Kapitel 52 - Zukunftssorgen

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Kapitel 52 - Zukunftssorgen

„Er ist niedlich, oder nicht?", murmelt Hermine gegen meine Brust, als wir gemeinsam auf der Couch in unseren Gemächern sitzen und die Stille um uns herum genießen.
Ich schnaube zur Antwort.
„Ein Kind", ich spucke das Wort beinahe aus, „das diesen Namen trägt, kann niemals niedlich", auch dieses Wort spucke verächtlich aus, „sein."
„Stell dich nicht so an", lacht Hermine und schlägt mir spielerisch gegen die Brust, „James Sirius ist ein passender Name, finde ich." Ich schnaube erneut.
Das Balg tut mir tatsächlich leid – jedenfalls irgendwie. Es war ohnehin schon gestraft, dass ausgerechnet Potter sein Vater ist. Aber mit diesem Namen hat es keine einfache Kindheit vor sich. Jedenfalls nicht, wenn es in meinen Zaubertränkeunterricht kommt.
Eine perverse Genugtuung macht sich in mir breit, wenn ich daran denke, dass ich dieses Balg eines Tages unterrichten könnte. All die Strafen, die ich ihm aufdrücken könnte.
Wobei... Möchte ich in elf Jahren tatsächlich noch immer an dieser Schule unterrichten? Sehe ich wirklich keine andere Zukunft für mich?
„Sie sahen sehr glücklich aus, meinst du nicht?", fragt Hermine leise und reißt mich aus meinen Gedanken.
„Ich wäre es jedenfalls nicht, wenn ich so ein Ding in den Armen halten würde." Ich verdrehe die Augen.
„Möchtest du keine Kinder?" Langsam drückt sie sich aus meinen Armen und blickt mich an. In ihren Augen liegt etwas, das ich nicht deuten kann. Entsetzen? Enttäuschung?
Merlin, ich wollte so ein Gespräch niemals führen.
„Ich weiß es nicht", antworte ich ehrlich, ehe ich aufstehe und mir ein Glas Whiskey hole.
„Ich auch nicht", flüstert sie und blickt auf ihren Schoß. In meinem Hals bildet sich ein Kloß. Hatte ich mir nicht noch wenige Stunden vorher geschworen, dass ich dafür sorgen werde, dass sie nie wieder den Glanz aus ihren Augen verliert? Was bin ich nur für ein Mann.
Ich schlucke den riesigen Felsen in meiner Kehle herunter, schütte den Whiskey hinterher und atme tief durch.
Bereits vor Wochen, direkt nach dem Gespräch mit Minerva, habe ich etwas vorbereitet, auf das ich irgendwann zurückkommen wollte. Irgendwann scheint urplötzlich heute geworden zu sein.
„Möchtest du spazieren gehen?", frage ich heiser und bete zu Merlin, dass sie es nicht merkt. Fragend blickt sie mich an, ihren Kopf leicht schief gelegt, ehe sie mit den Schultern zuckt und nickt.
„Wieso nicht."
Ganz der Gentleman, der ich bin – in diesem Moment lache ich mich beinahe selbst aus – öffne ich ihr die Türe und folge ihr hinaus auf den Gang.

„Oh", macht sie leise, als sie endlich bemerkt, wohin unser Weg uns führt. Zielsicher klettert sie über im Weg liegende Wurzeln, tippelt gekonnt über Baumstämme und weicht elegant den in den Weg hängenden Ästen aus.
Sie hat die Führung übernommen, immerhin kennt sie den Weg inzwischen ziemlich gut. Ich lasse mich etwas zurückfallen, beobachte sie dabei, wie sie ihre Beine hebt und wie ihr Körper den Zweigen ausweicht.
Ich schlucke hart, versuche, mich auf das, was kommen mag, vorzubereiten. Mein Herz hämmert wild gegen meinen Brustkorb, mein Puls rast durch meine Venen. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich schon wieder so nervös bin. Dass ich schon wieder in Gedanken daran, was passieren könnte, versinke. Aber ich muss das einfach tun. Möchte es einfach tun. Ich will, dass sie sieht, dass sie auf ewig zu mir gehört – dass ich auf ewig an ihrer Seite sein werde. Vollkommen egal, was da kommen mag.
„Wir sind daaahaaa", posaunt sie triumphierend darüber, dass sie den Weg gefunden hat, heraus. Ein breites Grinsen ziert ihr wunderschönes Gesicht, lässt mein Herz noch eine Nuance schneller schlagen und schafft es, mir ein winziges Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
„Gut gemacht, Miss Granger", hauche ich leise, als ich an ihr vorbeigehe und langsam die Tür öffne, um sie herein zu lassen. Nach einer gespielten Verbeugung geht sie in die kleine Hütte hinein, schenkt mir im Vorbeigehen eines ihrer Sonnenscheinlächeln und wischt damit jeden Zweifel und jede Angst, die ich hatte, weg.
Mit durchgestrecktem Rücken und neuem Mut, beflügelt von der Leichtigkeit, die sie ausstrahlt, obwohl sie so viel durchgemacht hat, und von der Liebe, die in jedem einzelnen Lächeln steckt, das sie mir schenkt, betrete ich hinter ihr die Hütte und schließe die Tür.
In diesem Raum hat sich nichts verändert, seit wir das erste Mal hier waren. An diesem regnerischen Abend an ihrem Geburtstag wurde mir bewusst, dass meine Gefühle für sie tiefer waren, als ich es wahrhaben wollte – auch wenn ich es mir erst viel später eingestand.
Mein Patronus hatte seine Form gewechselt, ich sah nicht länger Lily vor mir. Die grünen Augen, die mich jede Nacht in meinen Träumen besuchten, wurden braun und eine wilde, braune Lockenmähne schwebte ständig vor meinem geistigen Auge, schürte die Sehnsucht, meine Finger darin vergraben zu können.
Ich glaube, dass dieser Tag der Dreh- und Angelpunkt unserer Beziehung war. Hätte es ihn nicht gegeben, stünden wir heute nicht erneut hier. Ich wäre nicht der Mann, der ich heute bin. Würde noch immer in meinem dunklen Kerker leben und mich in Selbstmitleid und Selbsthass suhlen. Wüsste nicht, wie schön das Leben sein könnte. Trotz all der Rückschläge.
Der aufkeimende Selbsthass, dass Hermine all das nicht hätte erleben müssen, wenn wir nie gemeinsam in dieser Hütte gewesen wären, droht, mich zu überrollen, doch ich schaffe es, ihn in Schacht zu halten und nicht mehr an ihn zu denken.
Kaum merklich schüttle ich den Kopf und somit alle Gedanken von mir ab, konzentriere mich wieder auf Hermine, die vor mir steht und mir ein zaghaftes Lächeln schenkt. Jetzt oder nie.
Langsam gehe ich einige Schritte auf sie zu, ehe ich so kurz vor ihr stehen bleibe, dass mir ihr wundervoller Geruch in die Nase strömt. Ich kann ihre Wärme spüren, die von ihrem Körper ausgeht. Ich schließe meine Augen und atme ein letztes Mal durch, ehe ich sie wieder öffne und geradewegs in ihre schokoladenbraunen Augen blicke.
„Es gibt keinen Ort auf diesem merlinverdammten Planeten, der geeigneter dafür wäre, als dieser hier", hauche ich heiser. Mein Brustkorb hebt und senkt sich angestrengt. Fragend legt sie ihren Kopf zur Seite und betrachtet mich neugierig und abwartend. Ich schlucke erneut hart. „Ich weiß, dass das hier jetzt mehr Kitsch und Romantik ist, als du jemals von mir bekommen wirst, aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich das tun muss."
„Was?", fragt sie mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren übertönt beinahe alles, mein Herz klopft in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit gegen meine Brust.
„Hermine Jean Granger, ich habe mir geschworen, dass dir nie wieder Leid zugefügt wird. Dass ich immer an deiner Seite sein werde. Dass ich bis an mein Lebensende dafür Sorge tragen werde, dass der Glanz aus deinen Augen nicht mehr verschwindet", flüstere ich leise und dunkel, während mein Blick jede ihrer Bewegungen aufsaugt und beobachtet. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht vorhabe, dich je wieder zu verlassen, vollkommen gleich, ob es schwierig wird oder nicht. Ich wollte mich nie verlieben oder von jemandem abhängig sein, ich wollte im Grunde nichts. Aber dann bist du aufgetaucht und plötzlich fing ich an, alles zu wollen." Ich atme tief durch, ehe ich auf meine Knie sinke und etwas aus meiner Robeninnentasche ziehe. „Ich möchte dich heute fragen, ob du noch immer meine Frau werden möchtest."
Ergeben strecke ich meine Hand aus, das grelle Licht des Seelenglases erfüllt den Raum schlagartig, taucht ihr Gesicht in surreales Licht, lässt die Tränen auf ihrer Wange silbern glitzern.
„Ja", haucht sie keine Sekunde später und sinkt ebenfalls auf ihre Knie. Zitternd streckt sie ihre Finger aus, berührt das Seelenglas und ehe ich mich darauf konzentrieren kann, was dort in meiner Hand geschieht, liegen ihre Lippen auf meinen, nehmen meinen gesamten Geist gefangen.
Ein warmes Gefühl breitet sich zähflüssig in meinem Arm aus, krabbelt langsam in meine Schulter und explodiert mit ungeahnter Intensität in meiner Brust.
Erschrocken reißen wir die Augen auf, blicken augenblicklich zum Seelenglas. Ein hellblauer Rauch hat sich um unsere Hände geschlungen, kriecht in dünnen Nebelschwaden unsere Arme hinauf und verschwindet mitten in unserer Brust.
Langsam drehe ich meinen Kopf zu ihr, ignoriere mein wild gewordenes Herz und blicke ihr direkt in die Augen, um die sich winzige Lachfalten bilden, als ein glückliches und ausgelassenes Lächeln ihre rosigen Lippen ziert.

Komm, uns bleibt die Ewigkeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt