26. September 2004
"Tsüss Papi!"
"Tschüss Prinzessin. Sei lieb, ja? Morgen früh, wenn du wach wirst, machen wir uns fertig und dann gehen wir alle zusammen in den Zoo."
"Jaaa Fanties gucken!"
"Ja, dann gucken wir uns die Elefanten an und machen ganz tolle Bilder. Aber dann musst du jetzt lieb sein und auf die Mama hören, ja?"
"Ja!"
"Tschüss meine Prinzessin! Bis heute Abend, Schatz."
Mama und ich bekommen jeder noch einen Kuss, bevor Papa das Haus verlässt und wir alleine zurückbleiben.
"Und was machen wir beiden Hübschen jetzt?", fragt meine Mama mich, während sie mit mir auf dem Arm ins Haus geht.
"Pielen?"
"Draußen? Auf deinem Klettergerüst?"
"Jaaa!"
Bis zum Abendessen spielen Mama und ich dann noch draußen im Garten auf dem Klettergerüst und im Sandkasten. Dann muss ich ins Bett und bekomme noch eine Geschichte vorgelesen. 'Däumelinchen'. Ich liebe Mädchen einfach!
Mama singt mir ein Lied vor, bis ich kurz vor dem Einschlafen bin.
"So, Maus, jetzt ist Schlafenszeit! Schlaf' dich schön aus, damit du morgen die Fanties gucken kannst."
Noch ein Gute-Nacht-Kuss und dann geht die Tür zu uns das Nachtlicht in Form eines Fußballs mit Schalke Logo an.
... (5 Stunden später) ...
Draußen ist es laut. Ich höre das Martinshorn eines Feuerwehrautos immer näher kommen und schließlich verstummen.
Müde öffne ich meine Augen und sehe die orangen Flammen durch meine, mittlerweile nieder gebrannte, Zimmertüre schlagen. Alles ist voller Rauch. Schreiend klammere ich mich an meinen Kuschelbären und drücke mich in die hinterste Ecke meines Gitterbettes.
Überall sind Flammen.
Sie kommen immer näher an mich heran.
Doch dann tauchen auf einmal zwei Männer und schwarz-gelbe Anzügen auf.
Papa hat immer gesagt, dass schwarz-gelb böse ist.
Sind die Männer böse?
Werfen die mich jetzt in das lodernde Feuer?
"Hier ist das Mädchen! Es scheint ihr gut zu gehen!", sagt einer der Männer. Er nimmt mich aus dem Gitterbett und wickelt mich in eine Decke. Dann geht er mit mir durch die Flammen. Ich spüre die Wärme des Feuers an meinem Körper, doch die Decke schützt mich.
Draußen stehen ganz viele Menschen.
Überall leuchten blaue Lampen im Kreis.
Der Mann bringt mich zu einem anderen.
Immer noch schreie ich.
Die sollen mich in Ruhe lassen!
Ich will zu meiner Mama und meinem Papa!
Wo sind die?
Der Mann in dem roten leuchtenden Anzug legt mich auf eine Liege und drückt mir etwas auf die Nase. Dann schlafe ich ein.
... (nächster Morgen) ...
Hier piepst was.
Was ist das?
Als ich meine Augen öffne sehe ich eine grüne Wand mit Winnie Pooh drauf.
Wo bin ich?
Leise fange ich an zu Weinen.
"Ma ... Mama? Papa?", dringt meine Stimme leise und unsicher durch den kleinen Raum.
Dann öffnet sich eine Tür und eine Frau in bunter Kleidung kommt zu mir.
"Hallo Sophia! Mein Name ist Schwester Anneliese. Magst du mir vielleicht sagen, ob dir etwas weh tut?"
Ängstlich schüttle ich den Kopf.
Die soll weggehen!
"Mama?! Papa?!", beginne ich zu schreien, doch niemand kommt.
Sie sind weg.
Sie haben mich alleine gelassen.
Gegenwart (Sophia POV)
Weinend erinnere ich mich an diese eine Nacht vor dreizehn Jahren zurück, als ich vor dem Haus stehe. Das Haus, in dem wir mal eine glückliche Familie waren - Mama, Papa und ich.
Aber jetzt stehe ich hier alleine.
Alles, was noch von der glückliche Familie Neuer übrig ist, ist eine Ruine am Stadtrand von Gelsenkirchen-Buer und der Ehering meiner verstorbenen Mutter, den ich immer bei mir trage.
Elendig verbrannt ist sie in diesem Haus, während ich oben geschlafen habe.
Ich habe geschlafen, während meine Mutter ein Stockwerk tiefer einfach verbrannt ist!
Ich wurde gerettet, während sie starb!
Und warum? Wegen einem Kabelbrand, den sie im Schalf nicht bemerken konnte!
Warum hat sie nicht oben auf Papa gewartet? Dann würde sie heute vielleicht noch leben ...
Dann wären wir heute vielleicht noch die glückliche Familie Neuer aus Gelsenkirchen-Buer ...
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645 Wörter
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Spiel des Lebens
FanfictionDiese eine Nacht vor dreizehn Jahren, die alles für die damals dreijährige Sophia veränderte, verfolgt nicht nur das junge Mädchen aus Leverkusen. Immer wieder kommen in der Familie die Erinnerungen an die Zeit vor dem 26. September 2004 zurück - ab...