Kapitel 12

28 6 2
                                    

Ich hörte das Rascheln von Blättern, was jedoch nicht von mir kam. Ich schaute mich um und entdeckte den Umriss von einer Person einige Meter mir. Ich zuckte leicht zusammen, schaute dann aber schnell wieder nach vorne. In meinem Kopf malten sich schon Fluchtwege aus die ich wählen könnte...

Sei doch nicht so Paranoid, das ist ja schon ziemlich übertrieben. Du bist nun mal nicht die einzige Person die in diesem Ort hier wohnt. Auch wenn er nicht groß ist.

Ich hörte die Person hinter mir husten und konnte so herausfinden, dass es sich wohl um eine Männliche Person handeln musste.
Erneut drehte ich mich um und stand nun direkt im Schein von einer Laterne, so dass er mich sehen konnte nur ich leider ihn nicht.

Ich hätte mich selber Ohrfeigen können, denn das war mal wieder nicht meine hellste Aktion.
„Hey Chloe!"
Ich blieb stehen und drehte mich einmal um meine Achse.
Tatsächlich. Vor mir stand Jannik, seine Haare waren durcheinander, er trug einen großen Pullover und er hatte eine Sporttasche dabei.
„Was machst du denn um die Uhrzeit noch hier draußen?"
„Du klingst ja schon wie meine Mutter!", gab ich gespielt genervt zurück.
Er lachte. Er hatte ein schönes Lachen, seine Stimme war tief und hatte etwas besonderes an sich.
„Ich wusste nur nicht was ich tun soll und Zuhause wollte ich nicht rumhocken.", antwortete ich dann schließlich. „Gegenfrage: Was machst du noch draußen?", und lächelte ihn an.
„Hatten grade ein Basketballspiel", demonstrativ hob er seine Tasche ein Stück hoch.
„Und?", fragte ich ehrlich interessiert.
„Wir haben 84:40 gewonnen", sagte er stolz und seine Augen funkelten dabei.

Eine Weile gingen wir einfach schweigend nebeneinander her. Im Schein von einer Laterne sah ich ihn von der Seite an während er auf seine Unterlippe biss. Dann sah er mir mit seinen grünen Augen direkt in meine Braunen. Er öffnete kurz den Mund und schloss ihn wieder.
„Weißt du....letztens im Gang...es tut mir Leid, hab mich da richtig falsch ausgedrückt....", stammelte er.
„Schon gut...solange ihr euch nicht so verhält hab ichs vergessen.", erlöste ich ihn von seiner Stammelei und lächelte ihn schief an.

Ich war froh, dass er nicht zwingend versuchte eine Unterhaltung zu führen. Denn das wird meistens eh nur komisch und unangenehm.

Ich wusste nicht wie lange wir so nebeneinander durch den Ort schlenderten, doch dann war der Ton seines Handys zu hören und ich zuckte leicht zusammen da ich darauf nicht vorbereitet war.
Er warf einen kurzen Blick darauf, schaute mich flüchtig an und murmelte laut genug damit ich es verstand: „Ich muss jetzt los.....man sieht sich."
Ich wollte noch antworten doch da drehte er sich auch schon um und ging mit schnellen Schritten in die andere Richtung.
„Okay...tschau.", murmelte ich noch und blickte ihm verwirrt nach.

Ich schaute auf mein Handy. 23:54 Uhr. Erschrocken darüber wie schnell die Zeit verging machte ich mich auch auf den Weg zu unserer Wohnung.

Langsam schleppte ich mich die letzten Stufen zu unserer Wohnung hoch und schloss leise die Tür auf.
Eigentlich wollte ich gleich in meinem Zimmer verschwinden doch als ich an der Küche vorbei ging zeigte mir meine Mutter mit einer Handbewegung, dass ich reinkommen sollte.
Sie selbst saß am Küchentisch und sah alles andere als Glücklich aus und mein Bruder lehnte mit verschränkten Armen an der Küchentheke.

Verwirrt schaute ich von ihr zu meinem Bruder und wieder zurück.
„Setz dich mal, Chloe.", forderte sie mich nach ein paar Minuten auf. Also setzte ich mich einen Meter neben Max auf einen Küchenschrank und lies meine Beine baumeln.

„Gut, dass du da bist. Ich wollte es gerade deinem Bruder erzählen weil ich nicht wusste ob ich dich noch erwarten kann.

Ich fühlte, dass irgendwas nicht stimmte und deshalb konnte ich keine Reaktion zeigen, ich konnte nicht einmal nicken. Doch meine Mutter störte das eher weniger und fuhr fort.

„Ich weiß, das alles ist zurzeit nicht so leicht für euch, besonders für dich. Sie schaute mich kurz an bevor sie ihren Blick wieder dem Glas vor ihr zuwand. Nervös drehte sie es in ihren Händen während Max und ich geduldig warteten. Unsicher sah ich ihn an und er zuckte leicht seine Schultern und zog seine Augenbrauen zusammen.
„Ihr seid jetzt beide zum Glück schon alt genug um euch mal selber zu versorgen."

Sofort richteten sich unsere Blicke auf sie und alles in mir spannte sich an.

„Denn ich muss leider für einige Zeit weg.....jedoch kann ich euch nicht sagen warum und für wie lange.", bedauerte sie. „Noch nicht.", fügte sie hinzu.

In meiner Brust zog es sich zusammen und jetzt hatte mich endgültig meine Stimme verlassen.
Nach einigen Sekunden oder Minuten räusperte sich Max neben mir und gab ein „Ab wann?" von sich.

„Meine Sachen habe ich schon gepackt......das Taxi müsste in den nächsten Minuten kommen.........Ich lasse euch das Geld, das ich die letzten Jahre gespart habe hier. Es ist nicht allzu viel, aber so werdet ihr erst mal um die Runden kommen. Und einige Monate müsste es auch reichen."

„Einige Monate?!", presste ich geschockt hervor und riss meine Augen auf.
„Ich weiß es nicht Chloe. Ich weiß es nicht.", murmelte sie traurig.

Hilflos schaute ich zu Max der Mom anstarrte und dann langsam seinen Kopf in meine Richtung drehte und ihn kaum merklich schüttelte.

Sie schaute uns verzweifelt an. „Ich werde euch möglichst bald alles erklären und wünschte ich könnte es jetzt schon."

„Möglichst bald.....", murmelte Max.
„Nicht mal das weiß ich wann es ist....macht euch bitte keine zu großen Hoffnungen, dass es bald sein wird."

Es klingelte an unserer Tür und mir war klar, dass das das Taxi sein würde.
Meine Mutter verließ die Küche um ihre Sachen zu holen.

Wir blieben beide wie angewurzelt stehen und starrten vor uns hin.
Kurz darauf kam sie wieder in die Küche und ging auf mich zu, nahm mein Gesicht in ihre Hände und schaute mich eindringlich an. „Pass auf dich auf, dein Bruder wird immer für dich da sein und denk immer daran, dass alles irgendwann besser wird."
Sie schloss ihre Arme um mich und drückte mir dann einen Kuss auf die Wange. Sie wischte sich mit ihrer Hand über ihre Augen und ging zu Max: „Pass bitte gut auf sie auf, und auch auf dich. Ihr könnt das alles schaffen zu zweit. Ihr müsst nur daran glauben. Auch ihn drückte sie fest an sich.

Sie griff nach ihren Koffer und an der Wohnungstür drehte sie sich noch ein letztes mal um und lächelte uns gequält mit Tränen in den Augen an.
Dann fiel die Tür ins Schloss und man hörte nur noch ihre schritte, die auf den Treppenstufen heruntereilten.

Verlass mich nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt