Schluckauf

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Es war schon immer so gewesen, dass wenn ich Schluckauf hatte, dass dann jemand an mich dachte.

Anfangs meinte meine Mutter es als Scherz und sagte es jedesmal genauso, wie ich es auch heute den Leuten um mich erklärte: „Tja, da denkt wohl jemand an mich."
Aber Jahr für Jahr merkte ich, wie wahr dieser eine Satz doch war. Vielleicht dachte nicht die Person an mich, von der ich mir es erhoffte, aber immer war es doch jemand.

Das Gute an meinem Schluckauf war auch, dass ich mir aussuchen konnte, wer an mich dachte. Vielleicht meine Eltern, meine verstorbene Schwester oder doch meine damalige beste Freundin. Es war so schön, sich die Gedanken anderer herbeiwünschen zu können, dass ich mich in diesem Glauben verlor.

Und auch, wenn mein Tag nicht gut verlief und ich eigentlich nur schlafen wollte, bekam ich manchmal Schluckauf. Manchmal war ich sauer auf die Person, weil ich schlafen wollte und die gefälligst an jemand anderes denken sollte, manchmal lächelte ich aber auch, weil ich wusste, dass ich meine Spuren hinterlassen hatte. Und welcher Mensch findet es nicht schön, von jemanden im Gedächtnis zu bleiben?

Eines Tages, da fuhr ich gerade nachhause, da würde es mir klar: Seit 3 Jahren hatte ich keinen Schluckauf mehr gehabt. Ich hatte mich so daran gewöhnt, dass ich es einfach nicht bemerkt hatte. Ich war traurig, denn ich dachte, niemand möchte mich bei sich haben. Weder in Gedanken noch neben demjenigen. Es erschütterte mich und trotzdem war ich froh. Froh darüber, dass ich mit dem Schreiben angefangen hatte, bevor ich die Leute vergessen konnte, die mich einst vergessen hatten.

SchluckaufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt