Drei.

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Es ist nie passiert.
Es ist nie passiert.
Es ist nie passiert.

Ich setzte mich auf mein Bett und stützte meinen Kopf auf meine Hände.

Ich wollte mein Gehirn wegschießen. Ich wollte eine Pistole an meine Schläfe halten und abdrücken.
Ich hasste es.
Diese ganzen unechten Erinnerungen, die nie passiert sind. Diese scheiß Flashbacks zu Situationen, die ich mir ausgedacht hatte.
Und die, die wirklich passiert sind.

Das Gefühl, das sich in mir ausgebreitet hatte wenn er mir so nah war. Diese Aufregung gepaart mit purem Verlangen die Distanz zu überbrücken.
Wie er mir damals hinterhergerannt war. Wie er sich vor die Tür gestellt hatte und mich aufgefordert hatte zu reden. Und ich wollte mich erklären, aber er war so nah, dass ich alle Wörter vergessen hatte. Ich hatte auf seine Lippen gestarrt, die so einfach zu erreichen waren und ich hatte ihn geküsst. Zum Ersten Mal.
Und wenn ich mir vorher nicht absolut sicher gewesen war, war ich seitdem überzeugt ihn zu lieben.
Und ich hasste es. Ich hasste es ihn zu lieben und ich wollte aufhören und habe so viel dagegen angekämpft.
Ich habe ihn ignoriert, habe ihn vernachlässigt und versucht zu hassen.
Ich wollte mir auch deswegen eine Kugel ins Gehirn jagen.
Ich wollte die Zeit zurück haben.
Ich wollte ein Jahr zurück und alles anders machen. Wenn ich ihm von Anfang an gesagt hätte wie sehr ich ihn liebe, vielleicht hätte es geklappt. Vielleicht wären wir beide mittlerweile draußen, würden uns jeden Tag treffen und lachen. Es hätte alles gut werden können, aber alles lief falsch.
Und mir reichten auch zwei Wochen zurück.
Ich hätte ihn aufhalten können.
Aber mit jedem Tag ist er mehr und mehr Vergangenheit und dieses Gefühl ist so unbeschreiblich.
Ein Mensch, den man vor drei Wochen noch vor sich sitzen hatte - ist tot.
Er ist weg und ich würde ihn nie wieder sehen.
Er ist tot.
Er konnte nicht ins Zimmer kommen und sich im Schneidersitz auf Patricks Bett setzen. Er konnte mir keine Selbstmordmethoden zeigen.
Er konnte mir keine Glasscherbe aus der Hand reißen.
Er ist weg.

Aus meiner Hosentasche zog ich den Zettel, den ich immer bei mir hatte.
Den zerknickten, unordentlich beschriebenen Zettel, der so unendlich viel wert war.
Ich faltete ihn mal wieder auf und las wie so oft die Zeilen.
Und wie jedes Mal brach mein Herz ein Stück mehr wenn ich bei einer bestimmten inne hielt.

Ich liebe dich.

Die Tränen brannten sich zum dritten Mal heute in meine Haut und zum dritten Mal heute flüsterte ich tausendmal „es tut mir so leid".

„Rewi?"
Es war Patrick, der meine stille Verzweiflung unterbrach. Ich wischte über mein Gesicht und verstaute den Zettel in meiner Pullovertasche.
„Du kannst mit uns darüber reden."
Er setzte sich neben mich und sah mich an.

Ich weiß nicht was so besonders an Felix' Augen war.
Sie waren braun wie Patricks und gleichzeitig völlig anders.

Ich spürte dass meine Kraft nicht ausreichte um ein Lächeln aufzusetzen.
Aus meinen Augen flossen Wasserfälle.
Ich ließ mich einfach in Patricks Umarmung fallen, durchnässte den Stoff seines schwarzen Pullovers.
Mein ganzer Körper zitterte, jeder Atemzug schmerzte und jede Träne brannte so unendlich auf meiner Haut.
„Es tut mir leid Basti",flüsterte Patrick.
Ich wollte schreien.
Mein Herz aus meiner Brust reißen.
Ich dachte das eine Beziehung zwischen Felix und mir unmöglich gewesen wäre, dabei war sie es erst jetzt.
Ich dachte meine Liebe war einseitig, dabei war sie es erst jetzt.

let me forget | Psychiatrie IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt