Revanche

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„Komm schon. Gib es zu. Ich hab gewonnen", redete Ezra triumphierend auf seine Kampftrainingsgegnerin ein, die er mit seinem Körpergewicht zu Boden gedrückt hielt.
Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er sie auf diese Weise besiegte. Besonders am Anfang hatte es gut funktioniert, sie damit aus der Fassung zu bringen, weil alles, was sie noch denken konnte, wenn er das getan hatte, »verdammt, sein Gesicht ist so nah an meinem«, gewesen war. Das war nie seine Intention gewesen, und sie glaubte auch nicht, dass er das gewusst hatte – sie vermutete eher, dass er geglaubt hatte, so in die Enge getrieben wäre sie so völlig aus der Fassung gewesen, dass sie vor lauter Panik auf keinen vernünftigen Ausweg gekommen wäre. Dass das Problem eher gewesen war, dass sie keinen Ausweg hatte suchen wollen, weil ihr das gefallen hatte, brauchte er ja nicht zu wissen – und es war ja glücklicherweise auch nichts, was ihr je bei tatsächlichen Gegnern passieren würde.
Inzwischen hatte sie sich einigermaßen daran gewöhnt, dass er das ab und an tat, wenn sie waffenlose Runden austrugen. Sie versuchten, diese nach wie vor nach Möglichkeit regelmäßig in ihr Training einzubauen, da es sicherlich Situationen geben würde, in denen es auf einfache Kraft und Taktik im Nahkampf ankam, gegebenenfalls eben auch ohne zu den Waffen zu greifen. Die jetzige Runde war ihre dritte für heute – die ersten beiden Runden waren mit Waffen ausgetragen worden – und würde wohl oder übel ihre Letzte vor der Mittagspause sein, die sie einschieben würden, bevor man sie bei der Basis einen Kopf kürzer machte, weil sie sich schon wieder davongeschlichen und ein gefühltes Dutzend eingehender Funksprüche ignoriert hatten.
Inzwischen genoss die Mandalorianerin die Momente, in denen der junge Jedi sie festhielt, in der Regel einfach nur kurz, bevor sie sich wehrte.
„Noch nicht", erwiderte sie und grinste. „Dieses Mal kriegst du mich so nicht klein, Bridger."
Sie zog ihren rechten Ellenbogen an, legte ihre linke Hand, ohne sie aus seinem Griff zu winden, an ihre Rechte, und platzierte gleichzeitig ihre Füße auf seinen Beinen, sodass sie in einer Bewegung mit Hilfe der linken Hand seinen Griff an ihrem rechten Arm lösen und sich mit ihren Beinen von sich weg drücken konnte. Der etwas überraschte Ezra brauchte jetzt beide Arme, um sich abzufangen, und diese Zeit nutzte sie, um diesmal ihn auf den Boden zu drücken. „Hab ich dich."
Für gewöhnlich hätte er versucht, sie mithilfe der Macht von sich wegzudrücken, und die Runde wäre noch eine ganze Weile so weitergegangen, aber es war die dritte Runde, sie waren gestern Nachmittag erst von einer Mission zurückgekommen, und er war nicht der Einzuge, der langsam müde wurde, also ließ er sich schwer atmend auf den Boden fallen und hielt die Hände hoch.
„Okay. Okay. Ich ergebe mich", murmelte er erschöpft und blieb noch einen Moment lang so liegen.
Sabine lächelte.
„Zwei zu eins für mich", erklärte sie, während sie ihre Sachen zusammensammelte und den kleinen Korb holte, den Ezra am Vormittag vorbereitet hatte, und sich anschließend neben ihn fallen ließ. „Aber ich schätze das war auch nicht ganz fair, immerhin hast du bei der letzten Mission etwas mehr abbekommen als ich. Ich hätte dich nicht ganz so hart rannehmen dürfen."
Er lachte und verdrehte die Augen, blieb allerdings weiterhin einfach liegen.
„Nein, daran liegt's nicht, das sind nur ein paar Kratzer."
„Das würde ich jetzt so nicht sagen. Du bist voll mit blauen Flecken. Versuch nicht, die Person zu verarschen, die dich wieder zusammengeflickt hat, di'kut." Sie verschränkte die Arme. „Als deine behandelnde Ärztin sollte ich dir sagen, dass das mit dem Training eine ziemlich dumme Idee war, und du dich besser ein wenig schonen würdest, zumal die uns scheinbar schon wieder eine Mission an den Kopf werfen wollen."
Sie deutete auf ihr Comlink, das schon wieder hektisch blinkte.
„Aber?"
„Nichts aber. Das war eine dumme Idee und du solltest dich besser ein wenig schonen", gab sie zurück und öffnete den Korb. „Geht's?", erkundigte sie sich ein wenig besorgt, während sie langsam die Lebensmittel auspackte.
Als erstes platzierte sie zwei Flaschen Wasser auf dem felsigen Boden.
„Ja, geht schon. Wurde nur wirklich langsam Zeit fürs Mittagessen", warf Ezra ein – was sein knurrender Magen noch bekräftigte – und setzte sich auf.
Beinahe erwartungsvoll schaute er Sabine beim auspacken zu. „Habe Zeb für den Nachtisch ein paar von den Honigwaffeln stibitzt, die er mitgebracht hatte. Du weißt schon, zur Feier der halbwegs erfolgreichen Informationenbeschaffungsmission."
Halbwegs erfolgreich war das Ganze nur deswegen, weil sie zwar das, wonach gefragt gewesen war – aktuelle imperiale Transportrouten, um genau zu sein –, zwar beschafft hatten, danach allerdings in eine Prügelei hinein geraten waren, die Ezra versehentlich angezettelt hatte. Die meisten seiner Verletzungen kamen daher – aber zumindest hatte das Ganze gezeigt, dass das Kampftraining tatsächlich effektiv war, da keiner von ihnen schwerer verletzt worden war.
Ihre Augen waren unterdessen an dem letzten verbleibenden Lebensmittel in der Aufbewahrungstasche hängen geblieben: zwei Teigrollen. Und zwar nicht einfach irgendwelche Teigrollen, sondern Haarshun. Ihre Augen funkelten vor Freude. Es mochte zwar nicht das aufwendigste Gericht sein, aber zum transportieren bot es sich ziemlich an – genau genommen wurde es sogar aus eben diesem Grund in dieser Form hergestellt – und sie war positiv überrascht, dass er sich tatsächlich ein wenig mit der mandalorianischen Küche auseinander gesetzt hatte. Es musste Jahre her sein, dass sie so etwas zum letzten Mal gegessen hatte.
„Ezra, ich... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."
„Das ist mein »Entschuldigung, dass ich ein Idiot war, nicht auf dich gehört habe und uns in Schwierigkeiten gebracht habe«–Brot", erklärte er und musste fast ein wenig lachen. „Ich würde auch gerne mal etwas aufwendigeres ausprobieren, wenn wir mehr Zutaten und vor allem mehr Zeit haben."
„Dir sei vergeben", erwiderte sie lächelnd und reichte ihm seine Teigrolle, bevor sie ihre eigene sowie ihre Wasserflasche zur Hand nahm, um den Teigfladen mithilfe von ein wenig Wasser auseinander zu rollen. Er tat es ihr gleich.
„Ich gebe zu, das war nicht mein erster Versuch, ehrlich gesagt die ersten paar Male habe ich es ein wenig vermasselt, aber dieses Mal habe ich es einigermaßen hingekriegt... hoffe ich."
Sabine nahm lächelnd den ersten Bissen. Der Geschmack erinnerte sie an zuhause, und, wie jedes Mal, wenn sie daran dachte, war sie sich nicht sicher, ob sie das traurig oder fröhlich machte. In jedem Fall trieb ihr der Geschmack – die Erinnerung – die Tränen in die Augen. Das sprach allerdings eindeutig für Ezras Kochkünste, und sie beschloss, ihm das auch mitzuteilen.
„Hast du. Schmeckt nach zuhause. Es ist... schön, irgendwie."
„Das freut mich."
Er lächelte sie an. Es war nicht dieses übertriebene »seht mich an, ich bin der Größte«–Grinsen, das er ab und an aufsetzte, wenn er mal wieder seine Machtfähigkeiten zur Schau stellte, sondern das schmale, zufriedene Lächeln, welches ihr Herz schneller schlagen ließ, weil sie zu den wenigen Auserwählten gehörte, die tatsächlich sein wahres Ich zu Gesicht bekamen, wenn auch nur einen Moment lang. Nach Malachor hatte er sich völlig abgeschottet und sie alle weggestoßen, aber inzwischen ließ er die Crew wieder etwas näher an sich heran, und Sabine war oft sogar in der Lage dazu, den Jedi auch ganz ohne Machtfähigkeiten ein wenig zu lesen. Momentan war er wirklich, ehrlich glücklich.
So saßen die Beiden eine Weile lang einfach nur schweigend und essend nebeneinander und luden ihre Energiereserven, welche sie beim Kampf gegeneinander vollends verbraucht hatten, wieder etwas auf.
„Weißt du, was das Training noch viel spannender machen würde? Jetpacks", schlug Sabine plötzlich aus heiterem Himmel vor. Der junge Mann schaute die Mandalorianerin, die erschöpft lächelnd neben ihm auf dem sandigen Boden saß und zufrieden kaute, perplex an. „Ich meine, das, das du mir geschenkt hast, benutze ich ja sowieso ab und an, um etwas zu haben, mit dem ich deine Machtsprünge und dergleichen ausgleichen kann – auch wenn ich dich auch ohne hin und wieder klein kriege –, aber jetzt, wo wir langsam gleich gut werden, wäre das eine zusätzliche Herausforderung, und wir hätten mehr Möglichkeiten", rechtfertigte sie sich, woraufhin Ezra leise stöhnte.
„Du willst doch bloß sehen, wie ich auf die Nase falle", scherzte er und dachte schaudernd zurück an die Angriffsmission ein paar Wochen zuvor, bei der sie um den Gebrauch von Jetpacks nicht drumherum gekommen waren. „Du weißt, wie fähig ich mit Jetpacks umgehe", betonte der Padawan sarkastisch.
Sie lachte.
„Hey, genau darum geht's ja hierbei. Du erinnerst dich, wie gut ich mit Lichtschwertern umgehen konnte, als wir hiermit angefangen haben? Ich bin auch dauernd auf die Nase gefallen. Jetzt bin ich damit dran, mich bei dir für deine Hilfe zu revanchieren", erklärte die Mandalorianerin kurzangebunden.
Er lächelte sie an.
„Das ist zwar unglaublich lieb von dir, aber es gibt nichts, für das du dich revanchieren müsstest. Du hast schon so viel mehr für mich getan. Dank dir konnte ich vieles von dem nachholen, was ich in der Schule nicht gelernt habe, und du hast mir so viele Male das Leben gerettet, dass ich es schon gar nicht mehr zu zählen vermag. Wenn überhaupt bin ich dir was schuldig."
„Hey, tu mal nicht so. Du hast mich auch schon oft genug gerettet. Abgesehen davon... wie gesagt, ich glaube, es würde Spaß machen, wenn wir mehr Möglichkeiten hätten, unsere Kämpfe zu variieren. Ich will damit nicht sagen, dass es mir keinen Spaß mehr machen würde, oder sowas, denn das tut es, und es wird nie aufhören, mir Spaß zu machen. Ich glaube nur, es würde dadurch nochmal eine Nummer interessanter werden, und uns die Möglichkeit geben, neue Taktiken auszuprobieren. Würdest du es bitte zumindest versuchen? Mir zuliebe?" Sie boxte ihm gegen den Arm. „Komm schon, Bridger, sei nicht so."
Sie lächelte ihn an, und als er die Augen verdrehte, ihr Lächeln erwiderte und seufzend nickte, füllte sich ihr Körper mit Wärme. Es war ein Gefühl, das seine Nähe oft bei ihr erzeugte, und inzwischen hatte sie das akzeptiert, auch wenn sie weder etwas dafür, noch etwas dagegen tat.
»Irgendwann.«

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