Kapitel 33 - „Ich will nicht

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Kapitel 33 – „Ich will nicht."

Ich weiß nicht, wie lange ich so da gesessen habe. Meine Beine sind eingeschlafen und mein Kopf dröhnt stärker, als jemals zuvor. Meine Arme sind noch immer um meine Knie geschlungen, die Wunde an meinem linken Unterarm brennt bei der Berührung mit ihnen, doch ich achte nicht darauf.
Das Fieber steigt mir zu Kopf und beeinträchtigt meine Sicht. Alles ist verschwommen, ich kann nichts mehr klar erkennen. Meine Lunge kämpft noch immer röchelnd um jeden Atemzug, der mir dann wiederum im Oberkörper schmerzt.
Ich versuche so angestrengt, wie möglich, nicht auf die Schmerzen zu achten, doch es ist offensichtlich, dass ich langsam sterbe.
Tust du nicht!", knurrt Severus prompt in meinem Kopf, aber ich habe nicht einmal mehr die Kraft, zusammen zu zucken.
„Beleidige unser beider Intelligenz nicht, Severus", röchle ich. „Ich bin nicht dumm." Ein lautes Schnauben ist meine Antwort, dann ist er ruhig und überlässt mich meinen Gedanken.
Ich werde hier sterben. Allein in diesem Gefängnis. Neben einer Lache aus meiner Scheiße. Mitten in Elend. Und niemand wird mich jemals finden.
Gerade, als ich daran denke, wie meine Leiche langsam vor sich hin rottet, höre ich Stimmen. Sie sind durch die Eisentür leise und gedämpft, aber sie sind da.
Wäre ich nicht bereits so schwach, würde ich mich in eine Ecke verkriechen und hoffen, dass mich niemand findet. Was ist, wenn Rodolphus einen weiteren Todesser eingeladen hat? Wenn er ihm erlaubt, sich an mir auszutoben? All seine Wut und seinen Hass an mir auszulassen? Ganz so, wie er es selbst getan hat?
Mein schwaches Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, schickt mir stechende Blitze durch die Lunge.
Plötzlich höre ich, wie etliche Flüche abgefeuert werden. Es knallt und bebt, sodass Staub von der Decke auf mich rieselt. Ist das jemand, der mich vielleicht...? Nein, das ist unmöglich. Niemand wird kommen.
Als ich meine Knie noch etwas fester umklammere und mein Gesicht hinter ihnen verstecke, sodass ich nur noch mit meinen Augen hinter ihnen hervorsehen kann, ertönt ein Schrei. Laut und tief. Und ich nun zucke doch zusammen. Panik macht sich in mir breit.
Was ist hier nur los? Mein Körper beginnt zu zittern. Tränen der Angst füllen meine Augen.
Und wieder höre ich Flüche und Schreie. Es klingt so, als würde dort jemand kämpfen. Bis nur noch einer schreit. Immer und immer wieder. Ein klatschndes Geräusch erfüllt die leeren, schallenden Gänge. Als würde jemand auf ein Stück Fleisch einschlagen.
Abrupt endet das Geräusch. Wenige Sekunden ist Stille, ehe erneut zwei Schreie ertönen.
In meinen Ohren rauscht das Blut, wird immer lauter. Ich kann beinahe nichts mehr wahrnehmen. Ich zittre vor Angst, meine Finger krallen sich in das Fleisch an meinen Armen.
Plötzlich ertönt ein lauter Schrei, der sich gleich darauf in ein immer leiser werdendes Gurgeln wandelt und dann ist Stille. Erdrückende, grausame Stille. Ich strenge mich so sehr an, etwas zu hören, doch da gibt es nicht. Kein Wort, kein Ton, kein Mucks. Nichts.
Ich bekomme Panik. Getrieben von Angst, schöpfe ich meine letzten Kraftreserven aus und rutsche langsam auf dem kalten Boden in die nächstgelegene Ecke. Meine Brust brennt bei jedem Atemzug, ich glaube, zu ersticken.
Doch meine Angst ist größer, als es der Schmerz jemals sein könnte. Ich werde gleich sterben.
Rodolphus wird den Besucher – wer auch immer das war – umgebracht haben. Vielleicht war es Rettung. Meine letzte Hoffnung.
Leise Schritte ertönen weit hinten in den langen Gängen. Sie kommen immer näher und näher. Ich mache mich so klein, wie ich nur kann. Verstecke mich hinter meinen Beinen.
Mein Puls schwillt an, berstet beinahe meine Venen. Tränen fließen über meine Wangen.
Für einen kurzen Augenblick stoppen die Schritte und nichts ist mehr zu hören. Ich ziehe meinen Kopf noch etwas mehr ein, verstecke mich in der surrealen Absicht, nicht gesehen zu werden, hinter meinen Knien, bis die Tür aufgestoßen wird.
Ein lauter, hoher Schrei ertönt und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich realisiere, dass ich das war. Meine Lunge drückt, ich bekomme keine Luft und huste.
Im Türrahmen steht eine große, dunkle Gestalt. Ihre Klamotten sind zerrissen und sie ist über und über mit Blut getränkt. Aus dem leuchtend roten Gesicht starren mich zwei weiße Augäpfel an. Das, was da vor mir steht, ist der Stoff, aus dem Alpträume gewoben sind.
„Du bist es", haucht die Person leise, als sie sich in Bewegung setzt und auf mich zu geschwankt kommt. Sie humpelt, belastet eines ihrer Bein nicht. Auf ihrer Schulter prangt eine riesige Fleischwunde.
Ich presse meine Augen zusammen und lege meinen Kopf auf meine Knie, ehe ich beginne, mich von vorne nach hinten zu wippen. Ich murmle leise und unverständliche Worte der Beruhigung. Vollkommen egal, Hauptsache ich muss diesen schrecklichen Anblick vor mir nicht mehr sehen.
„Hermine." Die leise, schwache Stimme mischt sich unter mein Gemurmel, dringt an mein Ohr und schickt mir eine Gänsehaut über den Körper.
„Geh weg", hauche ich leise, während stumme Tränen meine Wangen entlang laufen. „Geh weg." Ich wippe weiterhin vor und zurück, versuche nicht auf meine Umgebung zu achten. Ich blicke nicht mal auf, als ein dumpfer Schlag ertönt. Ich traue mich einfach nicht.
Meine Finger krallen sich in meine dreckigen Haare, zerren an ihnen, versuchen, sie auszureißen. Ich möchte all das nicht. Möchte meine Augen schließen und nie wieder öffnen.
„Hermine", haucht die Person erneut, ehe ich eine kalte Hand an meinem Bein spüre. Erschrocken zucke ich zusammen, schreie so laut meine lädierte Stimme es zulässt.
Ich vergrabe mein Gesicht zwischen meinen Beinen, schreie immer weiter.
„Shhh", macht die Person vor mir und ich schlage um mich. Schüttle ihre Hand ab, höre nicht auf ihre Worte. Ich schreie so lange, ehe meine Stimmbänder versagen und ich in wildes, schmerzendes Husten ausbreche.
Er sticht mit tausend winzigen Klingen in meine Lunge, durchbohrt meine Brust und schenkt mir Schmerzen, die mich alles um mich herum vergessen lassen. Panisch greife ich an meinen Hals, reiße meine Augen auf, in der Angst, dass ich ersticken würde.
Doch als ich die in Blut getränkte Gestalt vor mir sehe, presse ich meine Augen wieder zusammen. Ich habe Angst, weiß nicht wohin mit meinen Gedanken. Sie fliegen durch meinen Kopf, prallen von den Wänden ab und kommen wie Geschosse zurück auf meinen Verstand gefeuert, durchlöchern ihn und ertränken mich in Panik.
Es ist, als würde ich meinen persönlichen Alptraum erleben. Mit wandelnden Leichen und der Aussicht darauf, dass ich sterben werde.
„Hermine...", keucht die blutige Person vor mir, während ich noch immer meinen Hals zusammendrücke und hoffe, dass ich bald wieder Luft bekomme. In meinen Ohren rauscht das Blut, dämpft jedes Geräusch von außerhalb. Das Fieber wütet in meinen Adern, kocht meine Rationalität und serviert sie mir mit meinem verlorenen Mut.
Röchelnd schicke ich stumme Gebete gen Himmel, krümme mich vor Schmerzen, die meinen gesamten Oberkörper durchziehen. „Du musst ins Krankenhaus."
Weit entfernt schallt die Stimme zu mir herüber, ich meine Sorge und Leid in ihr zu hören, doch ich schaffe es noch immer nicht, mich dazu zu überwinden, mir anzuschauen, wer dort vor mir steht.
Der Husten ist inzwischen abgeklungen, hat jedoch ein braches Land in meiner Lunge hinterlassen. Alles niedergerodet und verbrannt, als hätte ich meinen persönlichen Räucherofen in meinem Körper. Ich bekomme nur schwerlich Luft, mein Herz kämpft mit aller Mühe gegen das Fieber an. Kalte Schweißtropfen stehen mir auf der Stirn und wüsste ich es nicht besser, würde ich schwören, dass sie verdampfen und in winzigen Dampfschwaden an die Decke steigen.
Mein Brustkorb arbeitet auf Hochtouren, muss gegen eine unsichtbare Last ankämpfen, die auf ihn drückt und mir das Atmen erschwert. Die kurzen Atemzüge, die ich nehmen kann, erschweren es mir, dass ich klar denken kann. Ich habe Angst, dass ich hyperventiliere oder gar ersticke.
Doch bei allem, was mir heilig ist, ich bin nicht Hermine Granger, um meinen Verstand zu verlieren. Ich muss meine Augen öffnen und mich dem stellen, das vor mir auf mich wartet.
„Hermine, bitte", haucht die Person vor mir und legt mir ihre Hand auf mein heißes Bein. Und dieses Mal ringe ich den Drang, sie abzuschütteln, nieder.
Langsam öffne ich meine Augen und obwohl ich bereits weiß, was mich erwartet, zucke ich vor Schreck zusammen. Schwach rutscht die Hand von meinem Unterschenkel, hinterlässt eine leuchtend rote Spur und ich muss mit aller Kraft gegen den Drang, mich zu übergeben, ankämpfen.
Mein Blick gleitet über die dunkle Gestalt, während ich versuche, den penetranten Eisengeruch des Blutes zu ignorieren.
Zwei weiße Augen starren mich durch all das dichte Rot an, aus ihnen laufen Tränen, die das Blut von den Wangen waschen und winzige Wege in das undurchdringliche Meer zeichnen.
Noch immer kann ich nicht klar denken. Die Schmerzen in meiner Brust, die Angst zu sterben und die Panik vor dem Menschen, der blutgetränkt vor mir sitzt, verbannen jeden halbwegs logischen Gedanken.
Plötzlich sackt die Person vor mir zusammen, fällt keuchend zur Seite. Sie hält sich ihre linke Schulter und zischt laut zwischen zusammengebissen Zähnen. Lautes Klirren ertönt, als sie aus ihrer Tasche etwas verliert, das über den Boden rollt, gegen meinen Knöchel prallt und schließlich vor mir liegen bleibt.
Schwaches Licht dringt aus dem Glasbehältnis, taucht den Raum in einen Hauch aus Hellblau. Ich starre es an – lange. Ehe sich meine Finger zitternd von meiner Kehle lösen und über die kalte, geschwungene Oberfläche streichen.
In meinem Kopf setzen sich einzelne Szenen zusammen, als wären sie ein Puzzle und plötzlich hebe ich langsam meinen Kopf und blicke die verwundete Person vor mir an.
Mein Herz beginnt erneut zu rasen, als mein Blick jeden Zentimeter der Gestalt in sich aufsaugt und versucht, zu verarbeiten. Die dunklen Augen sind zu schmerzenden Schlitzen zusammengezogen, noch immer treten Tränen aus ihnen und waschen das Blut vom leuchtend roten Gesicht. Vollkommen durchtränkt kleben die langen Haaren am Kopf, die dunklen Roben stinken nach Blut und hinterlassen auf dem Boden einen riesigen Fleck.
„Hermine", keucht die Person, als sich unsere Blicke treffen und sie sich qualvoll und unter scheinbaren Schmerzen aufrichtet – einen riesigen, roten Fleck auf den kalten Steinen hinterlassend.
„Severus", röchle ich, meine Stimme ist tief und rau, ganz fremd. Als wäre sie nicht meine eigene. Und nun beginne auch ich zu weinen, kann die Tränen, die über meine Wangen purzeln, nicht aufhalten, ehe ich noch etwas lauter und kurz vorm Husten wiederhole. „Severus!"
Meine zitternden Finger verlassen das Glas vor mir und strecken sich aus, wollen ihn berühren, sicher gehen, dass er nicht wieder nur eine Einbildung meiner Fantasie ist.
Auf halben Weg treffen sich unsere Hände, seine blutverschmierte greift um meine, seine kühle Haut kribbelt auf meiner aufgeheizten.
„Du hast Fieber, wir müssen dich wegbringen", zischt er, als er versucht, sich auf seinem verletzten Arm abzustützen.
„Ich will nicht."

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