Und erneut überkam mich ein schmerzvoller Stich. Wieder und wieder musste ich das ertragen. Konnte dies nicht endlich aufhören. Der ständige Schmerz wurde von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht schlimmer. Ich merkte, wie ich immer mehr in die Dunkelheit abdriftete. Alles wurde mir egal. Mich kümmerte nichts mehr, berührte nichts mehr. Mein Gemüt wurde immer dunkler, kälter.
Noch vor ein paar Monaten war ich die emotionalste Person, die man nur kannte. Weinte wegen jedem noch so kleinem Zwischenfall. Doch nun hatte es sich ausgeweint. Hatte keine Kraft mehr, keine Tränen mehr. Verschloss mich immer mehr. Schottete alles und jeden von mir ab. Das Ergebnis? Niemand wollte mich freiwillig dabei haben. Ich musste mich schon regelrecht aufzwängen. Interessieren tat es mich zu dem Zeitpunkt schon. Jedes Mal verletzte es mich aufs neue, zu sehen wie sie sich immer mehr anfreundeten und man selbst eigentlich niemanden hatte, den man überhaupt so viel bedeutete. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht. Wochenlang versuchte ich mein Bestes, mich in irgendeinen Freundeskreis einzubauen, ohne Erfolg. Ich war immer noch die, die einfach da war, der man nichts erzählte, die sich immer unnötig einmischte, obwohl sie keine Ahnung hatte, die die verzweifelt versuchte Witze zu reisen, bei denen selten wer schmunzeln musste.
Und dann wundern sie sich, warum man nicht mehr so hyper glücklich ist. Man einmal nicht mit einem Grinsen in den Raum tritt. Es lässt einen verdammt viel nachdenken. Die Menschen, die einen noch mögen, treibt man dadurch immer weiter weg. Man stürzt immer weiter in ein tiefes schwarzes Loch aus dem man selbstständig nur schwer wieder hinaus klettern kann. Zu diesem Zeitpunkt suchte ich eine Methode zum Druck ablassen, zum Vergessen. Alkohol und Tabak. Partys. Erinnerungsfetzen an die Nächte. Alles war mir egal. Ich wollte nur eines - vergessen. Und wenn es anders nicht ging, dann eben so. Alle verurteilten sie mich. Konnten nicht glauben, dass ich so war. Sie sprachen von einer gespaltenen Persönlichkeit. Doch ich war einfach nur ich. Gebrochen von der Gesellschaft. Von meinem Umfeld. Anvertrauen tat ich mich keiner Person mehr, denn ich nervte sie nur. Sie sind es leid, immer die gleichen Beschwerden zu hören. Immer das gleiche kleine Übel, über das man sich eigentlich nicht beschweren durfte. Andere haben es immerhin viel schlimmer. Aber hey, was weiß ich schon. Anscheinend wird von mir erwartet , dass ich immer die hyperaktive lustige Person sein, nie angepisst oder traurig. Immer die, die jeden aufmuntert und für jeden da ist.
Nun ist es wieder so weit. Meine Gedanken drohen mich zu ersticken. Sie wandern immer wieder zu einem silbernen Metall in meinem Nachttisch. Jederzeit griffbereit. Nur für den Fall. In der blauen Box. Unter den Gummibändern. Eine kleine Klinge - entfernt aus einem Anspitzer. Doch immer noch so scharf. So reizvoll...
Aber niemand erhört meine Hilfeschreie. Keiner sieht die Anzeichen auf meinem Arm. Oder ignorieren es. "War ihre Katze" Standardausrede. Für sie und für mich. Sollte ich es wieder wagen? Nur ein kurzer Schnitt. Ein Schnitt der Erlösung. Ich wollte rot sehen. Meinem Nachttisch kam ich immer näher. Konnte die Box schon erkennen. Hatte die Klinge in meiner Hand. Drehte sie ein paar Mal. Und legte sie wieder zurück. Ich musste stark bleiben... Konnte nicht wieder in dieses Loch fallen. Denn bald hatte ich so viele auffällige Narben, dass meine Ausrede an Glaubwürdigkeit verlor.
Und so legte ich mich in mein Bett. Nach stundenlangem Überlegen fand ich schließlich den erlösenden Schlaf nach dem mein Körper regelrecht gierte...