Kapitel 3

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Als Jimin zu sich kam war er alleine. Er fühlte sich wie vom einem Laster überfahren,
sein ganzer Körper schmerzte.
Langsam versuchte er sich aufzurichten. Dabei fiel ihm auf, dass er noch immer auf dem kalten Boden lag.
Langsam kamen die Erinnerungen an das zurück was gestern Abend passiert war.
Er konnte sich nicht helfen, ein lautes Schluchzen entkam seiner trockenen Kehle und er ließ sich zurück auf den Boden fallen. Tränen flossen über seine Wangen.
Wito hatte ihn hier einfach liegen lassen, wie Müll. Wie Dreck.
Bestimmt eine halbe Stunde lag er da und weinte.
Danach versiegten die Tränen, er zwang sich dazu.
Du bist selbst Schuld Jimin, dachte er bei sich. Du hast ihn das tun lassen! Du hättest dich wehren können!
Ein weiteres Schluchzen entkam seiner Kehle während er erneut versuchte sich aufzurappeln.
Diesmal schaffte er es und zuckte vor dem Schmerz zusammen, der ihn bei dem ersten Schritt den er machte traf, um seine Jeans und seine Jacke einzusammeln.
Schmerzverzerrt kniff er die Augen zusammen und tastete sich ab.
Angewidert betrachtete er danach seine Finger und verspürte plötzlich wie sich sein Magen umdrehte.
Unter Schmerzen und in letzter Sekunde schaffte er es die Treppen hinauf in sein Badezimmer, wo er sich über die Kloschüssel hing und alles heraus ließ, was er in den letzten 24 Stunden zu sich genommen hatte. Das war nicht viel, aber helfen tat ihm das jetzt auch nicht.
Erschöpft lies er sich zu Boden gleiten und spürte die angenehme Kälte der Fliesen auf seiner Haut.
Sein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. "Scheiße...", sagte er leise zu sich selbst.
Er hätte vor einer halben Stunde im Studio sein müssen. In dem Moment klingelte es auch schon an der Haustür. Bitte lass es nicht Yoongi sein!, dachte er bei sich.
"Jimin? Bist du da?", hörte er auch schon dessen Stimme.
Er sank total in sich zusammen und begann zu weinen. 
"Jiminie", rief Yoongi jetzt und er hörte die Sorge in der Stimme seines Hyungs. Vermutlich kam er nachsehen ob alles in Ordnung war, denn er war wohl so fertig gewesen, dass er seinen Fahrdienst nicht hatte klingeln hören in der Früh.
Warum musste ihm das nur passieren? Hatte er nicht genug gelitten?

Yoongi drückte den Klingelknopf fast platt und doch machte Jimin nicht auf.
Aber er wusste, dass er zu Hause war, schließlich stand sein Wagen in der Auffahrt.
Nachdem er heute Morgen nicht im Studio aufgetaucht war und auch die anderen nichts von ihm gehört hatten, war er zu seinem Freund gefahren.
Und jetzt stand er hier, vor verschlossener Türe.
Eigentlich machte er das nicht, aber es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, denn das schlechte Gefühl in seinem Magen vergrößerte sich, je länger er vor der Haustür stand.
Schnell ging er zu seinem Auto zurück und öffnete das Handschuhfach.
Es sah Jimin überhaupt nicht ähnlich, dass er nicht Bescheid gab, wenn er durch etwas zu spät zum Training kommen sollte.
Und nach seinem Auftritt gestern war sich Yoongi nicht mehr so sicher, ob alles in Ordnung war.
Er schnappte sich den Zweitschlüssel zum Haus seines Freundes, den hatte er für Notfälle.
Ansonsten brauchte er ihn nicht, denn Jimin war sowieso jede freie Minute mit ihm zusammen, also war er nie alleine bei ihm zu Hause, obwohl er ihm gesagt hatte, dass er jeder Zeit zu ihm kommen konnte, auch wenn er selber nicht da war.
Nun gut, jetzt war es soweit, der Schlüssel kam das erste Mal zum Einsatz.
Yoongi hatte die Haustür erreicht und schloss auf. Langsam schob er die Tür auf und steckte seinen Kopf in den Flur.
"Jimin-ssi?",rief er laut.
Aber es blieb still. Zu still für seinen Geschmack.
Schließlich öffnete er die Tür komplett und trat ein.
Sofort fiel sein Blick auf seine Lederjacke. Sie lag achtlos auf dem Boden, daneben eine Jeans und ein Shirt.
"Scheint so, als hätte es jemand eilig gehabt...", schlussfolgerte er und sah sich weiter um.
Plötzlich erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Er sah nach unten und ging in die Knie um es sich genauer anzusehen.
Kleine rote Tropfen waren auf dem dunkel braunen Parkett verstreut. Kaum zu erkennen für jemanden der unaufmerksam war, aber hatte man sie erst einmal entdeckt waren sie extrem prägnant und nicht zu leugnen.
Er runzelte die Stirn und strich mit seinen Fingern darüber. Sein ganzer Körper begann zu kribbeln. Es war Blut!
Er hielt den Atem an, fühlte sich wie taub.
"Jimin?", rief er besorgt und sah sich noch mal genauer um. "Ich weiß das du da bist! Sag was!"
Dann bemerkte er eine feine Spur dieser Blutstropfen, die über die Treppen nach oben führten.
Mit klopfendem Herzen folgte er ihr.
In seinem Kopf alle möglichen Bilder von dem, was er vorfinden könnte. Sein Gesicht begann zu kribbeln vor Aufregung und seine Hände schwitzten. 
Oben angekommen endete die Spur. Angespannt ging er nach rechts zum Schlafzimmer und spähte hinein.
Nichts. Es war leer, das Bett unberührt.
Dann ging er in die entgegen gesetzte Richtung und hielt vor dem Badezimmer.
Gerade als er die Klinke runter drücken wollte, hielt er inne... Es klebte Blut daran.
Er öffnete langsam die Tür und sein Herz schlug bis zum Hals, als er Jimin auf dem Boden liegen sah.
"Jiminie!", rief er aufgeregt und eilte an seine Seite um sich neben ihn zu knien und ihn vorsichtig zu sich zu drehen. Jimin weinte und er hatte Verletzungen im Gesicht, was beides in ihm schürte; Angst um seinen Freund und einen unbändigen Hass gegenüber dem Menschen, der ihn so zugerichtet hatte. "Bitte sag was, was ist passiert? Wer hat dir weh getan? Jimin!"
Doch dieser konnte vor lauter weinen nicht antworten und Yoongi strich ihm behutsam über die Wange. "Bitte schau mich an. Soll ich einen Arzt rufen? Ich glaub das wäre besser!"
"Nein", flüsterte Jimin und nahm seine Hand, die er von seinem Gesicht weg drückte. Ein Arzt war jetzt das Letzte was er wollte.
"Erzähl mir jetzt nicht das alles okay ist!" Yoongi sah ihn bittend an.
Jimin drehte sich von ihm weg, wischte sich mit fahrigen Bewegungen die Tränen aus dem Gesicht und brachte seine ganze Kraft auf um mühsam vom Boden aufzustehen. Yoongi sah etwas hilflos dabei zu, bereit den Jüngeren zu stützen, wenn er es brauchen würde.
"Macht es dir was aus, wenn ich mich erst mal anziehe?", fragte Jimin leise und neben dem ganzen Schock wurde Yoongi jetzt erst bewusst, dass der Jüngere halb nackt vor ihm stand. Seine Wangen wurden leicht rot und er schaute zur Seite um den Tänzer nicht anzustarren. Dieser griff nach seinem Bademantel der an der Tür hing und zog ihn sich umständlich an. 
Jede kleinste Bewegung schmerzte. Er zischte auf und atmete schwer, als er den weichen Stoff um sich gehüllt hatte.
So einen schlimmen Muskelkater hatte er nicht mal nach dem anstrengendsten Dreharbeiten oder gar seinem Fitness-Training.
"Was ist passiert, Jimin?", fragte Yoongi eindringlich als er dem Jüngeren Richtung Schlafzimmer folgte. "Bitte sag es mir, ich kann dir helfen, ich mache mir Sorgen!"
"Nichts spektakuläres, ehrlich!", log der Jüngere und versuchte ein Lächeln aufzusetzen.
"Na, da bin ich ja jetzt mal gespannt!" Yoongi setzte sich erwartungsvoll auf einen Stuhl, der wohl als Ablage für Hemden herhalten musste, schlug die Beine übereinander und faltete seine Hände über dem Knie, während Jimin versuchte sich schmerzfrei aufs Bett zu setzten.
Trotz das er darauf bedacht war, sich auf ein Kissen zu setzten, zuckte er bei dem Schmerz zusammen, als sein Hintern den Stoff berührten. "Du wirst es mir nicht glauben, ich bin so ein Trottel!", lachte er unsicher. "Ich wollte duschen, da bin ich auf den Fliesen ausgerutscht und auf den Boden gefallen. Dabei hab ich mir, glaub ich, den Kopf aufgeschlagen." Er fasste sich an den Hinterkopf und fühlte nach der Platzwunde. Na gut, es war wenigstens nur halb gelogen.
Er hatte sich den Kopf aufgeschlagen, allerdings hatte er das Wito zu verdanken.
Yoongi sah ihn misstrauisch an. Das stimmte doch vorne und hinten nicht! Aber er entschloss sich, das Spiel mit zu spielen. Wenn er jetzt irgendwas falsches sagen würde, wäre die Chance zu groß seinen Freund damit zu verschrecken und zu verlieren. "Gut, okay. Das erklärt warum du da auf dem Boden lagst. Erzähl mir, wo die anderen Wunden herkommen!"
"Kannst du... kannst du es nicht einfach bei meiner Antwort belassen?", flüsterte Jimin nachdem er keine sinnvolle Erklärung aufbringen konnte. Was hätte er sagen sollen? Er fühlte sich selber schon so mies, was würde Yoongi dann erst von ihm denken?
Wie sollte er ihm erklären, dass er nicht in der Lage gewesen war sich zu wehren?
Yoongi strich sich müde über sein Gesicht. „Für jetzt, ja. Aber denk nicht, das ich das einfach so ignorieren werde! Wir sollten die anderen anrufen. Namjoon und Hoseok werden uns den Kopf abreißen! Erst wirst du vermisst und jetzt fehle ich auch noch. Ich sag Bescheid das wir bei dir zu Hause sind." Er fischte in der Hosentasche nach seinem Handy.
Jimin saß wie versteinert da. Es traf es ihn wie ein Blitz. Wito! Wo war er?
Er war so froh gewesen, ihn nicht im Haus zu haben, dass er gar nicht daran gedacht hatte, dass Yoongi hier in Gefahr war.
"Du solltest besser gehen!", sagte Jimin schnell und stand vom Bett auf. Er eilte zur Schlafzimmertür und hielt diese offen, sodass er seinen Freund zum gehen aufforderte. Der sah ihn fragend an.
Jimin konnte genau sehen, dass er sich um ihn sorgte und er war sich nicht sicher, ob dieser seine Lügen glaubte.
Yoongi ging auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen und betrachtete seine wunderschönen Augen, die noch rot waren von den vergossenen Tränen. "Ich werde Bescheid sagen, dass du krank bist...", sagte er als er ihm direkt gegenüber stand.
Jimin nickte und ihre Blicke trafen sich.
Eine unangenehme Stille machte sich breit, die Jimin nervös machte, er versank praktisch in Yoongis tiefgründigen Augen.
Dann ging dieser an ihm vorbei in den Flur zur Treppe. Bevor er hinunter ging, drehte er sich aber noch mal um. "Weißt du... ich bin dein bester Freund. Du brauchst mich nicht anzulügen. Ich würde dich niemals für irgendetwas verurteilen. Sag mir einfach nur die Wahrheit..."
Jimins Herz schlug bis zum Hals. "Ich weiß", sagte er so ruhig wie möglich und lächelte ihn an.
"Gut", antwortete Yoongi. "Denn wenn du mich angelogen hättest, wäre dir sicherlich vorher eingefallen, das ich sehen würde, dass in der Dusche kein Wasser an war und unten im Flur ebenfalls Blut ist" Damit drehte er sich um und ging die Treppe hinunter.
Jimin starrte ihm hinterher und atmete erleichtert auf, als er hörte wie Yoongi die Haustür hinter sich schloss.
Schnell machte er sich auf den Weg nach unten und versuchte seine Worte aus seinem Kopf zu verbannen, doch immer wieder hörte er sie und immer wieder sah er diese unglaublichen Augen, die ihn fast durchbohrten.
Nachdem er unten die Rückstände des Vorfalls unter würgen beseitigt hatte, ließ er sich oben ein Bad ein und versuchte die widerlichen Erinnerungen und den Rest des Schmutzes  abzuwaschen. Doch auch nachdem seine Haut rot und wund gescheuert war, konnte er Wito noch spüren...

Wito saß in seinem Wagen und beobachtete, wie Yoongi das Haus verließ.
Er hatte genau gewusst, dass Jimin ihn angelogen hatte und er noch immer Kontakt zu diesem Idioten hatte. Seine Hände ballten sich wütend zu Fäusten.
Das würde noch ein Nachspiel haben. Gestern Nacht hatte er sich zwar genommen, was ER brauchte, aber das war noch lange nicht die Bestrafung, die er sich für den kleinen Bengel ausgedacht hatte.
Nein. Er würde ihn solange quälen, bis er aufgab. Sich selbst aufgab.
Der Widerstand war noch zu groß.
Ihm lag absolut nichts an dem jungen Koreaner. Wäre da nicht das Geld gewesen. Vielleicht sollte er Yoongi doch mal einen Besuch abstatten?
Noch nicht, dachte er bei sich, es ist noch zu früh.
Er hatte noch so einiges in Petto.
Yoongi sollte nur der Gipfel des Eisberges sein, der Jimin ihm hörig machen sollte.



Suddenly ➛ ʏᴏᴏɴᴍɪɴWo Geschichten leben. Entdecke jetzt