KAPITEL 12 - FLUCHT

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Wir sind oben. Ich atme die dünne Luft ein und sehe mich um, noch immer ist hier Dämmerung. Gof kramt in seinem riesigen Rucksack und holt ein kleines Kästchen heraus. Er öffnet es, es befanden sich Bonbons in ihm. "Hier oben ist die Luft sehr dünn. Durch meinen wissenschaftlichen Stand ist es mir gelungen, Sauerstoffbonbons zu entwickeln. So lange man sie lutscht, wird man mit genügend Sauerstoff versorgt. Bis eines von ihnen leer ist vergehen ungefähr acht Stunden. Die Frage ist also, wie lange die Dinger reichen. Bis dahin müssen wir uns etwas einfallen lassen. Ich habe acht Kästchen dabei, eigentlich eins noch für eure Freundin, die nicht mitgekommen ist. Tja, ist ihre Schuld, wenn sie umkommt. In einem dieser Dinger befinden sich etwa 100 Bonbons. Pro Tag braucht ihr drei. 100 können wir noch verteilen, so bekommt jeder 114 Bonbons. Die reichen für genau 38 Tage." Ich sehe Gof an, ich hätte nicht gedacht, dass die Menschheit so weit ist, Sauerstoffbonbons herzustellen. "Und was machen wir danach?", fragt Lisa, sie zieht angeekelt die Augenbrauen hoch, als Gof ihr ein Kästchen reicht. "Danach pumpen wir dir den Sauerstoff aus dem Blut." Lisa reißt die Augen auf. "Bitte was?", kreischt sie und ich nehme eins der Bonbons in den Mund. Es schmeckt ein bisschen nach Brause, nur ohne Geschmack. Es prickelt angenehm auf der Zunge. Gof antwortet auf Lisas Kommentar nicht. "Lasst uns erst einmal einen geeigneten Platz finden und ein Lager aufschlagen" Er holt eine Karte aus seinem Rucksack, ich frage mich, was er so alles dabei hat. Wir wandern durch eine Wüste mit umgestürzten Baumstämmen. Gof geht los, wir tappen ihm hinterher, Tino an meiner einen und Fairy an meiner anderen Seite. "Du kennst diesen Typ doch, oder?", zischt Tino mir zu. "Ja, aber mach dir keine Sorgen, das ist Gofs Normalzustand" "Gof? Ist das ein normaler Name?" "Keine Ahnung." Wir gehen eine Weile schweigend nebeneinander her. "Ich kann es irgendwie immer noch nicht wirklich glauben. Gar nichts von all dem.", sagt Tino. Ich stoße einen hysterischen Lacher aus und sehe ihn an. "Ich auch nicht. Morgen wachen wir auf und stellen fest, dass das ganze ein Traum war." "Das fände ich eigentlich ganz schön" Er klingt irgendwie traurig. "Eigentlich?" "Naja... definitiv" Ich stupse ihn mit dem Ellenbogen an und er rollt grinsend mit den Augen. "Leute?", meldet sich Fairy zu Wort. "wir haben schon angehalten und ihr geht weiter" Ich sehe ertappt zu der Rothaarigen zurück und stelle fest, dass sie recht hat. Wir drehen um und halten vor den anderen. Wir stehen vor zwei umgefallenen Baumstämmen, die aneinander lehnen, über einer Art Grube. "Habt ihr irgendwelcher Kleidungsstücke zur Verfügung?", fragt Gof. Niemand sagt etwas, also zieht er aus seinem Rucksack eine Plane und legt sie in die Grube. "Ihr beide... ähm..." Er fuchtelt mit der Hand vor Caddy und Lisa herum. "Caddy und Lisa", helfe ich ihm. "Caddy und Lisa. Ihr geht mit mir auf Essenssuche. Ihr da... du und du, ihr geht Wasser holen, fragt mir nicht wo ihr was findet. Und Jooky und dein Freund da, ihr geht Feuerholz für ein Lagerfeuer suchen." "Das da sind Fairy und Max. Und hier das ist Tino." Gof hat Tino meinen Freund genannt. Sind wir Freunde? "Meinetwegen.", brummt Gof und wendet sich ab, Lisa und Caddy eilen ihm hinterher. Ich wende mich seufzend zu Tino und sehe zu ihm auf. Er zuckt mit den Schultern und geht los, ich ihm hinterher. Auf dem Boden liegt überall Holz, also beginne ich es aufzusammeln. Tino tut es mir gleich und eine Weile verbringen wir mit dem Sammeln von Holz. Als meine Arme voll sind kehre ich schweigend zu unserem Lager zurück und lasse das Holz auf den Boden fallen. Tino tut es mir gleich. Meine Hände sind verschwitzt, ich wische sie an meiner Hose ab. "Das reicht doch, oder?", meine ich. "Vielleicht sollten wir noch etwas mehr sammeln, als Vorrat sozusagen." Ich nicke und wir fahren mit unserer Arbeit fort. Als wir einen riesigen Stapel Holz zusammengesammelt haben und zu einem Lagerfeuer getürmt haben, lasse ich mich neben Tino auf den Boden sinken. Ich verschränke die Arme und ziehe die Knie an, denn es ist ziemlich kalt. "Wie, denkst du, geht das jetzt weiter?", frage ich Tino. "Ich weiß nicht. Irgendwie ist das wie im Film" "Oder wie im Buch" Tino schmunzelt und sieht mich mit seinen schokoladenfarbenen Augen an. Sie wirken traurig. "Du vermisst deine Familie, oder?" Ich beiße mir auf die Lippen um gegen die Tränen anzukämpfen, zu denen die Frage mich zwingt. Ich nicke. Tino legt mir eine Hand auf die Schulter bei der Berührung beginnt auf einmal alles in mir zu kribbeln. "Die anderen kommen glaube ich", versuche ich mich abzulenken. Und das ist noch nicht einmal gelogen, denn ich höre Lisas aufgebrachte Stimme näher kommen. Tino lässt seine Hand sinken und nickt. Caddy lässt sich neben mir auf den Boden fallen. "Und?", fragt sie. Ich bin irgendwie noch nicht ganz bei Sinnen. Warum ist da dieses komische Gefühl? "Wie, und?" Caddy grinst mich nur vielsagend an und kuschelt sich an mich. Gof zündet das Feuer an, auch an ein Feuerzeug hat er also gedacht. "Wo sind... Max und äh... Fäui?" Ich bin nicht in der Stimmung zu lachen, sonst hätte ich es sicherlich getan. "Fairy", berichtige ich ihn und ernte einen grimmigen Blick von ihm. "Das hört sich beides gleich an!" Ich sage nichts mehr darauf. Doch da kommen die beiden auch schon anspaziert, sie sehen irgendwie fröhlich aus. Ich sehe Fairy fragend an, doch die grinst mich nur an. Wir sitzen nun alle im Kreis und essen schäbige Wurzeln, die uns der Nahrungstrup mitgebracht hat. "Was sollen wir hier die ganze Zeit machen?", beschwert sich Lisa, doch niemand macht sich die Mühe, ihr zu antworten. "Wir haben ein Ziel. Schon vergessen?", wendet Caddy ein. "Hat Gof uns doch gerade erklärt" Von einem Ziel weiß ich nichts. Wahrscheinlich hat Gof es Caddy und Lisa gerade auf ihrer Essenssuche erklärt. "Es geht um den Apparat" Das Wort lässt mich zusammenzucken und ich erinnere mich an Gofs Worte. Der Apparat, Jooky! Welcher Apparat? "Gof hat uns nur gesagt, dass wir das Ding kaputt machen müssen. Aber wozu?" Gof zieht die Augenbrauen hoch. "Also Leute. Ich werde euch die Situation jetzt erklären. Auch wenn das ganze eigentlich nicht für eure Ohren geeignet ist. Aber unterbrecht mich nicht." Er sieht in die Runde und schaut jedem von uns eindringlich in die Augen. "Die Welt ist stehen geblieben. Und das nicht von allein. Saslan ist dafür verantwortlich. Allein Selvor Saslan. Er verfolgt ein ganz bestimmtes Ziel, von dem ich zufällig erfahren habe. Ich sollte es nicht erfahren, deswegen hat er mich eingesperrt. Er ließ mich am Anfang in dem Glauben, die Erde würde stehen bleiben. Schon bald. Ich hatte nie verstanden, wieso, denn im Grunde ist das unmöglich. Ich habe ihm geholfen, alles unten bereit für die Katastrophe zu machen und einige Menschen zu retten. Doch das gehörte alles zu seinem Plan. Er hat jahrelang an dem Apparat gebaut, dann hat er ihn ausgelöst. Er hat die Erde nach und nach zum Stillstand gebracht. Denn er hat herausgefunden, dass die Erde, während sie stillsteht, eine ganz bestimmte Kraft ausstrahlt. Mit dieser Kraft wäre er mächtig. Er könnte die Menschen beeinflussen und sie auf seine Seite bringen. Mit ihnen zusammen unsere Gemeinschaft zerstören. Das könnte zu einem vernichtenden Krieg kommen, der auch den letzten kleinen Rest des Lebens auf der Erde zerstört. Sein Ziel ist, die Oberhand zu bekommen. Er will das Sagen haben, über alle Menschen bestimmen. Noch hat er es nicht geschafft, genügend Kraft einzufangen, aber wenn es so weit ist, sind wir alle in Gefahr. Wir müssen den Apparat zerstören, damit die Erde sich wieder anfängt zu drehen. Saslan den Apparat sowieso zerstören, früher oder später dreht sich die Erde wieder. Doch er darf seinen Plan nicht in die Tat umsetzen"

Darkness - Letzte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt