KAPITEL 9 - OBEN

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Ich frage mich, wie lange ich geschlafen habe, als ich aufwache, ist es jedenfalls dunkel. Eigentlich war es das hier drinnen auch, als ich mich hingelegt habe. Aber irgendwie spüre ich, dass es jetzt auch draußen dunkel ist. Ich setze mich auf und sehe mich um, bis meine Augen sich an das schwache Licht gewöhnen. Tatsächlich bin ich jetzt nicht mehr allein im Raum, um mich herum liegen einige andere Menschen und der Raum ist voll. Neben mir liegt Caddy. Und auf meiner anderen Seite liegt Louise und daneben Fairy. Ich lächele bei dem Anblick der drei und lehne mich zurück, jedoch ohne mich ganz hinzulegen. Ich atme geräuschvoll aus und halte mir die Hand vor den Mund, als ich bemerke, dass das wohl etwas zu laut war. Aber ich kann mir jetzt wohl sicher sein, dass mindestens die Hälfte der Leute in diesem Raum jetzt wach ist. Niemand rührt sich. Also lege ich mich auch wieder hin.

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Ich habe die ganze Nacht, wenn es überhaupt Nacht war, kein Auge zugemacht. Ich habe nur etwas warmes, felliges an meinem Arm gespürt und als das Licht draußen wieder angegangen ist, habe ich auch erkannt, was es war. Peak liegt zusammengerollt zwischen mir und Lou und schläft friedlich vor sich hin. Ich streichele ihm sanft über den Kopf und erkenne aus den Augenwinkeln, dass Lou sich streckt und sich so hinlegt, dass sie mich ansehen kann. Sie sieht noch verschlafen aus, lächelt mir aber entgegen. "Na, gut geschlafen?", fragt sie mit einem belustigtem Unterton. "Jaa", seufze ich. "Und was ist daran so lustig?" Lou zuckt mit den Schultern und steht grinsend auf. "Eigentlich gar nichts. Ich bin nur gut gelaunt. Das erste mal seit Tagen" Dann dreht sie sich um und schnipst mit den Fingern, während sie summend durch das Türloch schlüpft. Ich lache auf und ernte dafür einen erschrockenen Blick von Peak.

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"Hast du Lust auf ein Pferd?", fragt Lou mich begeistert. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und sehe Lou entgeistert an. "Das ist doch nicht dein Ernst, oder?" "Doch! Ich meine, ich habe mir immer ein Pferd gewünscht, und jetzt gibt es welche für einen einzigen Punkt zu kaufen. Hast du gehört, für einen einzigen! Irgendwann sind die doch ausverkauft." Ich schnaufe. Ausverkauft. Als wären es Gegenstände, mit denen man tun und lassen kann, was man will. Pferde sind Lebewesen, die das Recht darauf haben, frei zu leben. "Also ich hole mir jetzt eins. Ob du mitkommst ist deine Entscheidung." "Ich komme mit, aber ich kaufe mir keins", gebe ich entschlossen zurück. Wir schlendern die Straße entlang. Zumindest würde ich es gerne tun, aber Louise rennt fast, sodass ich Mühe habe, ihr im Schritttempo hinterher zu kommen. Sie bleibt vor einem Haus stehen, was wieder genauso aussieht wie alle anderen. Aber daran muss ich mich wohl gewöhnen. Lou betritt den Raum, hier ist alles genauso, wie ich es in Erinnerung habe, alles achtlos aufeinander geworfen in verschiedenen Ecken verteilt. Wir gehen zu der Frau an der "Kasse". "Wir hätten gerne unsere Punkte für heute", sagt Lou. "Louise Berger und Jocelin American" Die Frau kramt in einem riesigen Stapel Papiere und zieht einen Zettel heraus. Dort deutet sie auf unsere Namen. "Wenn ihr doch bitte unterschreiben würdet", säuselt sie und reicht uns einen Kulli, während sie uns ruhig und selig anlächelt, was mich irgendwie aufregt. Sie nimmt sich Zeit, als sie den Zettel wieder unter die anderen mischt und kramt dann unter einem anderen Haufen. Sie zieht eine kleine Schachtel heraus und zählt 10 Murmeln ab, welche sie uns überreicht. "Bitte sehr!", säuselt sie. "Bitte lasst euch Zeit". Sie benimmt sich ganz so, als hätten wir alle Zeit der Welt. Lou und ich betreten den Raum hinter dem nächsten Türloch, hier stehen gar nicht so viele Tiere wie ich dachte. In einer langen Reihe stehen Käfige, in denen je ein Tier sitzt. Katzen, Hunde, Hasen, Mäuse, Ratten, Hamster, das ein oder andere Huhn und Meerschweinchen blicken mich traurig an. Dahinter beginnt eine Abteilung, in der mehr oder weniger "Ställe" aneinandergereiht sind. In jedem "Stall" sind ein paar Tiere einer Rasse. Die Ställe sind winzig und die Tiere quetschen sich aneinander, sie scheinen das Leben längst aufgegeben zu haben. Ich sehe hier Schweine, Schafe, Ziegen. Sogar ein Pfau steht einsam in seinem Stall. Einige kleine Lamas drängen sich aneinander an den Zaun ihrer Box. Mitleid überkommt mich und ich gehe weiter, Lou folgt mir. Jetzt sind wir hier anscheinend in der Großtierzone. An mehrere aneinandergereihte Pfosten ist je ein Tier angebunden, Kühe, Esel, Pferde, Ponys, sogar Rehe. Lou steuert direkt auf zwei Pferde zu, die dicht aneinandergedrängt ganz hinten stehen. Eines der beiden hat die Ohren angelegt. Das eine Pferd ist ein weiß-brauner Schecke, das andere ein anmütiger Schimmel. Der Schimmel sieht mich ruhig an und schnaubt traurig. Seine Augen glänzen matt, aber als ich die Hand ausstrecke um ihm über die Nase zu fahren, bleibt er ruhig. Es scheint ihn nicht zu stören, er scheint es noch nicht einmal wirklich wahrzunehmen. Seine Mähne ist zottelig und schmutzig und sein Fell ungebürstet und struppig, der Schimmel sieht traurig und einsam aus. Lou sieht sich den Braun-Weißen forschend von allen Seiten an. "Na, interessiert ihr euch für die Pferde?", höre ich plötzlich eine Stimme und zucke zusammen. Ich drehe mich um. Dort steht ein Mann, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich muss genauer hinsehen, bis ich ihn erkenne. Er hat sich mit Gof über mich unterhalten, als ich aufgewacht bin. "Jaaaah, ich hätte gerne dieses Pferd hier.", meint Lou. Der Mann nickt. Ich krame nach seinem Namen, er fällt mir aber nicht ein. "Und du? Was hältst du von dieser hübschen Stute hier?" Er deutet auf den Schimmel, auf dessen Kopf immer noch meine Hand verweilt. Ich habe nicht vor, ein Pferd zu kaufen. Aber irgendwie gleitet mir das Wort einfach so über die Lippen, ich weiß selbst nicht ganz, wieso. Vermutlich habe ich einfach Mitleid mit dem armen Pferd, weil es mich so traurig ansieht. "Ja", sage ich und Lou sieht mich amüsiert an. "Okay, dann kommt mal mit.", sagt der Mann. Ich mache schon Anstalten, loszugehen, als der Mann sich nochmal umdreht. "Aber nehmt die Pferde mit!" Ich sehe zu dem komplizierten Knoten, mit dem der Schimmel an dem Pfosten angebunden ist, und beginne, an ihm herumzufummeln. Dabei verknote ich ihn anscheinend nur noch mehr. Lou kommt zu mir und zieht an einem Ende des Seils, worauf sich der Knoten löst. Überrascht trete ich einen Schritt zurück. Lou zwinkert mir zu und führt ihr Pferd rückwärts raus, das scheint dem Pferd so ziemlich egal zu sein. Ich tue es ihr gleich und will mit meinem Pferd hinterher, aber der Schimmel rührt sich keinen Fleck. "Na komm schon!", rufe ich und zerre am Strick herum, aber der Schimmel bleibt stehen. Das ganze scheint auch ihm herzlich egal zu sein. "Komm, nimm du Harmony, dann nehm' ich dein Pferd!", ruft Lou mir zu. Na prima, ich bekomme mein Pferd nicht einmal vom Fleck und Lou gibt ihrem schon einen Namen. Mein Pferd ist echt ein Albtraum. Warum habe ich mir auch dieses ausgesucht? Warum habe ich mir überhaupt eins ausgesucht? Lou nimmt mir den Strick ab. "Ich glaube ich benenne das Pferd nach dem Wesen, wie du deins. Albtraum", grummele ich als Lou die Stute von ihrem Platz wegführt. Sonderbarer Weise ist Lou ganz entzückt von meiner Idee. "Prima Idee!", meint sie. "Also eigentlich war das nicht ernst gemeint", rechtfertige ich mich, doch sie winkt ab. "Nightmare. Passt super zu ihr" Nightmare. Schweigens führe ich Harmony die schmale Gasse entlang, letztendlich aus dem Türloch hinaus. Da erwartet uns der Mann. "Einen Sattel haben wir leider nicht. Aber ein Zaumzeug sollte es geben. Er verschwindet kurz hinter einem Haufen Müll und ich tausche mit Lou wieder das Pferd. "Ja, meine liebe Nightmare, dieser Name passt doch super zu dir". Der Mann kommt mit zwei Zaumzeugen zurück und überreicht uns beiden jeweils eins. "Bei Fragen und benötigtem Futter meldet euch bei mir" Der Mann zwinkert uns zu und verschwindet. Und ich werde mir dessen bewusst, was ich getan habe: Ich habe mir ein Pferd gekauft. Ich bin mir sicher, dass man früher oben viel mehr hätte tun und zahlen müssen als einen Punkt, den Lou der Kassiererin gerade gibt. Ich tue es ihr gleich. Oben. Wenn ich daran denke, muss ich schlucken. Die Welt ist jetzt nicht mehr so, wie sie früher einmal war. Und lange werden wir hier untern auch nicht überleben können...

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Oben auf dem Bild ist Harmony zu sehen. Nightmare folgt im nächsten Teil (:

...Der nächste Teil folgt

-AleaAquarius

Darkness - Letzte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt