KAPITEL 10 - OBEN (2)

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Ich weiß selbst nicht, wie es dazu gekommen ist. Erst habe ich mich strickt geweigert, auf einen Pferderücken zu steigen. Ich habe mir ein Pferd gekauft, dass es so weit kommt, habe ich nie für möglich gehalten. Aber ich habe nie gesagt, dass ich auf ihm reiten werde. Lou hat mich so lange überredet, bis ich nachgegeben habe. Sie meinte, Harmony wäre lieb genug, als dass ich auf ihm reiten könne, wenn ich Nightmare noch nicht vertraute. Wer hat hier etwas von Vertrauen gesagt? Es ist nun einmal so, dass ich sie nicht mag - ich habe Nightmare nicht umsonst Nightmare genannt. Sie ist ein Albtraum. Wir haben ja noch nicht einmal einen Sattel! Und jetzt sitze ich hier auf Harmonys Rücken und klammere mich mit den Beinen verzweifelt an seinem Bauch fest, damit ich nicht runter falle. Ich kralle die Hände in seine Mähne, während Lou mich am Strick die Straße entlang führt. In der anderen Hand hält sie Nightmares Strick, die ihr brav hinterher trottet. Ich bin einfach kein Pferdemensch, ich glaube ich könnte jeden Moment runterfallen. "Bleib locker Jooky, wir gehen nur Schritt! Klammer dich nicht so an ihm fest, du machst ihn ganz nervös!" Nervös? Wer ist hier nervös. Ich versuche, etwas lockerer zu werden, aber dann kippe ich leicht nach links, weshalb ich mich wieder festklammere. "Mach dich nicht so krumm und steif, richte dich auf! Lass los, halte das Gleichgewicht und werde eins mit Harmony. Er tut dir nichts. Du wirst schon nicht runterfallen" Lou bleibt stehen und Harmony und Nightmare tun es ihr gleich. Sofort werde ich lockerer. Der Albtraum ist zu Ende. Erleichtert atme ich auf und sehe Lou bittend an. "Darf ich jetzt absteigen?" "Klar", sagt sie und zwinkert mir zu und ich jubele fast, während ich freudig von Harmony runterspringe. "Aber jetzt setzt du dich auf Nightmare" Ich huste, weil ich mich verschlucke. "Wie bitte?" Lou nickt. Ich rolle mit den Augen und verschränke die Arme. "Och nö." Lou sieht mich streng an. "Na los, streck dein Bein aus" Ich kann mich ja einfach weigern. Aber ich entscheide mich dann doch für den sicheren Weg, halte mich an Nightmares Mähne fest, strecke mein Bein aus, damit Lou mir hoch hilft und schwinge mich hoch. Sofort steigt wieder dieses mulmige Gefühl in meinem Bauch auf und der Gedanke, dass ich auf einem wackeligen Pferderücken sitze. Nightmare scharrt unruhig mit einem Huf und ich bekomme Angst, dass sie gleich losgaloppiert. "Sei nicht so ängstlich. Nightmare spürt das und wird genauso unruhig wie du." Sie schnalzt mit der Zunge und Nightmare tänzelt mit aufgestellten Ohren los. Sie reißt den Kopf unruhig hin und her und ich muss mir Mühe geben, damit mir die Zügel nicht aus der Handy gleiten. Ich klammere mich an ihrem Bauch fest. "So, und jetzt streck die Arme aus" "Waaas? Du hast sie doch nicht mehr alle!" Aber Lou sieht mich nur abwartend an und ich strecke vorsichtig einen Arm aus. Und dann den anderen. Ich spüre, dass Nightmare immer noch angespannt ist. Liegt das wirklich an mir? Ich versuche krampfhaft, mich zu entspannen, kriege es aber nicht hin. Ich schließe die Augen und konzentriere mich nur auf Nightmare. Atme tief ein und tief aus, fühle ihren Rhythmus und versuche, mich diesem Rhythmus anzuschließen. Und dann entspanne ich mich und merke, dass es gar nicht so schlimm ist. Nightmare entspannt sich auch sofort und lässt ihren Kopf sinken, während sie brav vorwärts geht. Lou lässt sie zum stehen kommen und klopft ihr lobend auf den Hals. "Und jetzt spring ab", ruft sie mir zu. "Wie jetzt? Jetzt bekomme ich es gerade so gut hin!" "Beende alles mit einem Erfolgserlebnis, damit es das nächste Mal auch klappt", meint Lou und zwinkert mir verschwörerisch zu.

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In den letzten Tagen hat Lou mit mir und Fairy immer wieder geübt und inzwischen kann ich alleine im Schritt und Trab reiten ohne runter zu fallen. Auf Nightmare! Fairy hat auf Harmony geübt, ganz ehrlich, ich schätze, dass ich besser bin als sie, schließlich habe ich durch Nightmare eine größere Herausforderung. Ich trabe neben Fairy die Straße entlang, während Lou neben uns her läuft und uns immer wieder irgendetwas zuruft, was ich nicht genau verstehe. Wir sind inzwischen in einem Teil der Stadt, den ich noch nicht kenne, der mir aber doch irgendwie bekannt vorkommt. Ich sehe mich um und entdecke Tino, der sich mit einem anderen Jungen unterhält. Ich muss genauer hinsehen, bis ich Max erkenne. Grinsend winke ich ihm zu. "Hey, Tino!" Dabei verliere ich dummerweise den Halt und kann mich gerade noch in Nightmares Mähne festhalten, sie fällt erschrocken in den Schritt aber ich bleibe auf ihr sitzen. Tino und Max kommen näher. Tino lacht, "Du bist wohl vor Freude, mich wiederzusehen, fast vom Pferd gefallen!" Ich sehe ihn düster an. "Haha, sehr witzig. Ich hab eben nur einen Arm losgelassen." Louise kommt aufgeregt zu uns. "Hallo Max!", sagt sie und strahlt dabei übers ganze Gesicht. "Ich wusste nicht, dass du... " Sie vollendet ihren Satz nicht, aber das tut Max für sie. "Noch lebst? Ja, ich lebe noch. Und du offenbar auch, das ist super!" Er lächelt matt und Lou wird rot wie eine Tomate. Fairy hält neben uns an, Nightmare ist auch zum Stehen gekommen. Mir fällt wieder ein, woher ich diese Umgebung kenne. Hier bin ich mit Tino gewesen, als er mir sein "Haus" gezeigt hat. "Du bist wohl wieder wohlauf. Das ging ja schnell", stellt Tino fest und ich nicke ungeduldig. "Jaja, wegen so einem Serum, was den Heilungsprozess beschleunigt hat, aber ich hab jetzt Lust weiterzureiten. Wollt ihr mitkommen?" 

Darkness - Letzte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt