"Mama, Mama, der Himmel weint!" Der aufgeregte Klang, den die glockenhelle Stimme des jungen Mädchens verursachte, ließ mich durch meine Tränen hindurch leicht lächeln. Und würde diese kalte Substanz nicht so dominant meine Wangen bedecken, würden jetzt die leuchtenden Farben meines geliebten Regenbogens im Himmel erstrahlen. Doch dafür reichte es nicht. Dafür reichte kein unschuldiges kleines Mädchen, oder gar etwas anderes derartig Bezauberndes. Konnten doch nur die beruhigenden Worte meines Geliebten diesen wunderschönen Himmelschmuck hervorrufen, wenn die Trauer wieder einmal mein Herz eingenommen hatte. Doch wie sollte er denn nun die Sonne hervorrufen, war er doch Grund für die nie enden zu wollenden Himmelstränen? Himmelstränen. Himmelstränen. Tränen. Höllentränen. Nein. Stockend hielt ich in meinen ziellosen Schritten inne und fast wie automatisch strichen meine dubios trockenen Fingerspitzen federleicht unter meinem Auge entlang. Nein. Nur der Gedanke daran ließ schon unbändige Panik in mir aufwallen - obwohl ich doch wusste, dass dies unheilvolle Folgen mit sich bringen würde. Und doch ließ ich es zu. Ich ließ zu, wie meine Tränen die Farbe des Blutes in sich aufnahmen und dessen Habgier widerzuspiegeln begannen. Dieses Farbspiel war so wunderschön wie auch gefährlich; wollte ich doch nicht an das letzte Mal zurückdenken, als der Himmel sich plötzlich weinrot verfärbt hatte. Keine Frage; ich liebte diesen Anblick - ja, ich vergötterte ihn schon fast -, aber diese unbändigen Schmerzen, die ich dadurch zu verspüren hatte, übermannten mich in meiner Ekstase. Und wie als würden meine Muskeln wissen, welch grausames Unheil ihnen bevor stand, begann ich, ohne jegliche Kontrolle über meinen Körper, zu laufen. Der Aufprall meiner Füße auf dem wassergetränkten Erdboden hallte in meinen Ohren, floss durch meine Sinne und ließ mich dann erst verstehen, was ich im Begriff war, zu tun. Ich wollte fliehen. Ohne Aussicht auf Entkommen. Mein Reflex verlangte es so. Das hatte er schon immer. Doch die einzelnen Geräusche meiner Umwelt verschwammen und vereinten sich zu einer wunderbar erklingenden Musik. Das tat mein Unterbewusstsein; wusste es doch, dass Musik der Schlüssel zu meiner inneren Ruhe war. Und es half. Ich konnte spüren, wie die eiskalte Luft meine Lungen erfrischte und meinen Atem beruhigte. Ich konnte sehen, wie der Himmel sich langsam wieder blau verfärbte. Ich konnte hören, wie der Regen in ein einsames Tropfen überging und ich konnte fühlen, wie meine blutroten, warmen Tränen wieder zu einem Meer aus kaltem Salzwasser wurden. Mein Herz beruhigte sich und ließ somit das Gewitter verstummen, das, von mir unbemerkt, eingesetzt hatte. Der Sturm wurde leichter; schwereloser. Doch der bunte Himmelsschmuck blieb mir weiterhin vorenthalten. Und erst als meine Ohren sich wieder der Klänge meiner Umwelt hingaben, konnte ich die so vertraute engelsgleiche Stimme, die von so viel Hektik und Reue unterstrichen zu sein schien, wahrnehmen. Und als würde der Klang alleine nicht schon diese unbändige Liebe und Sehnsucht in mir erwecken, ließ mein Name, der von ihm ausgesprochen wie die Betitlung eines Engels schien, all die zurückgedrängten Gefühle wieder über mich hereinfallen.
"Yoongi! Bitte..."
Mein Herz rang mit sich selbst. Es konnte sich nicht entscheiden, ob es denn nun Freude, Trauer, oder Wut empfinden sollte. Und diese Unentschlossenheit machte sich schließlich auch im Himmel bemerkbar. Denn der Regen hatte wieder eingesetzt und der Wind sich verstärkt, der somit die Sonne hinter ihrem sicheren Versteck hervor lockte. Ein Seufzen entwich meiner Kehle. Ich konnte spüren, wie mein allesgeliebter bunter Himmelsbogen sich in meinen glänzenden Augen zu spiegeln begann. Ich hatte nicht bemerkt, wie ich auf die Knie gesunken war, und ebenso wenig bemerkte ich die unerwünschte Präsenz hinter mir. Der Regenbogen hatte mich zu sehr in sich aufgenommen. All seine Farben hatten sich in meine Augen verirrt. Ich konnte das erste Mal seit langem wieder so etwas wie Schwerelosigkeit spüren. All meine hasserfüllten Gedanken und Probleme schienen so nichtig zu werden, dass ich sie nicht mehr wahrnehmen konnte. Dieses Gefühl brachte Erleichterung mit sich.
"Yoongi..."
Erst das leise Murmeln, das beinahe unbemerkt an meinem Gehör vorbeigezogen wäre, ließ mich aus dieser reinen Ekstase erwachen. Mein Körper versteifte sich und meine Atmung fing an zu stocken. Ich konnte mich nicht bewegen - diese Schwerelosigkeit lag noch zu tief in meinen Muskeln. Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass diese von Dreck bedeckten Finger nicht meine klare Haut streifen würden.
"Lass mich in Ruhe."
Meine Stimme zitterte. Ich hasste mich dafür. Dafür, dass ich so schwach war.
"Ich lass' dich jetzt nicht alleine. Nicht in diesem Zustand. Bitte. Es tut mir Leid..."
Das Zittern, das anfangs nur meine Stimme eingenommen hatte, wanderte in meinen ganzen Körper über und ließ meine Hände beben. Hilflos umschloss ich meine Arme, in der Hoffnung, meinen Körper wieder still stehen lassen zu können. Es half nicht.
"Geh! Geh, verdammt nochmal! Oder willst du wirklich aufs Spiel setzen, nie wieder den Himmel erblicken zu können..?"
Es half nicht. Meine Stimme war nach wie vor von unendlicher Unsicherheit geprägt. Ich hasste es.
"Würde es nicht das gleiche Ergebnis hervorbringen, wenn ich dich jetzt hier alleine lassen würde? Und so könnte ich wenigstens das Schlimmste abwenden. Bitte; lass es mich erklären."
Vehement meinen Kopf schüttelnd, vergrub ich meine Finger in meinem triefenden Haar und zog daran. Doch auch das konnte diese stechenden Schmerzen in mir nicht verblassen lassen.
"Yoongi... Bitte sieh mich an. Sieh in meine Augen. Kannst du nicht meine Ernsthaftigkeit erkennen?"
Als diese zarten Worte, die in meinen Gedanken nur als erlogen und erdichtet widerhallten, verklungen waren, konnte ich einen leichten Druck auf meiner Schulter spüren, der augenblicklich kleine Stromschläge durch meinen Körper wandern ließ. Ich war mir meiner Gefühle und Reflexe bewusst. Mir war klar, welch Reaktion so eine Berührung in mir auslösen konnte - und auch würde. Doch bevor ich auch nur in die Versuchung seiner Zärtlichkeiten kommen konnte, hatte ich mich schon unter großer Anstrengung, da meine Muskeln noch immer nicht gänzlich den Zustand der Schwerelosigkeit verlassen hatten, erhoben und mit sicherer Entfernung auf den durchnässten Boden gestellt. Wir standen uns gegenüber; doch meine Augen trafen nicht die seinen.
"Hast du nicht gesagt, dass du dafür sorgen willst, dass nurnoch die Sonne scheint? Nun sieh, was du angerichtet hast! Nennst du das etwa Sonnenschein?"
Und ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, wusste ich, dass sein Körper an Spannung annahm und erschrocken zusammenzuckte, als der helle Blitz gepaart mit einem tiefen Donnergrölen durch den Himmel jagte - war er doch noch nie in das Vergnügen meines tiefgreifenden Zornes gekommen. Seine nächsten Worte waren von Unsicherheit geprägt, und ich konnte spüren, wie ihn die Hoffnung immer weiter verließ.
"Dann lass mich dir helfen, dein Wohlbefinden wieder in den Himmel zu schicken und die Sonne erstrahlen zu lassen! Ich könnte das schaffen, wenn du mich nur lassen würdest!"
Ich konnte nicht verhindern, dass mein Blick den Seinen striff. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Augen sich in den Seinen verloren. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Trauer und mein Schmerz auf den Seinen traf. Und ich konnte nicht verhindern, dass mein Herz zu versuchen begann, ihm zu glauben, ihm zu vertrauen. Ein Schritt. Zwei Schritte. Drei Schritte. Je näher seine Augen kamen, desto schmerzhafter wurde diese Sehnsucht. Doch auch je näher seine Wärme kam, desto präsenter wurden diese nagenden Gedanken, die meinen Kopf eingenommen hatten, als seien sie ihr unvermeidlicher Strick zum Leben.
"Ich könnte deinen geliebten Regenbogen wieder zum Erstrahlen bringen. Du musst mir nur vertrauen."
Er verstand es nicht. Er verstand nicht, wie unmöglich es doch war, einen Himmelsbogen zu erschaffen, wenn versucht wird, die Tränen mit der gleichen Hand wegzuwischen, wegen der sie auch entstanden waren.
"Hör auf! Hör auf, verdammt nochmal!"
Wäre mein Geliebter nicht in unmittelbarer Nähe zu mir, hätte das Schluchzen, dass diese fragil wirkenden Worte begleitet hatte, beinahe meine Aussage übertönt.
"Du zerstörst mich! Du zerstörst den Himmel. Kannst du ihn nicht sehen, diesen Sprung, der so klar versteckt ist hinter meiner schönsten Himmelskreation?"
Und ohne es zu wollen, wanderte mein Blick gen Himmel, um ein letztes Mal diese wunderschön erstrahlenden Farben in sich aufzunehmen, bevor die Trübseligkeit meines leeren Herzens meine Augen endgültig erreichen würde. Mein Herz brach. Der Himmel brach. Ich wusste, dass nun alles verloren war. Und er wusste es auch. Denn seine Seele war erfüllt von unendlicher Trauer, die bis hin zu seinen Augen reichte und Unheil bringende Engelstränen frei ließ.
"Lebe wohl, Jimin. Möge deine Glückseligkeit sich nicht an mich ketten und in die Tiefen des Universums begleiten."Und der letzte Tropfen Himmelsblut floss; floss aus dem Auge des Geliebten, als der Himmel langsam und bedächtig in sich zusammen fiel, und den, der die unvermeidlichen Regeln vorgab, unter seinen Scherben bedeckte.
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Himmelstränen || yoonmin OS [AU]
Fanfiction[german] Und der letzte Tropfen Himmelsblut floss; floss aus dem Auge des Geliebten, als der Himmel langsam und bedächtig in sich zusammen fiel, und den, der die unvermeidlichen Regeln vorgab, unter seinen Scherben bedeckte.