1.Kapitel

18 1 0
                                    




Ich musste mich beeilen, denn in weniger als zwanzig Minuten kommt mein Vater von der Arbeit nach Hause. Ich lief so schnell ich konnte die Treppe runter. Im Esszimmer packte ich meine Kosmetiktasche und das Geld aus dem Portemonnaie meines Vaters in die große Reisetasche, die auf dem Tisch lag.

Auf ein Notizblatt schrieb ich:

Macht euch keine Sorgen um mich. Mir geht es gut. -Lara

Dieses legte ich dann mitten auf den Esstisch. Mein Vater wird es wahrscheinlich nicht merken, da er sich nach der Arbeit direkt für ein paar Stunden schlafen legt. Meine Mutter wird den Zettel dann heute Abend beim putzen finden. Meine Mutter arbeitet länger als mein Vater, fängt dafür aber auch später an als er.

Im Flur sah ich ein letztes mal in den Spiegel. Meine braunen, langen Haare lagen locker über meinen Schultern. Ein letztes mal musterte ich mein Outfit. Ich trug eine eng anliegende schwarze Jeans, einen grauen, schlichten Pullover und dazu schwarze Chelseaboots mit Fütterung darin. Schnell zog ich mir meinen Olive-grünen Parka über den Pullover und machte die Haustüre auf. Es war das letzte mal, dass ich zurück ins Haus sah. Das letzte mal das Gefühl zu haben eine Heimat zu haben, einen Ort an dem man sicher ist.

Ich schloss hinter mir die Tür und lief hinten rum in Richtung Waldgebiet.

Der kalte Herbstwind ließ meine Haare wild durch mein Gesicht fliegen. Der Wind an sich störte mich nicht, doch der Gedanke daran, wie ich bei dieser Kälte die Nacht durchstehen sollte, ließ mich grübeln. Wo ich die Nacht verbringen würde, wusste ich noch nicht. Einen Schlafsack trug ich an meinem Rücken mit mir, aber ein Zelt hatte ich nicht. Das bedeutete ich musste irgendeinen Platz im Wald finden der Windgeschützt ist. Allerdings konnte ich natürlich nicht in diesem Wald bleiben. Dort würde meine Familie mich zu schnell finden. Ich nahm den Wald nur als eine Abkürzung, um schneller am Bahnhof zu sein.

In sieben Minuten würde mein Zug kommen. Ich bezahlte schnell das Ticket und setzte mich unter eine kleine Überdachung. Der Bahnhof hier im Dorf ist ziemlich klein und schmutzig, deswegen gibt es hier auch nur eine Bank als Sitzmöglichkeit. Ich sah rüber zum Wald durch den ich eben gelaufen war. In dem Moment kamen das erste mal starke Zweifel, ob es das richtige ist was ich hier tue. Ehrlich gesagt, war ich mir nicht sicher, wohin ich will und für wie lange. Ich wusste nur, dass ich aus diesem Ort raus muss. Ich musste weg von hier. Bevor weitere Gedanken kommen würden, die mich vielleicht umstimmen könnten, steckte ich mir Kopfhörer in die Ohren und machte den Ton auf volle Lautstärke. Im nächsten Moment kam auch schon mein Zug.

Ich setzte mich in ein hinteres Abteil und machte es mir gemütlich, in dem ich meine Beine über einen zweiten Sitz ausstreckte. Ich musste definitiv lange fahren, um weit genug von Zuhause weg zu sein. Umsteigen musste ich auch mehrmals aber das machte ich spontan. Ich hatte mir ein Tagesticket geholt, da ich eben nicht wusste, wo genau ich aussteigen würde.

Die ganze Situation und die Gedanken, die mir durch den Kopf flogen, machten mir sehr zu schaffen. Ich spürte wie mein Körper immer träger wurde und mir langsam die Augen zufielen.

*

Langsam erwachte ich aus meinem Schlaf und öffnete vorsichtig meine Augen. Ich musste mehrmals blinzeln, um zu begreifen dass ich nicht Zuhause war, sondern im Zug auf dem Weg zu einem ungeplanten Ziel. Das alles war gar kein Traum. Ich war wirklich von Zuhause weg gelaufen, um mich selbst zu finden. Ich hatte diesen Schritt wirklich gemacht und saß alleine in einem Zug und hatte keine Ahnung wie weit ich von Zuhause entfernt war. Niemand war bei mir der mich beschützt. Ich musste für mich alleine sorgen.

Tränen kullerten langsam meine Wangen hinunter. Gefühle der Angst und Einsamkeit übernahmen die Überhand in meinem Kopf und mir wurde übel. Ein komisches und unangenehmes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Mir war zum Brechen zumute. Meinen Rucksack und den Schlafsack hatte ich als Kopfkissen benutzt. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich knapp über eine Stunde geschlafen hatte.

Bei der nächsten Haltestelle stieg ich aus. Mit Absicht hatte ich nicht nachgesehen, wo ich ausgestiegen war. Ich wollte mir nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen, ob ich nicht doch noch zu nah an meinem Heimatort war.

Mir stoß der eisige Wind ins Gesicht und ich fing an zu zittern. Ich lief die Bahnstation entlang und endete erneut in einem ziemlich überschaubarem Waldgebiet. Anstatt über den Weg zu laufen, der mitten im Wald ausgelegt war, lief ich quer zwischen den ganzen Bäumen entlang.

Mein Blick fiel auf eine kleine Höhle aus Ästen und Steinen. Sie war perfekt, um dort heute die Nacht zu verbringen. Sie war halbwegs windgeschützt. Nebenan war ein Container und ein kleines Gebäude. Vermutlich gehört diese Höhle zu einem Waldkindergarten und die Kinder haben sie gebaut. Ich musste mich ducken, um mir nicht den Kopf zu stoßen. Zuerst legte ich meinen Rucksack und den Schlafsack in eine Ecke. Ich rollte meinen Schlafsack aus und breitete ihn aus. Nachdem ich damit fertig war setzte ich mich darauf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ich atmete tief durch und verbannte alle Zweifel aus meinem Kopf.

Sobald ich meine Augen öffnete trafen sie auf die von einem Jungen, der direkt vor mir stand. Ich erschreckte mich und taumelte zurück und knallte mit meinem Rücken gegen meinen Rucksack.

"Wer bist du?"

Fragend sah er mich an und wartete auf eine Antwort. Ich saß einfach nur da und musterte ihn. Er war ziemlich groß und vermutlich ein paar Jahre älter als ich. Er hatte genau so wie ich kurze, dunkelbraune Haare aber braune Augen. Er trug eine dicke Winterjacke, einen Schal und eine enge, schwarze Jeans. Mein mustern wurde durch sein Räuspern unterbrochen.

"Willst du mir vielleicht deinen Namen verraten und mir dann erklären warum du in meinem Schlafplatz liegst?"

Immer noch stand er vor mir und ich fühlte mich leicht angegriffen. Das war doch nicht sein Schlafplatz? Das ist ein öffentlicher Platz und nicht seiner. Außerdem habe ich die Höhle zuerst entdeckt!

"Ich heiße Lara und ich werde diese Höhle bestimmt nicht verlassen, denn falls du es nicht bemerkt haben solltest, ich war zuerst hier!"

Schmunzelnd sah er in mein aufgebrachtes Gesicht.

"Ach wirklich? Und warum liegt dann mein Rucksack hinter diesen Ästen?"

Ich drehte mich um und sah gegenüber von meinem Rucksack mehrere Äste auf dem Boden liegen, worunter ich einen schwarzen Stoff erkennen konnte. Bevor ich mir einen guten Konter überlegen konnte fing er an zu reden.

"Ich war kurz weg mir eine Wasserflasche holen und hab ihn deshalb versteckt. Aber ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass wenn ich zurück komme plötzlich ein Mädchen einfach so mir meinen Schlafplatz klaut."

"Ich habe ihn nicht geklaut. Ich wusste nicht, dass er besetzt ist. Aber wäre ja auch zu schön um wahr zu sein. "

Langsam rappelte ich mich auf und rollte meinen Schlafsack wieder ein. Ich tat dies extra langsam, damit er vielleicht Mitleid bekäme und sich einen anderen Schlafplatz suchen würde. Stattdessen schlug er einen Deal vor.

"Hör mal zu. Ich denke mal du hast einen bestimmten Grund, warum du hier bist und nicht gerade Zuhause in deinem Bett liegst. Ich mache dir ein Angebot. Ich habe den Containerschlüssel, das heißt du kannst hier jederzeit auf Toilette gehen, wenn du magst. Die Höhle ist groß genug das wir beide reinpassen, ohne das wir kuscheln müssen. Du kannst hier gerne schlafen, solange du mir versprichst, dass du mich diese Nacht nicht abstichst."

"Übrigens heiße ich Mason."

Ich nickte einfach nur mehrmals. Die Müdigkeit machte mir zu schaffen und ich wollte einfach nur die Augen zu machen. Ich kuschelte mich in meinen Schlafsack und nutzte meine Tasche als Kissen. Schnell warf ich noch einmal einen Blick rüber zu Mason, der sich auf eine Decke legte und sich dann in diese einrollte. Viel mehr bekam ich schon garnicht mehr mit, da meine Augenlieder immer schwerer wurden, bis ich schließlich einschlief.

Hidden LoveWhere stories live. Discover now