Kapitel 11

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Warten. 
Warten, auf das Meeting, das scheinbar nie kommen will.
Manchmal fühlen sich Minuten wie Stunden an, ziehen sich, wie ein klebriger Kaugummi.

Es liegt daran, dass sie so sehr auf diesen Moment wartet.
Gaia weiß es. 
Sie kann sich nicht daran erinnern, jemals etwas so sehr herbeigesehnt zu haben.
Die Tür ihres Käfigs ist offen und sie muss nur noch warten. Auf den einen, den einen richtigen Moment, um die Schwingen auszubreiten und ihn endgültig zu verlassen.

Auf dem Nachtkästchen vertrocknet die weiße Rose von Gino. Sie wagt es nicht, sie ins Wasser zu stellen. Aus Angst, Bond könnte dem zu viel Bedeutung schenken und im letzten Moment misstrauisch werden, ihren sorgfältig zurechtgelegten Plan ruinieren.

Trotzdem behält sie die vertrocknete Blüte.
Nur eine von vielen aus dem Rosengarten auf dem Weingut seiner Eltern. Sie schienen nie weniger zu werden, obwohl er fast täglich eine Blume für sein Revers schnitt.

Ganz am Anfang brachte er ihr zu jedem Treffen Rosen mit...meistens gelbe, später weiße und dann immer öfter rote.
Dunkelrot. 

Keine einzige violette.
Liebe auf den ersten Blick...viel zu kitschig, selbst für ihn, den hoffnungslosen Romantiker. Gott, wie lange es gedauert hatte, bis sie sich zum ersten Mal küssten.
Nach ihm hatte sie sich nie wieder so viel Zeit für jemanden genommen.

"Schenkt Q dir auch Rosen?", Bond lässt sich neben ihr auf das große Doppelbett fallen, reißt sie aus ihren Gedanken, "Weiße Rosen?"

"Nur gelbe Rosen."

"Weil er weiß, dass bei dir jede Unschuld und Treue verloren ist."
Die Stichelei ist schmerzhafter, als sie sich eingestehen will.
Vor allem der letzte Teil.

"Halten Sie den Mund, Bond", ihr langes Haar peitscht hinter ihr durch die Luft, als sie sich ruckartig zu ihm umdreht und ihn angriffslustig anfunkelt, "Ich wüsste gerne, ob Ihnen jemals weiße Rosen geschenkt worden sind."

"Wir waren schon beim Du", ein süffisantes Lächeln breitet sich auf seinen schmalen Lippen aus; Gaia würde es ihm am liebsten mit einer Ohrfeige aus dem Gesicht wischen. 
"Von deiner Mutter habe ich jedenfalls nie welche bekommen."

Das Eis, auf dem sie sich bewegen, wird gefährlich dünn.
Auch nach so vielen Jahren hat sie das Gefühl, er würde mit seinen Worten, den Dolch in ihrer Brust langsam herumdrehen. Ganz langsam, möglichst qualvoll.

"Es war ihre Aufgabe, ihr Rosen zu schenken", ihr Blick wird eiskalt, "Lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel."

Gott, wie es wehtut.

Aber sie darf nicht...

"Ich gehe duschen."
Sie springt auf, schnappt sich ihren seidenen Morgenmantel.
Besser, ihn in sicherer Entfernung zu wissen, bevor sie einen falschen Schritt macht.

Hinter ihr fällt die Tür ins Schloss und sie dreht eilig den Schlüssel herum.
Ihr Schulterholster landet geräuschlos auf dem dunklen Langfloorteppich und im nächsten Moment kämpfen ihre Finger auch schon mit dem obersten Knopf ihrer petrolblauen Bluse.

Auf einmal ist ihr der Kragen zu eng.
Wird mit jeder Sekunde enger und schnürt ihre Kehle zu.
Gaias Hände zittern.

Der Knopf reißt ab, fällt mit einem leisen Geräusch auf den hellen Marmorboden.

Sie verliert die Kontrolle.
Mehr und mehr.
Ihr Perlenarmband, ihre Uhr landen unsanft auf dem Rand des Waschbeckens, dann dreht sie das Wasser voll auf.

Gut, dass Bond ihre Entgleisung nicht sehen kann.
Sie darf die Kontrolle nicht verlieren, solange sie in seiner Nähe ist.

Auch nicht, wenn er ihre Eltern in die Sache zieht.

Gerade dann nicht.
Egal, wie schwer es ihr fällt.
Gerade weil es ihr so schwer fällt, weil ihre Eltern der einzige Schwachpunkt sind, den Bond kennt.

Gaia beißt sich auf die Unterlippe.
Den Verlust nicht zu nahe an sich heran lassen, die Mauern noch höher ziehen und eine noch kältere Maske aufsetzen.

Sie weiß nicht, wie oft sie das schon versucht hat, wie oft sie daran schon gescheitert ist.
Ein schier unendlicher, nie endender Kreis.
Gott, wie sehr sie es hasst.

Das Wasser ist eiskalt, durchnässt ihre Kleidung und ihr Haar, lässt es beinahe schwarz wirken. Einzelne Tropfen perlen von ihrer leicht gebräunten Haut ab, rollen über ihre Schultern und ihren Rücken, waschen ihre Wimperntusche und ihren sorgfältig gezogenen Lidstrich langsam davon.

Sie lässt den Kopf in den Nacken fallen und schließt die Augen, tastet blind nach dem Wasserhahn, um die Temperatur nach oben zu drehen.

Warum muss es nur so verdammt kompliziert sein?
Warum können die Dinge nicht einfach wieder so werden, wie sie früher waren?
Früher...kurz nachdem sie Gino kennengelernt hat.

Damals, als ihnen alles so leicht erschien.
Wie ein Spiel.

Ein Spiel, in dem es für sie nichts zu verlieren gab.

Es hat sich verändert.
Ein falscher Schritt und sie stürzt.
Es gilt...alles oder nichts.

Ihre Hände zittern immer noch leicht, als sie mit dem Verschluss ihres BHs kämpft.
Nicht noch schwächer werden.

Sie lässt sich rückwärts gegen die Wand fallen, versucht, sich auf das Gefühl der kalten, glatten Fliesen in ihrem Rücken zu konzentrieren...tief durchatmen.
Ihr Puls sinkt langsam wieder auf ein normales Level.

Und als sie erneut versucht, ihren BH zu öffnen, gelingt es ihr sofort.

Sie kann das.
Sie kann bis zum letzten Atemzug kämpfen.
Vor allem will sie es.

[A/N]

Ein relativ kurzes Kapitel ^^ aber das nächste wird wieder länger =]

Und wir nähern uns mit großen Schritten dem Ende dieser FF.

Lasst mir sehr gerne euer Feedback und konstruktive Kritik da!

-M

Queen Of Spades - g1nsterkatze - 007 - James Bond Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt