Kapitel 19

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Kurzerhand hebe ich ihn auf und betrachte ihn. Er ist dunkelbraun und mit einem dazu passenden Band hübsch verschnürt. Auf dem Beutel ist eine kleine silberne Brosche angebracht, in der Form eines majestätischen Vogels.

»Kommst du?«, hör ich Ben rufen. Ohne nachzudenken verstaue ich den kleinen Lederbeutel in meiner Tasche und schliesse zu Ben auf.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle unterhalten wir uns über allesmögliche, ohne dass wir uns auch nur ein weiteres Mal in die Haare kriegen.

»23:54 Uhr...«, bemerkt Ben, nachdem er auf seine Armbanduhr blickte. »Was wird dein Vater wohl von mir denken, wenn ich seine Tochter unter der Woche ausführe und sie erst so spät zu Hause ist?«, er wuschelt sich durch sein haselnussbraunes Haar und lässt sich auf die Bank der Busstation sinken.

»Moment, hast du etwa ausführen gesagt?«, hacke ich verunsichert nach. »Das war kein Date, dass wir uns verstehen. Du wolltest Zuckerwatte und hast mich entführt, weshalb ich mitkam.«

»Verführt.«, korrigiert mich Ben und zwinkert mir zu.

»Ich meine es ernst Ben.«, sage ich lachend, wodurch der Satz seine Glaubhaftigkeit verlor.

»Wie du meinst.«, kommt er mir schulterzuckend entgegen. »Denkst du, dein Vater wird mir den Kopf abreissen?«, fragt mich Ben ungewöhnlich ernst, weshalb ich in Gelächter ausbreche.

Der Bus hält an der Haltestelle an und wir steigen in den leeren Bus ein. »Heisst das Ja? Bitte sag mir, dass das nein heisst.«, hackt Ben nervös nach. Ich lache als Antwort und suche einen Platz für uns.

»Nein, mach dir keine Sorgen.«, gebe ich ihm nach einer Weile zurück.

»Du hast gezögert!«, er nimmt einen tiefen Atemzug. »Das ist nicht gut. Zögern ist nie ein gutes Zeichen.«

»Beruhig dich«, kichere ich.

»Verdammt! Ich brauche meinen Kopf noch...«, murmelt er vor sich hin. Ich schnipse ihm vors Gesicht, woraufhin er endlich ein Wenig runterfährt.

»Du brauchst dir echt keine Sorgen zu machen. Ich bin selbst dafür verantwortlich, um welche Zeit ich zu Hause aufkreuze und nicht du.«, erkläre ich geduldig. Abgesehen davon könnte sich mein Vater nicht weniger dafür interessieren, wo ich mich aufhalte, solange das Geld am Ende des Monats da ist und der aus seinen Fläschchen trinken kann, gibt es für ihn keinen Grund zur Sorge. Wo ich bin juckt ihn nicht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er es geniesst, wenn ich länger weg bin, als gewöhnlich.

»Wirklich?«, fragt Ben

»Ja«, antworte ich ihm.

»Also darf ich meinen Kopf behalten?«

»Tu, was du nicht lassen kannst.«, antworte ich ihm schulterzuckend.

»Dann ist ja alles gut.«, strahlt er mich an. Er entspannt sich und benutzt zum ersten Mal, seit wir in den Bus getreten sind die Rückenlehne. Doch ehe er sich entspannt, ist er erneut angestrengt und sitz nicht mehr so gemütlich da, wie zuvor.

»Was ist jetzt?«, erkundige ich mich neugierig.

»Nichts.«, sagt er leise und kaum hörbar.

»Nichts?«

»Ja, alles in Ordnung.«, gibt er scheinheilig zurück. Ich schaue ihn skeptisch an und entscheide mich dazu, ihm meinen Glauben zu schenken, selbst wenn es sehr unglaubwürdig klang. Statt die Fahrt zu geniessen, durchstöbert er jetzt hektisch seine Jacken-, Hosen- und Taschen. Ich tippe ihm auf die Schulter und blicke ihn an. Er schaut zu mir und stösst ein nervöses Lachen aus.

Pyron - Die Feuerprinzessin(unbearbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt