Gott langweilt sich, oder wie es einmal zum Urknall kam

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Gott gähnte ... Was heisst 'Gott gähnte'? Wie soll das denn gehen? Ach, unterbrechen Sie mich bitte nicht! Gott war es sterbenslangweilig und darum hat er halt gegähnt, wie jeder Andere auch. Punkt! Na gut, und wie gähnt Gott? Na göttlich eben. Nicht so wie Sie armselige Kreatur, mit aufgerissenem Mund allerhand restauriertes Zahnwerk und Ihr rosig-krauses Inneres zur Schau stellend. Gott gähnt ohne all diese körperliche Peinlichkeiten, indem ER einfach sein göttliches Wesen seinem Empfinden grenzenloser Langeweile anpasst. Keine Ahnung, wie sowas wohl aussieht. Unbeschreiblich halt. Akzeptieren Sie es einfach mit gebührender Demut, man muss ja nicht immer alles bis ins Letzte hinterfragen! Naja, wie auch immer, ER langweilte sich jedenfalls unermesslich, unauslotbar, grenzenlos, wie es eben nur Gott in seiner einsamen Ewigkeit, seiner ewigen Einsamkeit, gegeben war. Reicht das jetzt? Ja ich geb's ja zu, für uns erbärmliche Erdenwürmer ist das Ganze einfach unbegreiflich und unfassbar. Ausserdem unserem hehren Gottesbild Hohn sprechend. Eigentlich eine Zumutung, jawohl! Das wird man ja noch sagen dürfen, da haben Sie schon recht!

Doch wir wollen nun einmal nicht kleinlich sein und Gott dieses allzu menschliche Verhalten nachsehen. Denn nach dem unbedachten, ja, ich muss schon sagen rücksichtslosen, Beschluss, unser, seiner Schöpfer, gab es ihn schliesslich rückwirkend schon seit einer nicht endend wollenden, ja, nicht enden könnenden Ewigkeit. Ja, Sie lesen schon richtig, rückwirkend! War dies wirklich nötig? Man lasse daher Milde walten und bedenke, dass es bis zu seinem, noch dazu erstmaligen, göttlichen Gähnen ja nur ihn gab und nichts ausserhalb seiner. Weder Cherubim noch Seraphim zu seiner Gesellschaft und Unterhaltung, geschweige denn die, zu seinem Lobe eifrig auf ihren Harfen und Zithern herumzupfenden, Engel der niedrigen Arten, auf ihren wohlig weichen Wolken ihn umschwebend. Nein, es gab noch rein gar nichts und Niemanden ausserhalb Gottes. Denn es gab kein Ausserhalb, alles war im Innerhalb, in ihm. So war es der Wille unser, die wir Gott in unserer Not erschaffen hatten, aus purem Eigennutz, auf dass wir nicht allein seien.

Ja, es geschah, als der Mensch zum Menschen wurde, gepeinigt von glühender Hitze und zitternd in eisiger Kälte, gejagt von wildem Getier und erschlagen von neidvollen Seinesgleichen. Und als der Mensch sah, dass es nicht gut war, dass er allein und unbehütet war, schuf er Gott nach seinem Bilde und Gleichnis, auf dass die Hitze weniger glühend, die Kälte weniger eisig, das Getier weniger wild, Seinesgleichen weniger neidvoll seien. Denn der Geplagte wusste es nicht besser. Alsdann verlieh er Gott Allmacht und Allwissenheit, und setzte ihn über sich und alle Anderen, damit für ihn ein wenig Hoffnung sei, und Verdammnis für alle, die ihm Übel wollten. Und der Mensch erhob seine Hände zum Himmel empor und sprach zu Gott: 'sieh da, ich bringe dir ein Opfer dar, und sei es selbst mein eigen Kind. Ich übergab dir Macht und Verantwortung über mich und Meinesgleichen, so schütze mich und vernichte meine Feinde.' Und der Mensch huldigte der Herrlichkeit Gottes mit eisener Hand, und brachte freigiebig den Unwissenden seinen Glauben oder Krieg, Folter und Tod. Denn all dies vermag der Berge versetzende Glaube.

Oh Unglück, der Mensch in seinem Wahne erlaubte Gott keinen Anfang und kein Ende. Unendlich und ewig schuf er ihn, existierend immerdar, hinweg über alle Zeitläufte, ohne jeglichen Anfang und ohne Hoffnung auf ein gnädiges Ende. Und der Mensch wusste nicht, welch Leid und Qual er Gott damit zufügte, was es hiess unendlich und ewig zu sein. Und Gott verzieh uns, seinen unbarmherzigen Schöpfern, nicht. ER schenkte den Menschen in seiner kalten Allmacht unwiderruflich die Freiheit, ihr grausiges Los nach ihrem eigenen Gutdünken zu gestalten. Nein, Gott verzieh uns nicht. ER bedachte jedoch nicht die Folgen seiner Allwissenheit. Gott litt göttlich, also unmenschlich, angesichts des furchtbaren menschlichen Tuns, vor dem es ihm nicht möglich war, die Augen zu verschliessen.

Nun, blicken wir weit zurück, dorthin, wo es weder Raum noch Zeit gab, wo nach dem Willen unser, seiner Schöpfer, nur Gott war und sonst gar nichts. Ja, damals trug es sich zu, wie ich bereits erwähnte, dass Gott einmal ganz fürchterlich gähnte. Denn alles was ER sich zu sagen hatte, hatte ER sich bereits gesagt, alles was ER denken konnte, hatte ER bereits gedacht, alles was ER sein konnte war ER bereits gewesen. So nahm es nicht weiter Wunder, dass es ihm schlicht und einfach sterbenslangweilig war. Auch die Zeit floss ja weder schnell noch langsam dahin, nein, sie verging überhaupt nicht, denn es gab noch keine Zeit in der Ewigkeit. Sie hätte ja auch nichts gehabt, woran sie ihr Vergehen hätte messen können. Aber es gab keine Veränderung, kein Werden und Vergehen, denn Gott war zeitlos, ewig und unendlich. Selbst ER konnte eigentlich gar nichts tun, ja sich nicht einmal an der Nase kratzen, wenn ER denn eine gehabt hätte. Es gab ja auch noch keinen Raum. Es gab einfach nichts. Ja, nicht einmal das 'Nichts' gab es, denn es gab ja auch kein 'Etwas', von dem es sich hätte unterscheiden können. Es gab einfach nur Gott, und ER genügte sich nicht mehr selbst. Ihm war unendlich langweilig, und deshalb gähnte ER.

Nun denn, so kann das wohl nicht weitergehen, sprach ER zu sich. Das vermag ich nicht länger zu ertragen. Mein zeit- und raumloses Dasein soll ein Ende haben! Alsdann raffte ER sich auf, und begann, mühevoll und ungeübt, dilettantisch, um nicht zu sagen reichlich tollpatschig, Raum und Zeit, Dimension für Dimension, Jahrhundert für Jahrhundert, von seinem allumfassenden Sein abzuspalten. Der Raum war noch nicht makellos gerade, euklidisch sozusagen, nein er dehnte, krümmte und wand sich, von Wurmlöchern durchzogen und von Singularitäten entstellt. Und Gott sah sich mit einem Mal von eisiger, dunkler, um nicht zu sagen kohlrabenschwarzer, Leere umgeben. Gähnender Leere, da ER versehentlich auch sein Gähnen mit dem Rest von sich abgetrennt hatte. Und was war mit der Zeit? Ach Sie schon wieder, mit Ihren dämlichen Zwischenfragen. Nun, die war unschlüssig, sie wollte zwar, aber konnte nicht vergehen. Sie fand ja nichts in diesen verschwurbelten, absolut leeren Räumen, das sich veränderte, an dem sie sich messen konnte. Gott sah, was er da geschaffen hatte und war unzufrieden. Die Zeit verging immer noch nicht, und es war ihm immer noch unermesslich langweilig.

Ja, bitte, was sagen Sie? Sie glauben mir nicht? Woher ich das alles so genau weiss, wollen Sie wissen? So steht das nicht in der Bibel, behaupten Sie? Ausserdem, 'Gott ist tot, das wissen wir doch schon seit Nietzsche', reiben Sie mir hämisch unter die Nase? Nun ja, ich war natürlich damals, bei der Erschaffung Gottes in seinen zahllosen Erscheinungsformen, von Allah über Jahwe bis Zeus, nicht dabei. Und natürlich auch nicht die Milliarden Jahre davor, als Gott beim Urknall alles um die Ohren flog, um es einmal beim Namen zu nennen. Wie denn auch. Ich wurde ja erst Äonen später gezeugt, geboren und so weiter. Überdies wäre ja wohl keiner von uns gerne dabei gewesen, damals beim Urknall, da muss es ja reichlich ungemütlich zugegangen sein.

Nun also, ob Sie es glauben oder nicht, Gott hat es mir in einer ruhigen Stunde selbst erzählt. Bei einer Flasche Wein konnte ER recht gesprächig werden. Ja, wirklich. ER hatte, wie so oft, wenn er Spass haben wollte, menschliche Gestalt angenommen - sie wissen schon, so mit weissem langem Rauschebart, und so. Das war, als ER schon gesetzter war, sich sozusagen die Hörner abgestossen hatte. Sie wissen vermutlich ja, dass ER früher, bei den alten Griechen, beispielsweise, auch ganz andere Sachen ausprobiert hatte. Denken Sie an Zeus als Stier, mit der jungfräulichen Europa, und so. Damit käme er heute wohl nicht mehr so ohne Weiteres durch, es war ja wohl kaum einvernehmlich mit den Beiden. Naja, Europa hat ja auch ein paar Schäden davongetragen. Ach, Schwamm drüber, so genau wollen Sie das sicher gar nicht wissen. Das spielte sich ja auch früher ab, in Gottes Sturm und Drang Zeit, sozusagen. Heute sitzt ER lieber bei einem oder gerne auch zwei Gläschen Wein am Kamin und geniesst das Menschsein auf Zeit in Ruhe oder auch bisweilen mit Unterhaltung beim Fondue. Manchmal verfolgt ER auch erschaudernd einen der zahllosen Kriege, die die Menschen so gegeneinander führen. Es nimmt ihn jedesmal ein bisschen mehr mit, wozu seine Schöpfer in der Lage sind. ER puzzelt auch liebend gerne, um sich die Zeit zu vertreiben, fügt ein Stück zum anderen, zum grossen Ganzen. Eine besondere Herausforderung stellt da das Zusammensetzen der in tausend Stücke zerfetzten selbsternannten Gotteskrieger dar. Schelmisch, wie er sein kann, 'vergisst' ER gerne manches Mal das entscheidende Teil der Männlichkeit dem neu erstandenen Gotteskrieger wieder anzufügen, wenn sie bei ihm, die ihnen versprochenen, zweiundsiebzig Jungfrauen abholen wollen. ER hat ja auch wirklich grosse Probleme, die vielen Jungfrauen aufzutreiben. Zum einen gibt es bekanntlich kaum noch welche in heutigen Zeiten, zum andern hatten die wenigen, die ER finden konnte, auch keine grosse Lust auf die gepuzzelten Gotteskrieger. Gott stellt ihnen seit Neuestem ersatzweise, diese ja für immer jungfräulichen, preiswerten, japanischen Sexpuppen zur Verfügung. Den meisten Gotteskriegern fehlte ja sowieso der eine oder andere Teil, besonders aber der Eine, der wesentliche. Das aber nur so am Rande, auf dass Sie mir glauben, dass Gott sozusagen aus dem Nähkästchen geplaudert hatte, mir einen Einblick in sein unergründliches Wesen erlaubt hatte.

Wie auch immer, lange davor spielte Gott gerade wieder einmal mit Zeit und Raum herum. Um ehrlich zu sein, hatte ER ein wenig den Überblick verloren. All diese von Wurmlöchern durchzogenen Paralleluniversen, und die Schwindel erregende Anzahl von wackelig auf- und ineinander gestapelten Dimensionen, die ER mit mehr und mehr seiner göttlichen Energie stabilisieren musste, machten ihn etwas konfus. ER war gerade dabei, etwas zu grosszügig die kosmologischen Konstanten zu redimensionieren, als ER die Kontrolle verlor und die Raumzeit im rasenden Wirbel vollständig in sich zusammenstürzte, bevor sie Gott in einer urgewaltigen Explosion, uns elenden Sterblichen als Urknall bekannt, um die nicht vorhandenen Ohren flog. Ja, so begann es für uns. Und Gott langweilte sich nicht mehr, auch wenn er sich manchmal in die alten Zeiten zurücksehnte.

Den Rest der Geschichte kennen Sie ja. Wenn nicht, dann schlagen Sie doch einfach in der Bibel nach, oder googeln Sie halt, was immer Sie interessieren mag. Das war's dann meinerseits.

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⏰ Last updated: Oct 28, 2017 ⏰

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