienerin.

5. Wir schwiegen lang in diesen ersten Tagen
Und als ich sie ihr sanft gestellt,
Antwortete sie auf meine Fragen:
"Verfahre mit mir wie es dir gefällt."

6. Und also zwang ich sie den Blick zu senken,
Zwang sie zu warten ohne zu verstehn,
Verbot ihr ihren Willen und ihr Denken.
Nur leise bitten durfte sie und flehn.

7. Sie schwankte leicht als ich sie küsste,
Entblößte ihren filigranen Leib
Und ihre kleinen zarten Brüste.
"Komm," sprach ich, "sei mein Zeitvertreib."

8. Ich fesselte sie an ihren Händen
Und sie bot würdevoll und klar
In Demut ihre makellosen Lenden
Zur Prüfung mir und Übereignung dar.

9. Ich wurde trunken vor Verlangen.
"Wie schön du bist! Mach dich bereit
Für deine Pflicht nur zu empfangen.
Dein Recht sei Rechtelosigkeit."

10. „Ja," sagte sie, „in dem Gewässer
Such ich verzweifelt einen Wasserlauf
Und finde keinen Schlüssel für die Schlösser.
Ich will mich öffnen, schließ mich auf!"

11. So tranken wir aus Gletscherbächen
Sie wurde Blüte, feiner Duft.
Um ihren Willen gänzlich zu zerbrechen
War ich ihr Sturm und sie war meine süße Luft.

12. Ich lauschte diesem Duft, ich atmete ihr Wesen
Und hielt sie stets in strenger Zucht.
Ich durfte tief in ihrer Seele lesen
Und unser Sehnen wurde unsre Sucht.

13. Sehnsucht, schmerzliche Morgenröte,
Du bist so ewig wunderjung.
Und wenn sie liebevoll um Gnade flehte
Bat sie um ihre Züchtigung.

14. Sie wand sich hilflos unter meinen Hieben,
Verlor den allerletzten Halt.
So lehrten wir einander uns zu lieben.
Ihr Teil war Dulden, meiner die Gewalt.

15. Und wir entdeckten immer neue Quellen
Sie weinte still in übervollem Glück
Das qualvoll sich ergoss in bittersüßen Wellen;
Verschwand und lustvoll kam zurück.

16. Dann schwiegen wir; in Stunden - langen,
Und blickten uns nur an dabei.
Ich war im Freiheitsdrang gefangen,
Sie in Gefangenschaft so frei!

17. Die Blicke leise, offen, lüstern
In denen ich mich tief verlor.
Und manchmal hörte ich sie flüstern:
„So frei war ich noch nie zuvor!"

18. Ich kappte alle Taue wild entschlossen,
Wie ich ihr in den Nacken griff,
Die andre Hand am Ruder und wir schossen
Dahin, Kurs auf ein nahgeleg'nes Riff.

19. Sie öffnete sich weit, war unser Segel,
Ich labte mich an ihrer Frucht.
Öffnung und Labsal ohne Regel
In dieser unwirklichen Bucht.

20. Jetzt blühte sie, nichts mehr erzwang ich,
In meiner Hand ihr ganzes Sein,
Ein Kelch, zerflossen, und so drang ich
Halb klar und halb benommen auf sie ein.

21. Sie tanzte frei im Fall sich windend,
Liebkoste zärtlich meinen Mast.
Ein Wunsch war gleich Befehlen bindend
Und ich ihr eindringlicher Gast.

22. Das Wasser schimmerte von wilden Quallen
Ein Schwarm gewaltig schön und groß
Sie fiel und ich war ich ihr verfallen
In einem Sturzflug - bodenlos.

23. Kurz war es still bevor das Schiff zerschellte.
Sie wurde ich. Und ich war sie.
Ins Gleiten kam das Boot und schnellte
In die ersehnte Havarie.

24. Ich sah Delphine, silberne Fasanen
Ein Krake schrie und flog davon.
Sie war zerbrechlich, porzellanen,
Ihr Atem Laub aus Libanon.

25. Ein Ozean, erhellt von tausend Sonnen,
Umspielte ihre bleichen Züge.
Sie flüsterte erlöst und bei sich angekommen:
"Die Welle bricht, ich fliege."

26. Sie lag am Grund, nahm alles um zu geben,
Verschenkte sich mir ganz zum Dank;
Und ihr Geschenk erweckte uns zum Leben.
Ich lebte endlich und ertrank.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 22 ⏰

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