-TWO-

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~Ich sagte nie: 'Ich will allein sein'. Ich sagte: 'Ich will allein gelassen werden'. Das ist ein riesen Unterschied~

Er atmete noch einmal tief durch und knipste dann das Nachtlicht aus, ehe er die Augen schloss und sich neuen Gedanken zum Opfer warf, bis er endlich eingeschlafen war. Als am nächsten Morgen sein Wecker klingelte stöhnte er genervt auf und ließ den Ruhestörer mit einer einzigen Handbewegung verstummen. Als sein Blick auf das mittelgroße, mit Einhornbildern bestückte Büchlein fiel, atmete er hörbar aus und verstaute es in der untersten Schublade seines Schreibtisches, ehe er sich anzog, seine Tasche schnappte und nach unten in die Küche lief. Den kleinen Schlüssel, mit dem man das Buch öffnen konnte versenkte er noch eben in seiner Hosentasche. Sein Vater war mal wieder weg. Geschäftsreise. Seine Mutter hatte er nie kennengelernt, sie war nach seiner Geburt abgehauen, hatte sich die Erziehung wohl nicht zugetraut. Missmutig steckte er eine Flasche Wasser in seinen Rucksack, ehe er aus der Tür trat und zu seiner Schule - oder wie er sie auch nannte: Hölle auf Erden - marschierte.

Sein Tag begann mit einer Doppelstunde Biologie. Es gab schlimmeres. Der Lehrer war in Ordnung und er konnte sich in Ruhe auf seinen Einzelplatz zurückziehen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass sich irgendjemand neben ihn setzte, den er ohnehin nicht mochte. In der Pause stand er wie immer allein in der Ecke der Schulmauer und las ein Buch. Die großen Kopfhörer hatte er über die Ohren gestülpt und versuchte die Welt auszuschalten. Einfach ungestört lesen.
Dieser Wunsch wurde ihm aber verwehrt, als sich blitzschnell eine Hand unter den Buchrücken schob und ihm das Buch vor der Nase zuklappte. Erschrocken blickte er auf, direkt in die Augen von Andre. Dieser grinste ihn dreckig an und zog ihm die Kopfhörer ab. Mit einem abschätzigen Blick lauschte er der Musik, die aus den Lautsprechern durch die Polster dröhnte. "Richtige Luschen-Mucke", gab Andre abwertend von sich und spuckte vor ihm auf den Boden. Seine beiden 'Freunde', Cengiz und Jan jubelten im Hintergrund. "Na Hazy? Angst?" (Angst Potter? xD), knurrte Andre, mit einem jetzt deutlich aggressiveren Blick. Doch bevor er antworten musste, klingelte es und er schlüpfte erleichtert unter Andres Armen hindurch und eilte zum nächsten Klassenraum. Die nächste Doppelstunde würde er voraussichtlich Ruhe vor dem Trio haben, wie er sich erinnerte, hatten sie diese Kurse nicht zusammen.

Erst als Alex ein paar Stunden später erleichtert, dass es keine weiteren Zwischenfälle gegeben hatte, in seine Straße einbog, öffnete er sämtliche Social Media Apps, aus denen ihm die verschiedensten Beleidigungen entgegen sprangen. Diese Welt war ungerecht. Diese Menschen waren ungerecht. Dieses Leben war ungerecht. Der Mensch war ein Gewohnheitstier und alles, was neu war, wurde prinzipiell verabscheut. Darunter auch seine Sexualität, die er nicht zu seinem Besten preisgegeben hatte.



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