KAPITEL 11 - GEFANGEN

24 2 0
                                    

Der Mann sieht uns an. Er öffnet den Mund, vermutlich, um etwas zu sagen, aber er schließt ihn dann doch wieder und sieht uns nur weiter an. "Warum haben sie uns hergeholt?", fragt Tino. "Es ist verboten, die Treppe zu besteigen. Seit ihr zu dumm, den Zaun zu bemerken?" "Nein, das sind wir keines Wegs. Aber nur, weil da ein Zaun ist, heißt das nicht, dass wir ihn nicht darüber gehen dürfen. Überall gibt es Zäune. An einigen hängt ein Schild, auf dem draufsteht, dass man das Gelände nicht betreten darf. An diesem nicht" Der Mann funkelt Tino böse an. "Woher wussten sie überhaupt, dass wir da waren?", gaffe ich ihn an. "Nun, ich habe meine Quellen. Ihr wisst jetzt nur leider zu viel, um weiter in der Öffentlichkeit bleiben zu können" "Was soll das heißen!", ruft Max, "Wir haben nur gesehen, wie es oben aussieht. Wir wissen doch alle, was passiert ist!" Es kommt mir mittlerweile unglaublich unnatürlich vor. Das kann doch gar nicht passiert sein. Die Welt bleibt nicht einfach so stehen! "Und das ist eben zu viel", knurrt der Mann. "Niemand soll es erfahren. Das da oben regt zum Denken an. Wie und warum das alles passieren konnte. Das soll es nicht!" Jetzt schreit der Mann fast schon und ich bekomme Angst, was er mit uns machen wird. "Was ist mit unseren Pferden?", frage ich mit zitternder Stimme. Der Mann funkelt mich an und öffnet eine weitere Tür im Raum. "Hereinspaziert", knurrt er lächelnd. Er drückt einen Knopf an der Wand und unsere Stühle lassen uns los. Ich springe auf und überlege einen Moment, ob ich wegrennen soll. Aber es würde sicher nichts bringen, denn irgendwo würde mich jemand abfangen, und womöglich würde es mir dann noch schlimmer ergehen. Ich trete gehorsam in das Zimmer ein und der Mann schließt die Tür hinter uns. Hier ist es dunkel und kalt, aber ich kann trotzdem etwas erkennen. In einer Ecke sitzt jemand. Ich muss genauer hinsehen, bis ich Gof erkenne. Er sieht mich an und reißt die Augen auf. "Joceline, was machst du hier!", fährt er mich an und aus Reflex halte ich mir den Finger vor den Mund. "Sei leise, sonst hören die uns noch. Was machst du hier?" 

"Ich hab zuerst gefragt"                                                                                                                                                      

"Wir wurden hier eingesperrt weil wir oben waren."

"Bitte was? Das hättet ihr verdammt nochmal besser lassen sollen! Was wisst ihr?"

"Wir wissen gar nichts. Nur, wie es oben aussieht."

"Ihr habt es also nicht gesehen?"

"Was meinst du?"

"Den Apparat. Den Apparat, Jooky!"

"Welcher Apparat?"

"Vergesst es einfach. Das ist nicht für eure Ohren geeignet. Wir sollten uns eher aufs Wesentliche konzentrieren. Habt ihr schon eine Flucht-Strategie entwickelt?"

Ich sehe zu Fairy, Max und Tino, die uns die ganze Zeit schweigend bei unserer Diskussion zugesehen haben. Gofs letzter Satz regt mich zum Nachdenken an. Der Apparat. Nicht für unsere Ohren geeignet. Ich seufze und nicke dann. Erst einmal sollten wir hier rauskommen. Wir müssen zu Nightmare und Harmony und zu Lou und Caddy. Tino erhebt die Stimme. "Eigentlich haben wir gar nicht damit gerechnet, dass man uns einsperrt" "Eines müsst ihr wissen", sagt Gof, "nicht alle hier haben friedliche Absichten. Selvor Saslon, dieser Mann beschenkt die Menschheit nicht. Ihr durftet gerade Bekanntschaft mit ihm schließen." Gofs Blick verfinstert sich. Selvor Saslon. Der Name sagt mir nicht viel. 

  ♦ 

Wir haben ungefähr eine Stunde lang überlegt und nun stehe ich an der Tür und hämmere schreiend dagegen. "LASSEN SIE MICH RAUS! ICH ERSTICKE! ICH BEKOMME KEINE LUFT!", rufe ich und versuche dabei so zu klingen, als bekäme ich tatsächlich keine Luft. Ich finde, es hört sich wirklich ein wenig nach Keuchen an. "Selvor" öffnet die Tür einen Spalt. Nur einen Spalt. "Drei Minuten", knurrt er. "dann mache ich wieder zu. Und wenn du abhaust, kriegst du Ärger. Und dann wirst du nicht nur eingesperrt" Ich nicke und verlasse dankbar den engen Raum, dann setze ich mich auf einen Stuhl und tue so, als müsste ich verschnaufen. "Können sie...", keuche ich, "mir etwas Wasser bringen?" "Die Regel gilt immer noch", zischt er mir zu und verlässt den Raum. Ich warte, bis er weg ist, dann öffne ich die Tür unserer kleinen Zelle, der Schlüssel steckt noch. Fairy kommt raus und ich schließe die Tür wieder hinter ihr, dann sehe ich ihr nach, wie sie geschickt über das Fenster rausklettert, sich auf Harmony schwingt und mit Nightmares Zügeln in der Hand losreitet, so unauffällig wie möglich. Ich schließe das Fenster und setze mich wieder auf meinen Stuhl als Selvor zurückkommt und mir das Glas Wasser bringt.

Darkness - Letzte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt